Geschichte und Verhältnisse des Wien-Flusses

sowie Anträge für dessen Regulirung und Nutzbarmachung mit Rücksichtnahme auf die jetzigen allgemeinen und localen Anforderungen. Auf Veranlassung des Concessionärs Franz Zaillner von Zaillenthall, verfasst von Franz Atzinger und Heinrich Grave, Ingenieure. Wien 1874. Alfred Hölder. Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Rothenthurmstrasse Nr. 15)
1874

Einleitung

Schon seit langer Zeit sind über den schlechten Zustand des Wienflusses und über dessen meist zu geringe Wasserführung viele Klagen vernommen worden.

Dieser Uebelstand trifft jene Reihe von Industriellen am Empfindlichsten, welche sich vor vielen Jahren und noch bis ge­genwärtig wegen des Wassers längs des Flusses angesiedelt und hier ihre Fabriken oder.sonstigen Anstalten errichtet haben; de­ren Existenz demnach von einem genügenden Wasserzuflusse in der Wien abhängig ist.

Würden diese Etablissements, wie z. B. Druckereien, Färbe­reien, das Wienwasser gar nicht oder nur mehr in ungenügendem Quan­tum benützen können, so müssten selbe die Arbeiten unbedingt ein­stellen; denn das einzige Hilfsmittel, die Anstalten anderweitig wie­der zu errichten, ist nicht so leicht ausführbar. Durch eine Arbeitseinstellung würden aber nicht nur Tausende von Arbeitern brodlos gemacht und die einschlägigen Gewerbe in Mitleidenschaft gezogen, sondern es würden auch die betreffenden Gemeinden überhaupt und ebenso der Staat selbst durch den Entgang der Steuern geschädiget werden. Es ist dies leicht aus der Thatsache zu ersehen, dass die betreffenden Gemeinden mit circa 100.000 Einwohnern über eine Million Gulden jährlich an Steuern entrichten.

Mein langjähriger Verkehr mit den Fabriksbesitzern und Gemeinde-Mitgliedern gab mir oftmals Gelegenheit, die Frage zu besprechen, ob es nicht möglich wäre, in den Wienfluss mehr Wasser zu bringen, ihn zu reguliren oder in einen Schifffahrtscanal zu verwandeln. Die vielen Projecte, welche in den letzten zwei Jahren hin­sichtlich des Wienflusses auftauchten und meist das Gegentheil von dem bezweckten, was die Gemeinden und Fabrikanten anstreben und anstreben müssen, machten nun die eben erwähnte Frage zu einer dringenden.

Vor Allem wurde von den Gemeinden und Fabrikanten gegen die beabsichtigte Ableitung oder Entwässerung der Wien Verwahrung eingelegt und diese in mehreren Petitionen an den hohen Reichsrath, die hohe k. k. Statthalterei und den löblichen Gemeinderath der Stadt Wien begründet.

Weiters musste aber auch dahin gewirkt werden, ein den wirklichen Bedürfnissen entsprechendes und umfassendes Project zu erhalten, weil nur auf Grundlage eines solchen die weiteren Schritte gemacht werden können.

Im Einverständnisse mit mehreren Fabriks-Besitzern und Gemeinde-Vertretungen habe ich daher am 7. März 1873 bei dem hohen k. k. Handels-Ministerium um Ertheilung einer Concession zur Vornahme der technischen Vorarbeiten für die Bewässerung und Canalisirung des Wienflusses angesucht, indem Anfangs beabsichtigt war, von der Donau oder der Traisen, Wasser in den Wienfluss zuzuführen.

Die im Sommer und Herbste 1873 vorgenommenen Recognoscirungen und Höhenmessungen zeigten aber bald, dass eine Wasserzuleitung aus der Donau kaum ausführbar ist, aus der Traisen aber nur mit ungemein grossen Schwierigkeiten und Ko­sten möglich wäre.

Am 26. October 1873 erhielt ich die Genehmigung des hohen k. k. Handels-Ministeriums zur Durchführung der Vor­arbeiten, und übernahm Herr Franz Atzinger die Leitung derselben, sowie die Verfassung eines unseren Zwecken entsprechenden Projectes.

Bei dessen Bearbeitung wurde er von Herrn Heinrich Grave, welcher sich bereits seit mehreren Jahren mit der Wien-Regulirung beschäftigt und bei vielen diessfälligen Commis­sionen intervenirte, in wirksamster Weise unterstützt.

Letzterer stellte auch viele Pläne und Daten über den Wienfluss zur Verfügung, die sonst nur mit Mühe und grossem Zeitaufwande zu erhalten gewesen wären. Ebenso betheiligte sich Herr Grave an der Verfassung der vorliegenden Brochüre in hervorragendster Weise.

Indem ich selbe hiemit der Oeffentlichkeit übergebe, bin ich überzeugt, dass die Verbesserung des Wienflusses nur auf die hier dargelegte Weise nutzbringend durchgeführt werden kann, und meine Mühe und Auslage hiefür nicht unnütz verwendet wurde.

Penzing, im Mai 1874.

Franz Zaillner v. Zaillenthall.

Vorwort

Nicht darum haben wir uns der gestellten Aufgabe unter­zogen, um die Projecte über den Wienfluss lediglich um eines zu vermehren.

Wir haben das reiche, uns vorgelegene, seit Jahren gesam­melte Materiale mit Lust und Liebe einer genauen Durchsicht und Ordnung unterzogen und in den ersten Abschnitten dieses Werkchens uns vollständig objectiv gehalten, um Jedermann in die Lage zu setzen, die vielen irrigen Daten, die hie und da an­gegeben wurden, richtig zu stellen, auf verlässlicher Grundlage die vorliegenden Projecte zu prüfen und die Licht- und Schatten­seiten der Vorschläge nach allen Seiten zu ventiliren, was bisher nicht geschehen ist

Erst nach dieser unerlässlichen Vorarbeit gingen wir an die gestellte Aufgabe.

„Unser Project“ ist im VIII. Abschnitte beschrieben; ohne auf Originalität in der Idee Anspruch machen zu können oder zu wollen, glauben wir die Aufgabe auf Grund der neuesten Erfahrun­gen und mit Berücksichtigung der vitalen Interessen der Bewohner und der Industrie des Wienthales gelöst zu haben.

Der Ruf nach Wasser ist ein allgemeiner und bei der zahl­reichen industriellen Bevölkerung der Vororte ein Nothschrei! Soll die Industrie aber prosperiren, so muss sie möglichst billiges Wasser erhalten, sonst leidet sie trotz Wasserreichthum aus finanziellen Gründen an Wassernoth!

Die Commune Wien dürfte mit dem besten Willen nicht in die Lage kommen, aus der Hochquellenleitung überhaupt oder wenigstens viel Wasser für die Vororte abzulassen, da sich die Population der Stadt seit Aufstellung der Berechnung des Be­darfes bedeutend vermehrt hat, so z. B. die ganze Donaustadt zugewachsen ist. Factisch hat auch bis heute die Commune Wien noch keiner Nachbargemeinde Hochquellen-Wasser zugesagt.

Dieses Wasser wäre für technische Zwecke sehr geeignet, denn es zeigt im Reservoir am Rosenhügel nur eine Gesammthärte von 8,6 Grad, übertrifft sonach für technische Zwecke das Wasser der Kaiser Ferdinands-Leitung, welches eine grössere Gesammthärte hat.

