Lainz und Speising

Auszug aus Gerhard Weissenbachers "In Hietzing gebaut"
12.12.2013

Das Schicksal dieser Orte ist eng miteinander verbunden. Sie waren zur Zeit ihrer Entstehung im 11. oder 12. Jahrhundert kleine Wohnsiedlungen von Holzfällern und Bauern. Die früheste Nennung von Lainz, einem Grabenangerdorf entlang der Lainzer Straße zwischen den Einmündungen der h. Veitingergasse und Fasangartengasse, ist für das Jahr 1313 als "Lventz" belegt; 1317 wird der Ort als "Luntz an dem Miesenchobel" , 1441 erstmals in der Form "Laintz" erwähnt. Im selben Jahr sind ein "Obern Laincz", 1467 auch ein "Nidern luencz" urkundlich festgehalten. Die Herkunft des Namens - ob slawisch oder nicht - ist umstritten. Ferdinand Oppl nimmt neuerdings wieder eine slawische Wurzel an.

Auch der Name Speising ist nicht geklärt. Vielleicht hängt er mit "spiso" zusammen, der mittelalterlichen Bezeichnung für den Speisemeister am herzoglichen Hof. Der Name scheint erstmals 1355 in der heutigen Form auf.

Lainz und Speising gehörten zur Dotation, mit der Herzog Rudolf IV. 1365 seine neugegründete Propstei St. Stephan bedachte. In der Folge wechselten sich viele Familien im Besitz beider Orte ab, so die Chrudner (1411 übergab Herzog Albrecht V. beide Orte als Lehen den Herren Peter und Alexius Chrudner), Rattmannsdorf (diese Familie besaß von 1527 bis um 1600 Teile des Ortes Lainz) und Saurau. 1637 war Anna von Saurau die Eigentümerin von Lainz. Bereiche dieses Ortes waren jedoch im Besitz des Wiener Bistums, was zu immer wieder auftretenden Streitigkeiten zwischen den Herrn von Rattmannsdorf und Saurau einerseits und dem Bischof andererseits führte.

Nach der Ersten Türkenbelagerung 1529 ist in Lainz "alles verhert, verprent, der haibtail volck umbpracht", ebenso wie 1531 "zu Speysin (...) yetzunt noch alles in öden ligt, das volck gefangen und gestorben" , ist.

In der Reformationszeit wird 1537 von sieben Lainzern berichtet, die den Empfang der heiligen Sakramente verschmähten; noch 1630 sollen sich drei Bewohner geweigert haben, katholisch zu werden. 1644 berichtete aber der Pfarrer von Penzing, Hans Löchl, dem beide Dörfer unterstellt waren: "In meiner Pfarre ist kein formalis haereticus".

1609 wird Lainz als Au und Jagdort des späteren Kaisers Matthias (1557-1619) genannt.

Rechtsnachfolger der Herren von Rattmannsdorf und Saurau wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Jesuitenkonvent; nach dessen Aufhebung erhielt das Bistum die Anteile von Lainz. 1780 wurden schließlich Lainz und Speising der Herrschaft St. Veit unterstellt, unter dessen Landgericht sie sich schon befunden hatten.

Für die Beliebtheit von Lainz als Jagdgebiet zeugen das um 1700 errichtete Jagdschloß an der Stelle des h. Bildungs- und Exerzitienhauses der Jesuiten neben der Lainzer Pfarrkirche sowie das um 1750 gebaute und in veränderter Form noch bestehende Gartenpalais de Pauli.

Die später dem Patrozinium der H1. Dreifaltigkeit geweihte Lainzer Kirche wurde 1428 vollendet; um sie herum legte man den Friedhof an. 1683 war das Gotteshaus so baufällig, daß man es abreißen mußte. Auf Anordnung von Kardinal Sigismund Graf von Kollonitsch errichtete man einen neuen Bau, der 1736/37 fertiggestellt, aber erst 1746 eingeweiht wurde.

Der Friedhof lag nun an der Nordseite der Kirche. Er wurde 1748 von den Bürgern des Ortes gestiftet und bestand bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts. Wegen Platzmangels wurde schon um 1785 eine neue Begräbnisstätte an der h. Fasangartengasse 21 (ehemals Hetzendorferstraße) gewählt. Dieser Friedhof existierte bis 1894; an seiner Stelle legte man 1907 eine kleine Parkanlage an. Seit 1876 befindet sich der Lainzer Friedhof auf der Höhe des Stranzenberges.

Das um 1750 erbaute Pfarrhofgebäude in der Lainzer Straße 154 wurde 1806 in das Eigentumsrecht der Pfarrpfründe einverleibt, nachdem bereits 1754 zum ersten Mal eine Gewährserteilung erfolgt war, die man in den Jahren 1764, 1774, 1784 und 1794 erneuerte.