Nach Mittheilungen in öffentlichen Blätten will aber die Commune Wien an die Vororte des Bezirkes Sechshaus täglich 5000 Eimer aus der Albertin’schen Wasserleitung ablassen, ge­gen 2 fl. pr. Eimer und Jahr. (FN: Diese 5000 Eimer vereinigen sich etwas schwer mit der officiellen Angabe, dass die früher 5–6000 Eimer betragende Leistungsfähigkeit dieser Quellen-Leitung dermalen auf 3000 Eimer herabgesunken ist.)

Dieses Wasserquantum genügt nicht für den Bedarf zum Trinken und Kochen, aber abgesehen hievon eignet sich das Wasser nicht besonders zu technischen Zwecken, da es in Hütteldorf eine Gesammthärte von 13-23 Graden besitzt, und selbst eine ähnliche Abminderung wie beim Wasser der Kaiser Ferdinands-Leitung in einer gewissen Leitungslänge eintritt, angenommen, nämlich 2,16 Grad, noch immer 11,07 Härtegrad verbleiben, somit weder dem Hochquellenwasser (8-6 Grad) noch dem Wasser der Donauleitung (8,74 Grad) gleichgestellt werden kann.

Das Wienwasser aber hat in Purkersdorf eine Härte von 10,25 Grad und kann bei einer rationellen Leitung ganz gut am Verwendungsorte eine Härte erzielt werden, welche der des Donauleitungs- und Hochquellenleitungs-Wassers mindestens gleich­kommt.

Auch spricht die heutige Verwendung des Wienfluss-Wassers schon dafür, dass dessen Beschaffenheit eine den technischen Be­dürfnissen entsprechende sei.

Die Güte des Wassers steht sohin ausser Zweifel, und ist es Aufgabe unseres Projectes, das Wasser auch immer im genü­genden Quantum und zu entsprechenden Preisen beizustellen und den sich steigenden Bedarf für eine längere Zeitdauer hinaus, zu decken. Sind wir dem ersten Theile unserer Aufgabe mit Vergnügen nachgekommen, so hat uns der zweite mehr Sorgen gemacht, und wir wollten die Ausarbeitung des Projectes für einen Schifffahrts-Canal schon ganz ablehnen.

In neuerer Zeit haben aber die Wasserstrassen wieder an Bedeutung gewonnen, wie die Bildung des Central-Vereines für Hebung der deutschen Fluss- und Canal-Schiffart in Berlin zeigt.

In Frankreich wurde ebenfalls in der „Assemblee nationale“ die Ansicht vertreten, dass nunmehr die Wasserstrassen den Ei­senbahnen zu Hilfe kommen müssen, und in England sehen wir, dass Eisenbahn-Gesellschaften selbst parallel liegende Wasser­strassen gekauft oder gepachtet haben.

In einem Berichte (ddo. 23. Jänner 1873) einer Commission an die National-Versammlung in Versailles heisst es:

„Die Canäle und die Eisenbahnen besitzen nicht dieselben Fähigkeiten für den Transport, sie leisten nicht dieselben Dienste und wenden sich nicht an dieselben Parteien. Sie können in dem­selben Thale gleichzeitig bestehen, ohne einander zu schädigen. Ihr gegenseitiger Einfluss kann und soll ein Zusammenwirken, nicht aber Concurrenz bedeuten. (Concours et non la concurrence). Wenn in einem Thale eine Eisenbahn zur Bewältigung des Waarentransportes unzureichend geworden ist, soll ein Canal, nicht aber eine zweite Eisenbahn, zu Hilfe genommen werden. Durch den Canal, nicht aber durch die zweite Eisenbahn wer­den die öffentlichen Interessen gewahrt, ohne die Privatinteres­sen zu schädigen.“

Diese Voten und Erfahrungen haben uns die Idee näher gelegt und wenigstens wollten wir das Project ausarbeiten, um die Ausführung, wenn sie auch vielleicht jetzt noch nicht erfolgt, doch möglich zu lassen, ohne wieder neue erhebliche Umänderun­gen am Wienflusse zu fordern.

Die Beilage von Plänen zu diesem Werkchen musste mit Rücksicht auf deren Grösse unterbleiben, dieselben sind aber in doppelter Ausführung dem hohen k. k. Handels-Ministerium überreicht worden.

Wien, im Mai 1874.

H. Grave.   F. Atzinger.

I. Zur Geschichte des Flusses

Im Allgemeinen

Der Beschreibung des Flusses schicken wir eine kurze Ge­schichte desselben voraus.

Das Wienthal war schon bei den Römern ein Sommerauf­enthaltsort und wurde desshalb eine Strasse in diese Sommer­frische angelegt, welche höchst wahrscheinlich über Purkers­dorf und Neulengbach eine Fortsetzung bis zur römischen Ansied­lung bei St. Pölten fand (FN: Dr. Kenner. Die Römerorte in Niederösterreich, im Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich II. Jahrg. 1869. S. 173).

Die Anlage dieser Strasse ist wohl dermalen noch nicht nachzuweisen, aber durch Münzenfunde in Purkersdorf und Neu­lengbach und aus anderen Gründen sehr wahrscheinlich.

Die Ansiedlungen am Wienflusse (ausgenommen Wien) ver­schwanden wieder, wenigstens geschieht ihrer in den Urkunden des IX., X. und XI. Jahrhunderts keine Erwähnung.

Aber in Wien selbst diente der Fluss schon im XIII. Jahr­hunderte zum Betriebe von Mühlwerken. Er hatte damals eine bedeutend höher liegende Sohle, eine grössere Breite und theilte sich in mehrere Arme.

In einer Urkunde Leopold des Glorreichen v. J. 1211, betreffend die Gebietsgrenzen des vor dem ehemaligen Kärntner­thor gelegenen heiligen Geist-Spitales wird ausdrücklich der san­dige Boden des Flussbeetes im Gegensatze zu der künstlichen Zuleitung des Wassers zu den Mühlen, welche nicht als Grenze dienen soll — betont, und stromabwärts östlich von der Wien­brücke (an deren Stelle jetzt die Elisabethbrücke sich befindet) ein hohes Ufer erwähnt, das entgegenblickt. (FN: In der Mitte zwischen dem Stuben- und Kärntnerthore lag die „Spittelmühl.“ Im Jahre 1600 wird auch eine „Kloster Himmelporten Mühl am Traidmarkht“ erwähnt, welche 1647 demolirt wurde. K. Hofbauer: Die Wieden mit den Edelsitzen Conradswerd, Mühlfeld, Schaumburgerhof und dem Freihofe Hungerbrunn. Wien 1864. S. 7. 14. 13. – 1467 wird (in Schlager’s Wiener Skizzen 1836. I.) eine „Radawner Mül“ erwähnt, die in der Nähe des Starhemberg’schen Freihauses gelegen sein musste).

Suess versteht unter diesem hohen Ufer einen Theil jenes Steilrandes, der sich von der Karlskirche angefangen, beim Schwarzenberg’schen und beim Modenesischen Palaste, in der Reisnergasse, Ungargasse u. s. w. als eine ununterbrochene, das rechte Ufer des Flusses begleitende Linie zeigt.

Auf diesen Steilrand beziehen sich auch die im Gültenbuche der Schottenabtei v. J. 1314–27 vorkommenden Bezeichnungen wie: „Redditus ante postam Stuparum ex alia parte aque Wienne in der Landstrazze superiori“ und „in inferiori Lantstrazze, circa Collem.“

Der Wiener Wald selbst gelangte aller Wahrscheinlichkeit nach, an die Babenberger, als ein von jedem Lehensbande freies Allodial-Eigen, wie die Schenkungen an Klöster (Cisterzienser-Kloster in Heiligenkreuz 1136, – Stift Klosterneuburg 1136, – Schotten-Abtei in Wien 1158–1168) beweisen; der Fürstentag im Jahre 1279 bestimmte auch bezüglich der ehemaligen Babenberger-Allodien, es habe der König oder in dessen Namen sein Stellvertreter alle jene Güter in Besitz zu nehmen, welche Her­zog Friedrich von Oesterreich und Steyer in seiner Macht und Gewalt hatte; Gegenansprüche sollen vor Gericht geltend gemacht werden.

Dadurch war der Wiener Wald in den Besitz der Landes­fürsten übergegangen, die darüber nach Gutdünken verfügten, z. B. die 1313 gestiftete Karthause Mauerbach (jetzt Versorgungshaus der Gemeinde Wien) mit reichen Schenkungen aus dem Wiener Walde bedachten.

Damals war die Hauptbenützung der Forste wohl jene als Jagdgebiet, welche von den Landesfürsten auch gewahrt wurde.

Im XV. Jahrhundert treten die Vorstädte Wiens mehr in den Vordergrund.

Die älteste Ansiedlung war jene, schon erwähnte, vor dem Stubenthor, jenseits des Wienflusses und finden wir schon damals drei Brücken: an der Ausmündung des Wienflusses in die Donau (nach Erdburg – jetzt Erdberg – und Nottendorf), in der Nähe der späteren Mondscheinbrücke, genannt Heubrücklein (gegen die Heugasse) und die Stubenthorbrücke (in der St. Niklas-Vorstadt), welche zwischen 1397–1404 aus Stein gebaut wurde und deren Pfeiler noch heute bestehen.

Die im Jahre 1400–1402 aus Stein erbaute Brücke vor dem Kärntnerthor (an Stelle der gegenwärtigen Elisabethbrücke) führte in eine Vorstadt (die heutige Wieden), welche sich damals bis zur Paulaner-Kirche erstreckte. Am jetzigen Obstmarkte bestand das heilige Geistkloster und nächst diesem im Wienflusse ein Paradeis (Lustgarten) im J. 1373.

Dieses Paradeis scheint zwischen dem eigentlichen Flusslaufe und dem damaligen Mühlbache gelegen zu sein, welcher bei den verhältnissmässig seichten Ufern einem Arme des Flusses glei­chen mochte.

Im XV. Jahrhundert werden die Permann’s - Mühle und die Kuttermühle in Gumpendorf ausdrücklich genannt.

Um dieselbe Zeit bestanden wahrscheinlich schon beinahe sämmtliche Mühlen inner und ausser den Linien, wenigstens fin­den wir schon 1488 und 1489 der „Müllner im purkchfrid hie (Wien) Ordnung“ und eine von Kaltenbaeck mitgetheilte Müller ­und Bäcker-Ordnung vom 3. März 1534, worin es Eingangs aus­drücklich heisst: „Die Müller an der Wien und Schwechat“; fer­ner die Hackinger-Mühle schon 1524 urkundlich erwähnt und befindet sich in derselben ein Stein mit der Jahreszahl 1472 (FN: Göhlert. Zur Geschichte von Hacking, Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1866. S. 50 – Die Mühle einstmals Deutschritter-Ordens- Kommende brannte 28. Februar 1807 ab, wurde jedoch wieder erbaut). – In den J. 1512–1529 ist der berühmte Marx Treitzsaurwein von Erntreitz, Geheimschreiber Kaisers Maximilian I. als Besitzer einer Mühle in Hietzing verzeichnet.

In der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts war der Wienfluss sogar strategisch wichtig, man schützte die stabilen Stuben- und Kärntnerthorbrücken durch Bollwerke, die aber schon zur Zeit der ersten Türkenbelagerung (1529) geräumt wurden und ihren Zweck nicht erfüllten.

Die Vorwerke der inneren Stadt Wien befanden sich schon 1526 in schlechtem Zustande und litten natürlich durch die Be­lagerung im Jahre 1529, so dass schon 1530 mit den Herstel­lungsarbeiten begonnen wurde, welche aber wegen Geldmangel langsam vorschritten und 1537 durch Regengüsse sehr litten; es zerriss die Stadtmauer bei dem Kärntnerthor, das Vorland, „gestat“, zwischen dem Salzthurm und Rothenthurm bis an die Zwingmauer wurde weggerissen, so dass man daselbst „wie vor­mals beschehen, weder Reuten noch faren mag.“ Der „Pach Alss so in die Rörprun gelait worden“ ist „gar zerissen vnd gross von nöten, dass new Rörn und Weer gemacht und die Prün in wesen“ erhalten werden.

Bei der Donaubrücke waren durch das Wegschwemmen von hoch liegenden Landtheilen um 48 Joche mehr nothwendig ge­worden, als zur Zeit der Belagerung durch die Türken vorhan­den gewesen).

1548 übergaben Graf Niklas v. Salm und Hermes Schallauzer, oberster Superintendent der Gebäude ihr Gutachten wegen der Bauten bei dem Kärntnerthore, aus dem wir entnehmen:

„Dieweill ein kleines wasser von St. Ulrich (Ottakringer­bach) yeczo zu der Stainen Prügken bei dem Kaernerthor rinnt, doch oft so stark anschwillt, bei zwei Klafter hoch, soll diess Was­ser in den Stadtgraben geleitet werden vnd weil der Graben eine grosse weitt, soll ein Grabl darein gemacht, zunächst des äussern Walles, damit er in die Thunaw geleitet werde.“

Aus dem Berichte des Schallauzer vom 9. Juni 1549 erse­hen wir, dass der Wasserzufluss der Wien in den Stadtgraben an 5 Klafter fertig sei.

Dieser „Wasserzufluss“ war der sogenannte Münzgraben, aus dem Wienfluss abgeleitet.

Nachdem auch die vorgeschlagene Einleitung des Ottakrin­ger Baches erfolgte, so wurde der Stadtgraben versumpft und diente bis in die Mitte des XVII. Jahrhunderts theilweise als Fischteich.

1582 erscheint die Schleifmühle urkundlich.

Im XVI. Jahrhunderte wurde auch die Holzgewinnung aus dem Wiener Walde wichtiger, 1567–1582 eine „Beraitung und Ausmarkung“ des Wiener Waldforstes vorgenommen und vermuthlich bald darauf eine Holzschwemme bei der sogenannten Heigelsfurther (früher Härtlesfuhrter) Mühle mit Zuhilfenahme des deutschen Waldbaches hergestellt, da Leopold I. Holzarbeiter herbeirief und in dem Walde ansiedelte.

Das Paradeis im Wienflusse erhielt Reichsgraf Konrad v. Starhemberg 1643 von Kaiser Ferdinand III. zu Lehen. Mit Freibrief vom 3. Juli 1647 wurde das ganze Gut sammt Gar­ten etc. und Fischwasser in das volle Eigenthum des Grafen über­lassen und hiess nunmehr Konradswerd. Vermuthlich bei Herstel­lung des Starhemberg’schen Freihauses wurde der Mühlbach in jene Trace umgelegt, die er bis zu seiner Verschüttung hatte.

1632 kauften die Dominikaner die Kuttermühle in Gumpendorf; die Petermans-Mühle war Eigenthum des Stiftes Dorothea und bildete einen Freihof, der sich bis zum Jahre 1848 erhielt.

1680 wurde eine Verfügung des Vicedom- und Wassergra­fenamtes getroffen, wonach die rechtmässige Haimhöhe des Gumpendorfer Wehres auf 13" festgesetzt und bestimmt wird, dass die damalige Höhe von 28" bei einem Umbau auf 13" gebracht werde.