Die größte Bedeutung hatte Lainz zur Zeit der Pestepidemien im späten 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Da man besonders die H1. Dreifaltigkeit als Schutz vor der Pest anrief, es in Wien aber bis zur Epidemie von 1679 keine diesem Patrozinium unterstellte Kirche gab, wurde Lainz ein Zentrum der Pestwallfahrt. Wie die Pfarrchronik berichtet, trug dazu auch bei, daß die Lainzer Bevölkerung in den großen Pestjahren 1679 und 1713 von der Seuche verschont blieb.

Eine Dreifaltigkeitssäule aus dem Ende des 17. Jahrhunderts beim Haus Lainzer Straße 117 verweist auf dieses Patrozinium. Sie stand ursprünglich in der Verlängerung der Stadlergasse und wurde durch den Bau der Verbindungsbahn versetzt. 1679 gelobten das Personal der "Münzstätte", die sich damals in der Wollzeile befand, und die Gemeinde von St. Ulrich (7. Bezirk) eine jährliche Wallfahrt nach Lainz. 1703 beschlossen dies auch die Mitglieder der Fleischhauerinnung und im Laufe des 18. Jahrhunderts unter vielen anderen die Buchbinder, Hutmacher und die Wiener Dreifaltigkeitsbruderschaft, eine Laienbruderschaft unter geistlichem Vorstand, welche während der Gegenreformation gebildet worden war und 1783 aufgehoben wurde. Im 19. Jahrhundert versiegte langsam der Zustrom der Wallfahrer.

Im 1820 erschienenen zweiten Band der Kirchlichen Topographie von Österreich (S. 164) wird schon für das Jahr 1737 in Lainz eine Schule genannt. Es ist ungewiß, ob sie sich bereits an der Stelle des um 1840 errichteten, 1872 von den Gemeinden Lainz und Speising je zur Hälfte gekauften Schulhauses in der Lainzer Straße 148 befand. Dieses Gebäude wurde 1912 für Wohnzwecke von Bediensteten des Lainzer Versorgungsheimes adaptiert, nachdem bereits 1908 Baumeister Matthäus Bohdal ein neues Schulgebäude in der Steinlechnergasse 5, 7 errichtet hatte.

Diese mit interessantem plastischem Fassadenschmuck ausgestattete "Knaben Volks- und Bürgerschule" ist die h. Volksschule; 1994/95 führte F. G. Mayr einen Zubau mit zwei Obergeschoßen und ausgebautem Dach für vier Klassen und einen Turnsaal aus.

Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts waren für die Bewohner von Lainz und Speising die Haupterwerbszweige Holzschlägerung und -verarbeitung sowie Kohlenbrennerei und Pechsiederei. Gegenüber diesen Tätigkeiten gewannen jedoch der Acker- und Weinbau - dieser besonders am südlichen Abhang des Küniglberges - wie auch Milchwirtschaft und Gärtnereibetriebe an Bedeutung.

Eine der bekanntesten Milchmeiereien war der "Wambacher" in der Lainzer Straße Nr. 121, 123. Das Anwesen dieser Familie, die 1884 mit Karl Wambacher den Bürgermeister von Lainz stellte, bestand mit großer Wahrscheinlichkeit schon 1589 und war ab den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zum Ende der Monarchie ein beliebter Treffpunkt von Mitgliedern des kaiserlichen Hofes, des Adels und des Großbürgertums. Zu den Besuchern zählten auch die Burgschauspielerinnen Katharina Schratt und Charlotte Wolter. Man genoß die ungestörte Atmosphäre, den idyllischen Garten und nicht zuletzt den berühmten Kaffee. Heute wird der Betrieb als Heurigen-Restaurant geführt.

Eine andere Milchmeierei wurde von der Familie Steinböck in der Lainzer Straße 139 betrieben.

Das Haus Lainzer Straße 131, dessen Altbausubstanz mindestens bis in das 18. Jahrhundert zurückreicht, beherbergte nach mündlicher Überlieferung u. a. die Gemeindestube und den Gemeindekotter, auch die Gemeindegastwirtschaft bis 1970. Der Gasthausgarten mit seinem alten Baumbestand ist heute noch erkennbar. Zu diesem Betrieb gehörten neben Schank und Extrazimmer ein ausgedehnter Saal im linken Seitenflügel, eine 1913 gebaute Veranda, ein Eishaus und eine Räucherkammer. Der Saal dürfte bemerkenswerte Details aufgewiesen haben, denn für 1908 ist in den Bauakten die "Rekonstruktion eines Gasthaussaales im städtischen Haus Lainzer Straße 131" vermerkt. 1985 konnte das devastierte Gebäude vom Abbruch gerettet und nach Renovierung der Fassaden und Umgestaltung des Inneren einem neuen Zweck, dem eines "Einkaufsgartens", zugeführt werden.