Das landschaftliche Bild des Wienflusses, der nur seichte Ufer hatte, war damals von seinem Austritte aus dem Wiener Walde bis zur Mündung in den Donaukanal ein wesentlich anderes.

Aecker und Weingärten zogen sich zu beiden Seiten des Flusses hin.

Ein Theil der Landstrasse vom Augustiner-Kloster bis zum Rennweg und St. Marx, dann der grösste Theil der Wieden, ganz Matzleinsdorf, Margarethen, Hundsthurm, die Anhöhen in Maria­hilf, auch Neustift, Lerchenfeld und Breitenfeld waren dicht mit Weingärten besetzt; die auf der Landstrasse reichten bis zum Wienflusse herab.

Die grosse Zahl der Weingärten entnehmen wir auch aus dem unter-österreichischen Land-Compass von Stefan Sixsey, Zeugs-Commissair der n.-ö. Landrechte, Wien 1673, es sind darin angeführt unter den besten Weinorten; Breitensee; Mittere: Gumpendorf, Penzing, Baumgarten, St. Veit, Meid­ling, Hundsthurm, Nikolsdorf, St. Marx, „auf dem Gries und was nächst Wienn herumb“; Schlechtere; Hietldorf, Hacking, Laintz, Speising.

Der Wiener Wald war damals nahezu im jungfräulichen Zu­stande und das Wasser rein, so dass die Fischerei noch ein Re­gale für die Grundherren bildete.

Der Fluss schlängelte sich im breiten Bette oft in mehreren Armen hin (so sollen noch im XV. Jahrhunderte zwei Seitenarme desselben das vorerwähnte Paradeis eingeschlossen haben) und durch die Höhenlage der Sohle desselben wurden Teiche, damals „Weyher“ genannt, an den Ufern gebildet, als welche wir be­trachten möchten folgende urkundlich erwähnte, 1407 bei der Kuttermühle in Gumpendorf, 1452 Permann’s Weyher vor der Karlskirche, 1467, Königs-Weyher in der Schöff- strasse, 1475 Weyher hinter dem heiligen Geistspitale, am Obst­markte. Im XVII. Jahrhunderte wird noch eine Froschlacke zu­nächst der Schleifmühle erwähnt.

Andere „Weyher“ waren Quellen im Niederschlagsgebiete des Flusses; es werden urkundlich angegeben: 1307 ein Weyher beim Klagbaum, 1471 eine Lacke ausserhalb des Klagbaumes auf der Wie­den und in späterer Zeit (Mitte des XVI. Jahrhunderts) ein Fisch­teich im Garten des Paulaner-Klosters auf der Wieden. Jeden falls bestanden auch schon damals die später unter den Mühlwer­ken angeführten sechs Quellen. Der Teich in der Theresianischen Ritter-Akademie (ehemalige Favorita, Wieden) wird von der spä­ter erwähnten k. k. Siebenbrünner Wasserleitung gespeist.

In K. Weiss’ Geschichte der Stadt Wien II. 207 ist die Ge­gend des Wienflusses zwischen der Schikaneder- und Pressgasse mit dem erst in jüngster Zeit abgebrochenen Wenzelsberg’schen Landhause (Wiengasse Nr. Or. 27. Consc. Nr. 810 früher 559, 277) abgebildet; jetzt steht an dieser Stelle ein Kübeck’sches Palais.

Im XVIII. Jahrhunderte traten erhebliche Aenderungen im Gebiete des Wienflusses ein. Durch die Herstellung der Linien­wälle wurde bei Regengüssen ein Theil des Wassers, welches sonst den Vorstädten zueilte, bei der Schönbrunner-Linie in den Fluss geleitet, das atmosphärische Wasser aber durch vorschreitende Verbauungen, Pflasterungen und Kanalbauten rascher dem Flusse zugeführt, so dass die Ueberschwemmungen immer drohender werden mussten.

Durch das Aufblühen der Vorstädte vermehrte sich die Brunnenzahl, welche dem Flusse Wasser Wegnahmen, endlich führte man Wasser aus dem Niederschlagsgebiete mittelst Leitun­gen in die Stadt etc., so dass auch dadurch eine Verminderung des Wassers eintrat.

Solche Leitungen sind:

1.   Die schon im XVI. Jahrhunderte hergestellte k. k. Sie­benbrünner Hofwasserleitung, hat ihre Brunnstube auf der Siebenbrünnerwiese in Matzleinsdorf und ist der für diese gewidmete Grund (hinter dem Hause 51 Siebenbrünnergässe) beute noch durch vier Grenzsteine markirt, welche die Jahreszahl 1553 tra­gen. Sie ergab täglich 1800–2000 Eimer, hat aber in Folge der Bauten in der Nähe der Brunnstube und ihrer Saugkanäle naturgemäss abgenommen und werden schon heute viele von ihr früher ausschliesslich gespeiste Brunnen nunmehr auf andere Weise für ihren Bedarf gedeckt.

Eine im Jahre 1836 über Allerhöchste Entschliessung vom 28. Februar 1829 bewilligte Ableitung in der Stärke eines Zolles von dieser Wasserleitung ergab per Tag 2–400 Eimer.

2.   In der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts legte man eine Wasserleitung am Hungerbrunn an und erweiterte dieselbe 1835, da der Zufluss so gross wurde, „dass die verfangenen Quellen in unterirdischen Gängen in die Brunnenstube zusammen- gezogen wurden.“

Heute heisst diese Leitung Laurenzer-Leitung, sie hat ihre Saugkanäle, welche, bis ausser den Linienwall reichen, auf der Höhe der Laurenzergasse, am Fusse des Wiener-Berges; früher 1000–1400 Eimer täglich ergebend, hat auch diese Leitung be­deutend nachgelassen.

3.  Károly’sche Wasserleitung, im Beginne des XVIII. Jahr­hunderts errichtet. – Brunnenstube nächst der Károlygasse, er­trägt 800–1000 ja 1500 Eimer innerhalb 24 Stunden, es werden davon drei Brunnen gespeist.

4.   Stadler (Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergan­genheit und Gegenwart. Wien 1873. S. 35) theilt eine Dekretskopie vom 1. Juni 1706 mit, worin ausgesprochen wird, dass „der Besitzer und Grundherr am Hundsthurm zu Ihrer Majestät Diensten auf seinen Gründen unter­schiedliche Brunnenstuben zu graben und daraus die Wasser nach Schönbrunn, in die Favorita (Theresianum), in die kaiserliche Burg und in die Stadt zu führen erduldet.“ Diese Leitungen dürften sich auf die sogenannte Hofküchen- Wasserleitung nach Schönbrunn beschränkt haben und liegen die Rohre und Brunnenstuben zwischen Südbahn und dem Hundsthurmer Friedhofe.

5.   Die Albertinische Wasserleitung, sie wurde 1804 mit einem Kostenaufwande von 400.000 fl. vollendet. Die Urquelle auf der hohen Wand im Halterthale hinter Hütteldorf, vereinigt sich mit 3 anderen Quellen und nimmt, nach­dem das Wasser einen Seiger (Reinigungs-Kessel) passirt, aus der rechts im Halterthal befindlichen Ottakringer Waldung noch drei Quellen auf.

Die Wasser sammeln sich in circa 4000° langen Saugkanälen, welche mehrere gebohrte Brunnen in sich schlossen, ausser dem Quellwasser noch das Wasser der atmosphärischen Niederschläge als Seichwasser aufnehmen und diese Wässer in die 45' lange, 34' breite Brunnenstube nächst Hütteldorf sammeln, von wo die Leitung mit zwei neben einander liegenden Röhren den Wasserthurm auf der Penzinger Anhöhe passirt und dann nach Wien gelangt.

Während diese Leitung im J. 1861 noch 6000–7000 Eimer per Tag ergab, ist deren Leistungsfähigkeit jetzt auf 3000 Eimer herabgesunken.

6.   Belvedere-Wasserleitung, entspringt am Laaerberge, hat eine geringe Leistungsfähigkeit, ebenso die ihr parallel liegende, den fürstlich Schwarzenberg’schen Garten versorgende.

7.   Eszterházy-Schöpfwerk und Mariahilferleitung, besteht aus einem Schöpfbrunnen mit zwei Pumpen im Hause Nr. 9 Kaiserstrasse und stand früher mit der sogenannten Mariahilferleitung in Ver­bindung, deren Saugkanäle vom Linienwalle bis auf die Schmelz reichen. Die Wasserleitung hat ihre Dienste versagt, der Brunnen gab 1867 täglich 1600–2000 Eimer Wasser.

8.    Die Baron Dietrich’sche Wasserleitung, 1838 hergestellt mit Benützuug des der Kommune Wien gehörigen, ausser der Matzleinsdorferlinie, links vom Mauthgitter befindlichen Brunnens, ergab täglich 200—400 Eimer.

9.   Die im J. 1862 errichtete Stadtpark-Wasserleitung nächst der Stubenbrücke an der Lastenstrasse übt (trotz des Bedarfes von täglich 12000 Eimer im Sommer) auf den Wasserstand der Wien, soweit er hier in Betracht kommt, keinen grossen Einfluss, da eben oberhalb des Schöpfwerkes der Wr.-Neustädter Kanal in den Wienfluss einmündet.

Es werden sohin dem Wienflusse durch Wasserleitungen binnen 24 Stunden entzogen.

1.    Siebenbrunner Hofwässerleitung nebst Abzweigung 2000–2400 Eimer.
2.    Laurenzerleitung 1000–2000 Eimer.
3.    Károly-Leitung 800–1000 Eimer.
4.     Albertinische Wasserleitung 2000–3000 Eimer.
5.     Eszterházy-Wasserleitung 1600–2000 Eimer.
6.     Dietrich’sche Wasserleitung 200–400 Eimer.

Zusammen 7600–10800 Eimer = 13.619,20 — 19.353,60 Kubikfuss = 430,08–611,16 Kubikmeter, mit Nichtbeachtung der Leitungen für das Belvedere, Palais Schwarzenberg, dann die Schönbrunner-Wasserleitung und des nicht unbeträchtlichen Quantums, welches durch die Brunnen dem Niederschlagsgebiete des Flusses entnommen wird. (FN: Auch in Hacking ist eine Quelle, deren Wasser in das Hackinger Schloss geleitet ist! Im März 1866 erhält die Gemeinde Ober- St.-Veit mit Allerhöchster Entschliessung die Erlaubniss, mit Benützung des Wassers aus dem k. k. Thiergarten sich eine Röhrenleitung anzulegen.)

Der Wiener-Wald wurde 1724 an die Ministerial-Hofbanco- Deputation verpfändet und war zur Zeit Maria Theresia’s sowohl der Jagd als der Holzgewinnung gewidmet, da Kaiser Franz ein passionirter Jäger war.

Die Holzschwemme 1730 noch stark betrieben, brachte 1741 grosses Unheil über das Wienthal.

In der Nacht vom 5. zum 6. Juni rissen die Dämme der Klause ein und eine furchtbare Ueberschwemmung war die Folge; F. W. Weisskern sagt wohl in seiner Topografie v. J. 1768, II. Band S. 291, dass diese Ueberschwemmung Anlass gegeben habe, die Bergbäche, die sonst den Fluss unverhofft anschwellten, hinter Purkersdorf abzuleiten.

Wie aber oben erwähnt, war die Ueberschwemmung v. J. 1741 eine Folge des Reissens der Holzklause bei Purkersdorf und diese Ableitung von Bergbächen, die auch mit Rücksicht auf die Terrain-Verhältnisse sehr zweifelhaft ist, dürfte in das Gebiet der Sage zu verweisen sein. Auch in späteren amtlichen Verhandsungen über den Wienfluss findet sich keine Andeutung über eine solche Ableitung, wohl aber scheint dieses Ereigniss die Folge gehabt zu haben, dass die Schwemme im Jahre 1754 ebenso wie der Rechenzaunplatz, der noch heute „im Rechen“ heisst, aufge­lassen, als Wiese verpachtet und die dazu gehörigen Gebäude demolirt wurden.

1755 trat die Kaiserin die Forste an den Staat ab, jedoch wurden letztere bis 1859 von dem k. k. Oberstjägermeisteramte verwaltet, und insbesondere die Bedürfnisse des Hofes und der Stadt Wien an Brennholz, die Sicherung gegen Holzmangel oder allzuhohe Holzpreise berücksichtiget.

Ueber die gewichtigen Folgen der geänderten Verwaltung werden wir später sprechen.

Es dürfte hier am Platze sein, die damals bestandenen Mühlbäche und Mühlen, sowie andere Werke aufzuführen.

1.   Die kaiserliche Münze im Stadtgraben.

Durch Wienwasser betrieben, der Münzgraben zweigte bei der Elisabethbrücke ab und führte in einem gemauerten Kanale in den Stadtgraben, dann durch diesen in die Donau.

2.   Die Bärenmühle (früher Heiliggeistermühle) befand sich zuerst neben dem Gotteshause des Ordens vom heil. Geiste am Obstmarkte und war Eigenthum des Ordens, dieser besass auch eine Gült auf der Mühle des Otto Hackher an der Wien, welche die Hackher’schen Eheleute aber 1380 eingelöst hatten; die Mühle ging 1533 an das Bisthum Wien über, brannte 1684 ab und wurde 1705 an dem Wienflusse, auf der „Trückherstatt“ vis-a-vis dem und zum Hause Nr. 3 Or. Wienstrasse (Wieden 791) gehörig, ein Mühlwerk mit 3 Gängen – doch nur aus Holz – wieder hergestellt. (FN: Diese von jener Hofbauer’s a. a. O. S. 375 und 376 gegebenen, ab­weichende Darstellung gründet sich auf Pläne des Wienflusses, in welchen die Mühlen deutlich eingezeichnet sind. Das Mühlgebäude ist noch auf dem Nagel’schen Plane sichtbar. Im Hause Nr. 3 selbst war eine Kotzenwalke.)

Im Jahre 1741 wurde die Bärenmühle von den Fluthen des Wassers zertrümmert, 1759 litt sie beim Brande des Freihauses, am 19. Jänner 1766 brannte es in der Mühle selbst und am 8. Mai 1777 stand sie wieder unter Wasser. 1794 wurde die Mühl­gerechtsame vom Hause Nr. 3 zum „schwarzen Bären“ auf die von Anton Hof neuerbaute Mühle Nr. 1 Or. Wienstrasse (Wieden 790) übertragen.

An letzterer Stelle befand sich 1684 das „kaiserliche Brunn- und Waschhaus“,

3.   Schleifmühle. SchleifmühlgasseNr. 19 (Or. Wieden 786).

Am 21. Mai 1582 stellte Kaiser Rudolf II., dem Hanns Gebl einen Freiheitsbrief für den im „Mühlfeldt“ gelegenen „Mühl­schlag“ aus, nachdem Gebl dort noch eine Schleif- und Polier­mühle errichten wollte; am 8. Juni 1660 erfolgte die Erhebung der Freimühle zu einem adeligen Besitz mit dem Namen „Mühlfeldt“.