Im Haus Lainzer Straße 156 lag wahrscheinlich die Dorfschmiede. Bei einem Umbau im Jahr 1908 stieß man auf die geschwärzten Mauern der Esse.

Um die Hochwassergefahr des Lainzerbaches einzuschränken, errichtete man schon früh im Ortsgebiet auf beiden Seiten des Baches Ufermauern; Stege verbanden die Fahrwege, die auf beiden Seiten dem Bach entlang führten. Diese Situation ist noch auf einem Aquarell aus der Zeit um 1850 ersichtlich. Gegen die Kirche zu befand sich wegen der erhöhten Überschwemmungsgefahr durch die Bachbiegung Fasangartengasse/Lainzer Straße eine Schutzmauer aus Ziegeln unterhalb des h. Straßenniveaus. Sie war während der Aufgrabungsarbeiten, die vor einigen Jahren an dieser Stelle durchgeführt wurden, vor den Häusern Lainzer Straße 152 und 154 erkennbar.

Speising, das nie eine eigene Kirche besaß, wurde 1783 nach Lainz eingepfarrt. Es war eine selbständige Ortsgemeinde, deren Zentrum die h. Speisinger Straße von ihrem Beginn bei der Verbindungsbahn bis hin zur Gallgasse war. Letztere lag mit ihrer Häuserzeile und den dazugehörigen kleinen Hofäckern direkt am Lainzerbach; sie wurde vor 1894 mit Bezug auf die Meiereiwirtschaft Mayerhofgasse genannt. In der Speisinger Straße 50 stand bis 1973 der letzte Bauernhof von Alt-Speising, ein ebenerdiger Vierkanter mit sieben Fensterachsen und den ursprünglichen Haustorflügel an der Straßenseite.

Die ersten Gärtnereibetriebe Speisings lagen in der Gallgasse (1848) und in der Speisinger Straße (1860).

Das h. eingeschoßige "Gasthaus Schlusche" in der Speisinger Straße 2 bestand schon 1818 als Gasthaus "Zum braunen Hirschen". In der Feldkellergasse 30 befindet sich der 1840 errichtete ebenerdige Bau des ehemaligen Café-Restaurants "Zum Feldkeller". In der Speisinger Straße 41 stand die alte Schmiede; später wurde in dem Anfang der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts abgetragenen Bau ebenfalls ein Gasthaus eingerichtet.

Die Volksschule in der Speisinger Straße 44 wurde 1897, erst einige Jahre nach der Eingemeindung zu Wien, gebaut.

In der Speisinger Straße 104 steht das ehemalige Linienamtsgebäude. Seit 1829 hob man entlang des Linienwalls (in etwa der Verlauf des Gürtels) die sog. Verzehrungssteuer ein. Nach der Eingemeindung der Vororte erstreckte sich der Verzehrungssteuerrayon auf das gesamte neue Gemeindegebiet. Der ab dieser Zeit gesenkte Tarif wurde bis 1922 in den Linienämtern, die nun an der Stadtgrenze lagen, eingehoben.

1824 wurde in Speising, im Gasthaus "Zum alten Jagdschloß" in der Fehlingergasse 31, ein Theater gegründet, das bis 1893 bestand. Gespielt wurde nur im Sommer. Am 7. 8. 1887 trat hier erstmals die beliebte Volksschauspielerin Hansi Niese auf; ihr Elternhaus steht in der Speisinger Straße 28.

Das Gut Rosenberg auf dem "Rosenhügel" war eine Katastralgemeinde mit eigener Hausnumerierung, gehörte aber zur Ortsgemeinde Speising. Von diesem Gut sind keinerlei Baureste erhalten. Nach dem 1819 erstellten Franziszeischen Kataster bestand es zu dieser Zeit aus neun Gebäuden. Im englischen Garten, an den sich ein französischer anschloß, lagen fünf Teiche. Für das Jahr 1818 sind in der Riedlgasse gegenüber den Nummern 24, 26 und 28 Ziegelöfen belegt. Später befand sich hier ein Meierhof; südlich hievon gab es eine Lehmgrube.

Auf dem 257 m hohen Hügel, früher mit Rosenkulturen bepflanzt, befindet sich seit 1873 das Hauptreservoir der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung.

1925 wurde auf dem Hügel der erste große Wiener Radiosender installiert; er konnte im Oktober dieses Jahres provisorisch in Betrieb genommen und am 30. 1. 1926 als "RAVAG-Sendeanlage Rosenhügel" offiziell eröffnet werden.

Quellen:
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band I 1996 ISBN 3-85493-004-6 und Band II 1998 ISBN 3-900518-93-9

Eingestellt von hojos
im Dezember 2013