4.   Heumühle auch Steinmühle Nr. O. 5 Heumühlgasse (Wieden 745). Erscheint schon 1539 im Urbarium und Dienstbuch des Wiener Bürgerspitals.

Die Mühlverwaltung produzirte anlässlich der Verhandlungen über den Neubau des Wehres eine Verfügung des Vicedom- und Wassergrafenamtes vom Jahre 1763, welche die Haimhöhe der Mühle auf 15 Zoll festsetzte; – 1820 wurde, um über die Fata­litäten puncto Baues des Gumpendorfer Wehres hinwegzukommen, ein Versuch gemacht, die Heumühle einzulösen, diese Idee aber wegen der Kosten wieder fallen gelassen.

Diese drei Mühlen waren abhängig von dem Gumpendorfer Wehre; der Mühlbach durchzog die heutige Grün- und Sackgasse, durchfloss dann die Heumühle, Mühlgasse bis Pressgasse, dann die Höfe der Häuser Nr. O. 11, 9, 7, 5, 3, 1 Mühlgasse, 4 Schika­nedergasse, von da die Schleifmühle, hernach die Mühlbachgasse und nach Passirung der Bärenmühle ergoss er sich nächst der Schikanederbrücke in den Wienfluss.

Die ehemals in Mariahilf bestandenen Obere und Untere Wehrgasse (jezt Theile der Mollard- und Magdalenenstrasse) dann die noch heute gütige Bezeichnung „Wehrgasse“ im V. Bezirk Margarethen deuten auf das Gumpendorfer Wehr hin.

Das Hochwasser im Frühjahre 1805 beschädigte das Wehr, am 27. September desselben Jahres kam wieder hohes Wasser, welches einen beträchtlichen Theil des Wehres am rechten Ufer wegriss und die Mühlen ausser Betrieb setzte.

Am 18. September 1806 riss ein Hochwasser weitere vier Klafter des Wehres durch, so dass die Neuherstellung unabweislich war.

Die Müller behaupteten, sie hätten nur für die Erhaltung aber nicht für den Umbau des Wehres zu sorgen, und nebstdem ergaben sich Differenzen über die Haimhöhe des Wehres.

Im Jahre 1808 wurde durch Allerhöchste Entschliessung den Müllern die Kostenbestreitung auf- und der Bau dem k. k. Wasserbauamte übertragen,

In Folge der feindlichen Invasion begann der Bau erst 1811, gelangte im nächsten Jahre zur Vollendung und erforderte beson­ders wegen der gestiegenen Preise 96.000 fl. Bancozettel.

Aber schon 1813 ging dieses Wehr durch einen Eisstoss zu Grunde und die Kosten des neuen Wehres mussten nunmehr grösstentheils vom Aerar getragen werden. Die Vollendung des Wehres verzögerte sich durch Hochwässer, die Frage, ob Schleu­sen im Wehre angebracht werden sollen etc., bis in das Jahr 1823.

Die neuen Wehren wurden mehr senkrecht auf den Strom­strich gestellt und bedeutend gekürzt, gleichzeitig aber erhöht.

Bei der Regulirung des Wienflusses achtete man auf diesen Umstand nicht; das Wehr gab daher zu Ueberschwemmungen der nebenliegenden Vorstädte Anlass.

Am 11. Juni 1856 löste die Commune Wien die Wasserrechte der drei Müller um den Betrag von 102.750 fl ein, das Wehr wurde abgetragen und der Mühlbach verschüttet.

5.   Dorotheermühle, auch Hofmühle, früher Petermann’s-Mühle, war den niederösterreichischen Landständen unterthan, wie heute noch eine Tafel am Hause, Hofmühlgasse Nr. O. 7 (Gumpendorf 40) kennzeichnet. Ober der Mühle befand sich ein Ablassgraben von dem Mühlbache in den Wienfluss, die heutige Thurmburggasse.

6.   Kirchenmühle, Mollardgasse Nr. O. 44 (Gumpendorf Nr. 138).

7.   Dominikanermühle, früher Kuttermühle, Morizgasse Nr. O. 3. (Gumpendorf 150). Unter dieser Mühle bestand ein Ablass­gerinne, entsprechend der heutigen Morizgasse, zwischen Mollard- und Ufergasse.

8.   Gräflich Meraviglia, später „Mollardmühle“, Mollardgasse Nr. O. 56 (Gumpendorf 173).

Diese vier Mühlen zweigten ihren Mühlbach bei der Wehre in Meidling, oberhalb der heutigen „Eisernen Brücke“ ab; – die Wehr- und Mühlbachgasse in Sechshaus leiten ihren Namen vom Bestande dieser Wehren und des Mühlbaches ab.

Der Mühlbach führte zwischen den Häusern Nr. O. 48–60 Planken-, dann Nr. O. 1–13 Wehrgasse, in die Mühlbachgasse, dann dieser entlang in die Meraviglia-Mühle, durchfloss den Raum hinter den Häusern Nr. O. 84–80 Mollardgasse, brach bei Nr. 80 in die Mollardgasse aus, verliess diese wieder, um hinter den Häusern Nr. O. 70, 68, 66 und 64 in die Dominikaner­mühle zu gelangen, von wo er am Rande der Mollardgasse (theilweise ist gegenwärtig der Bachgrund schon in die Bauparzellen einbezogen) bis zur Marchettigasse, in ersterer Gasse verblieb, um von da über den Grund der heutigen Häuser Nr. O. 24, 22, dann hinter Nr. O. 20, 18 und 16 Mollardgasse, die Hofmühle zu erreichen, um dann den Grund der heutigen Häusergruppen, welche durch die Spörlingasse getrennt werden, benützend, zum Wienflusse zu gelangen und vor dem Gumpendorferwehre in den­selben zu münden.

Das Wehr in Meidling wurde bei einem Hochwasser im Jahre 1847, welches die Schönbrunnerstrasse und einen Theil des Theresienbad-Gartens überrann, weggerissen und nicht mehr hergestellt.

9.   Ausserdem bestand ein kleineres Wehr ober der Stieger­gasse in Sechshaus, mittelst welchem das Wasser in einem Ge­rinne durch die Auen direkte in die Lederfabrik in Sechshaus, welche einerseits die Fronten der Pfeifergasse bildet, geleitet wurde; von der Fabrik floss das Wasser durch Gärten und Auen wieder in den Fluss ab.

Dieses Wehr für die Lederfabrik wurde später aufgelassen und an der jetzigen Stelle unterhalb der eisernen Brücke in Meidling neu, sowie ein neuer Mühlgraben hergestellt, der ausser der oberwähnten Lederfabrik noch eine Mühle im Hause Nr. O. 2 Pfeifergasse (Sechshaus 132) bedient und durch letztere Realität seinen Abfluss in die Wien sucht.

10. Eine schon 1780 aufgelassene Mühle finden wir an jener Stelle verzeichnet, wo heute die Häuser Nr. O. 127 und 128 in Gaudenzdorf stehen; das dazu gehörige Wehr befand sich an der Stelle, wo gegenwärtig die sogenannte eiserne Brücke in Meidling errichtet ist.

11.   Die später erwähnten sechs Quellen befanden sich: eine im heutigen Hause Nr. O. 51 Mühlbachgasse (Sechshaus 99), eine im dermaligen Hause Nr. O. 49 Mühlbachgasse (Sechshaus 157), drei im heutigen Hause Nr. O. 7 Stiegengasse (Sechshaus 153), eine an der Stelle, wo heute die Gärtnergasse in Gaudenzdorf in die Schönbrunnerstrasse mündet.

12.   „Rothe Mühle“ in Ober-Meidling an Stelle der heu­tigen Cavallerie-Kaserne.

13.   Schöpfwerk in Schönbrunn.

14.   Fast- auch Feistmühle in Hietzing.

15.   Feldmühle in St. Veit.

Die Objekte 12–15 besassen ein eigenes Wehr an der Stelle, wo heute der Mühlbach den Wienfluss in einem hölzernen Ge­rinne übersetzt. Im Jahre 1808 war es schadhaft und wurde ein Neubau angeordnet.

Der Mühlbach hatte dieselbe Lage wie heute, besass vor der Penzing-Hietzinger Brücke einen Abfluss in die Wien, durch­setzte Schönbrunn, nahm durch die Gärten ober der Schönbrun­ner-Strasse seinen Lauf in die rothe Mühle und mündete ober dem 1847 kassirten Wehr.

16.   Holzmühle in Baumgarten.

17.   Hackingermühle.

18.   Glutmühle in Hütteldorf.

Diese drei Mühlen Nr. 16–18 bezogen ihr Wasser von dem Mariabrunner-Wehr durch den Mühlbach, wie er noch heute mit einigen durch den Bau der Elisabethbahn bedingten Aenderungen besteht.

Später wurde das nach Punkt 15 erwähnte Wehr kassirt, ein hölzernes Gerinne über den Fluss aufgestellt und nachdem das Schöpfwerk in Schönbrunn und die rothe Mühle aufgelassen wurden, der frühere Ablass bei der Penzing-Hietzinger-Brücke benützt, um durch ihn den Mühlbach in den Wienfluss ab­zuleiten.

Eine Entlastung für den Mühlbach, welche besonders wegen des in ihn einmündenden Lainzerbaches nothwendig ist, wurde durch die Anlage eines Ablaufgrabens in der Badgasse in Hietzing erzielt.

Dieser Mühlbach bildet besonders in Hietzing, wo er durch die Gärten der Villen fliesst, eine arge Kalamität; wiederholte Versuche, denselben zu beseitigen oder einzuwölben, scheiter­ten bisher.

Am Wienflusse fanden sich ausserdem noch die Prager­mühle in Purkersdorf mit einem eigenen Wehr und Zuleitungs­gerinne, dann aufgelassene Klausen in der grossen und dürren Wien. Die aufgelassene Holzklause in Purkersdorf wurde schon vorne erwähnt.

Erst im jetzigen Jahrhundert ist nächst dem Neuwirthshaus oberhalb Purkersdorf ein Wehr hergestellt worden, um die Neu­mühle zu betreiben, dieses Wehr ist aber heute eine Ruine und die Mühle ausser Betrieb.

Mehrere Objekte beziehen gegenwärtig durch kleine Zuleitungskanäle ihr Wasser aus dem Wienflusse und zwar die frei­herrlich Laudon’sche Badeanstalt in Weidlingau, das Hütteldorferbad, das Hackingerbad, die Fabrik des Herrn Spitzer in St. Veit und die Bade- und Schwimmanstalt in der Penzinger Au.

Ausserdem fanden sich Mühlen vor: zwei am Mauerbach, eine an der Gablitz, die schon erwähnte am deutschen Waldbach, eine am grossen Steinbach, eine am Saubach.

Im Jahre 1781 schon aufgelassen war die Pulverstampfe, die vom Pulverstampfwasser oder Rothwasser im Auhof in Betrieb gesetzt wurde.

Nach dieser Einschaltung gehen wir an der Hand von amt­lichen Daten auf die Bestrebungen zur Regulirung über.

Im Jahre 1781 überreichte Wilhelm Bayer, Architekt und Statuarius, der mancherlei Projekte zur Verschönerung Wiens aus­arbeitete (Erweiterung des Stefansplatzes, Anpflanzung der Basteien und Esplanaden mit Bäumen, Verlegung der Fleischbänke unter die Basteien, etc.) einen Antrag für die Verschönerung des Wien­flusses.

Das Wohnen am Wienflusse wurde vom „Magistrats Sanitatis“ Bock als schädlich erklärt und den Ausdünstungen des Wassers an den häufig auftretenden Fäulungsfiebern und epide­mischen Krankheiten nicht geringer Antheil zugeschrieben. Eine Verbesserung sei, ein genügendes konstantes Wasserquantum im Flusse zu erhalten, wozu die in „hiesiger Gegend befindlichen vielen und häufigen Quellen“ das Mittel wären. Es wird auf die vier Fischteiche im Kloster Mauerbach hingewiesen, welche hinreichen würden, den Fluss mit Wasser zu versehen und den 13 bestehen­den Mahlmühlen, die ein Drittel des Jahres nicht mahlen können genügendes Wasser zu verschaffen, ausserdem könnte der Halter­bach verwendet werden, Mühlen und Eisenhämmer in Betrieb zu setzen.

Um das Versickern des Wassers im Flussbette zu verhindern, sollen die öden Gründe, welche in Folge des Umhauens der Auen entstanden, wieder angepflanzt, der „Sandwucher“ geregelt, die Schwellung des Flusses, (welche, übrigens schon vor vielen Jahren von der Regierung verboten wurde) durch die Fischer vermieden auch weiter flussaufwärts noch Reservoirs angelegt und alle Quel­len und Gewässer zusammengezogen werden.

Die Benützung der Niederungen der Wienufer zur Ablage­rung von Kehricht und der Senkgrubeninhalte sollte aufhören.

Die Kosten werden mit 50.000 fl., die Erhaltung und Ent­lohnungen per Jahr auf 1200 fl. veranschlagt, ohne Rücksicht auf Entschädigungen für Fischwässer (FN: Das Fischwasserrecht erstreckte sich damals nur noch bis zu den Linien Wiens), Viehweiden etc.

Die Müller befragt, befürchteten eine ähnliche Katastrophe wie im Jahre 1741, bestritten, dass genügend Wasser erhalten werde, erklärten sich jedoch, da ihnen für etwaige durch die An­lagen hervorgerufenen Ueberschwemmungsschäden eine Vergütung „ab ärario“ zugesprochen wird, zu einer Abgabe per Tag und Gang bereit. Der Kaiser ordnet nähere Erhebungen an (Resolu­tion 28. April 1782).

Die oberwähnten 4 Teiche enthielten 5.168.232 Kubikfuss = 163.206 Kubikmeter Wasser und wurde nach dem Zuflusse zu einem Teiche in der Zeit vom 12. bis 18. Juni 1782 ermittelt, dass sich die durch das Zapfenloch in 24 Stunden ausgelassene Wassermenge von 838.944 Kubikfuss = 26.493 Kubikmeter in 20 Tagen erneuern würde, wenn der Zufluss immer constant bliebe, der Teich wasserdicht ist, und keine Verdunstung eintritt. Per 24 Stunden berechnet sich somit ein Zufluss von 41.947 Ku­bikfuss oder 1325 Kubikmeter.

Das Wasser gelangte vom oberen Feldteiche in vier Stunden 23 Minuten nach Mariabrunn; als Ursache dieses verhältnissmässig langsamen Fliessens wird angegeben: das kleine Gefälle des Mauer­baches, seine Gruben und das dürre Erdreich.

Als weitere geeignete Punkte zur Herstellung von Teichen werden erwähnt, der Auhof mit vier Teichen und zwar: 2 in der sogenannten Grünau, 1 auf der Bischofswiese beim Rothteich, und 1 bei der vormaligen Pulverstampfe, dann ein Platz ober „Burkersdorff“ bei Gablitz.

Dieses Projekt fand im Oberst Brequin einen Gegner, und er beantragte, die Anlage eines Reservoirs ausser der Schönbrunner-Linie, mit Wehre und Schleussen, fünf Aufzugthoren, Kosten 30.000 fl.

Das Bassin sollte insbesondere das Wasser aus 6 Quellen (siehe weiter oben), welche zwischen dem Meidlinger-Wehre und der Hundsthurmer-Linie vorhanden waren und (nach 30 Tagen andauernder Trocken­heit) in einer Stunde 128 Kubikklafter, daher in 24 Stunden 94.392 Kubikfuss = 2522 Kubikmeter Wasser abgeben, aufneh­men, und durch gleichzeitiges Oeffnen der Schleussen der Unrath im Wienbette weggeschwemmt werden.

Ausserdem beantragt Brequin Thalsperren.

Gegen die Anlage eines solchen Reservoirs wurde geltend gemacht, (auch „die von Wien“ gaben ein ähnliches Gutachten ab (FN: In diesem dto. 6. September 1782 heisst es: „dass der Wienfluss und Alserbach durch die in den umliegenden Gebirgen niedergehende heftige Platzregen und besonders bei sich einstellenden Wolkenbrüchen plötz­lich so anzuwachsen pflegen, dass wie die Erfahrung gelehrt, in einem Zeit­lauf yon ungefähr 18 Jahren jene Häuser schon 5 bis 6 Mal meistens unter Wasser gesetzt worden sind, welche an diese Flüsse anliegen und darunter finden die Gründe Hundsthurm, die Neuwieden, Gumpendorf, der Magdalenengrund, die neue Wienn, wie auch die am Alserbach beiderseits angebaut viele Häuser so betroffen, dass sie schon öfters sehr empfindlich Schaden er­litten haben und noch beträchtigeren zu erwarten haben mögen, wenn das jetzig ziemlich breite Bett des Wienflusses durch die Vorsetzung eines neuen Wehr mehr eingeschränkt werden würde.)) dass dadurch bei Regengüssen eine Ueberschwemmung der Vorstädte herbeigeführt würde, und auf das im Jahre 1741 er­folgte Reissen der Dämme in Purkersdorf (ein Fall, der sich bei Teichen wiederholen könne), auf die Ueberschwemmungen durch den Alsbach und den damals noch offen fliessenden Ottakringer­bach erinnert. (FN: Als Curiosa mag hier angeführt werden, dass man 1782 behauptete, dass der üble Geruch der Wien zwar unangenehm, aber nicht gesund­heitswidrig sei, in Spanien und anderen heissen Ländern diene ein solcher Geruch dazu, die Luft vor Faulung zu schützen, ferner wurde der Vorschlag gemacht, in den 146 Häusern, von welchen Hauskanäle, eigentlich Rinnsale in den Wienfluss münden, zu gleicher Zeit eine halbe Stunde die Brunnen zu schöpfen und so dem Flusse Wasser zuzuführen. Hiezu machte Jemand die Bemerkung, dass ihm dies gerade so vorkäme, als wenn man eine Feuers­brunst mit Trinkgläsern voll Wasser löschen wolle.)

Das Hauptaugenmerk aller Vorschläge ging dahin, das Wasser „zu vermehren“, damit dasselbe den Unrath abführen könne.

Ausser den obigen spärlichen Daten über den Wasserzufluss finden sich leider keine Angaben, aber wiederholt wird erwähnt, dass man auf die Teiche nicht sicher rechnen könne, da man nicht weiss, ob das Wasser immer im gleichen Masse zufliesse.

Das Resultat der vielen Aeusserungen war, dass mit Hof­kanzlei-Dekret vom 20. März 1783 Z. 819 angeordnet wurde, bei dem der Stadt Wien gehörigen Steinbruche in Purkersdorf solle eine Mauer in Mörtel hergestellt werden, um das Fallen von Steinen in den Wienfluss zu verhindern (FN: Diese Steine wurden nämlich als Hauptursache des Schotters an­gesehen, welchen der Wienfluss mit sich führt) und die Ausgüsse der oben erwähnten 146 Häuser sind zu pflastern.

Ueber Beschwerde des Bayer (FN: Dieser hatte sein Projekt während der Verhandlungen dahin er­gänzt, dass er 11 Teiche. 4 bestehende und 2 eingegangene Teiche in Mauer­bach, 3 eingegangene Klausen in der Dürr- und Grosswien, ein herzustellen­des Reservoir zwischen Hietzing und Feldmühle, 1 ddto zwischen Meidling und Schönbrunner-Linie, dann 1 im Schönbrunnergarten in der Fasanerie mit einem Fassungsraume von 2.202.814 Cubikklafter in Verwendung brin­gen wollte) sprach die Hofkanzlei im Mai 1785 dem Gekränkten „die Anerkennung“ aus; nachdem je­doch der Nutzen der Anlage von Teichen nur den Müllern zu­gute käme, möge sich der Projectant mit diesen wegen der Ko­sten der Durchführung in Verbindung setzen; aber die Regierung erhält gleichzeitig den Auftrag, den Fluss nach und nach auf eine Minimalbreite zu bringen, seinen Lauf durch kleine Sporn­zäune oder Sandaufkirrungen zu regeln und die Ufer durch Pflanzungen zu befestigen; die Regierung solle das „von denen“, die es trifft, nach und nach zu bewirken trachten.

1792 machten die Klosterneuburger den Versuch, auf ihren Gründen in Hietzing, St. Veit, Breitensee und da herum, Villen zu bauen und diese an wohlhabende Stadtleute während des Som­mers zu vermiethen. Sie erhielten die Erlaubniss dazu, besonders, weil dadurch diese Gegenden moralisch gehoben würden, während man jetzt (1792) eingestehen müsse, dass es keiner Po­lizei rnöglich sein könnte, in alle diese Spelunken einzudringen, wo die schrecklichsten Dinge vorgehen sollten. Allein es fehlte an Miethern und so wurde der Versuch wieder aufgegeben.

1805 begannen die Verhandlungen wegen der Regulirung, die bis 1813 währten, ohne Resultate zu bringen. Energische Ein­gaben der beiden Stadtphysiker brachten die Angelegenheit wieder in Fluss, neue Erhebungen wurden gepflogen und als Mängel constatirt:

Der ausgedehnte und zerstreute Lauf des Flusses, die über­hand genommene Versandung und Verschlemmung des Bettes, die nicht gehörig hohen Ufer, die vielen Mühlwerke, welche durch Ableitungen den Unrath aufhalten, die Einmündung von Unraths­kanälen, die ungescheute Entleerung alles Schuttes und Unra­thes in das Bett, das Graben von Sand und Thon, endlich die un­günstige Ausmündung des Flusses.

Beschlossen wurde inner den Linien: die ordentliche Leitung des Flusses nach einer bestimmten Weite und Tiefe des Bettes, die Ausfüllung der Ufer mit Schotter und Unrath(!), Faschinenverkleidung, Anpflanzung von Akazien und Herstellung von Stakettengittern, dann die Aufstellung von Wächtern.

Zur Fortbringung des Unraths werden Schleussen in den Wehren der Kärntner- und Stubenbrücke beantragt.

Die Regulirung der Ufer wird mit Allerhöchster Entschliessung vom 12. August 1814 genehmigt und da „die Verschönerung und Erhaltung der öffentlichen Gesundheitszustände der Ortsobrigkeit obliegen“, so werden die Kosten (veranschlagt mit 72.850 fl. 15 kr.) dem Magistrate aufgebürdet; mit Rücksicht auf die städtischen Finanzen aber, die Einkünfte des „Holzgroschens" (FN: Der Holzgroschen war ein seit 1797 bestehender Aufschlag von jeder, auf eine Wiener Holzlegestätte gebrachten Klafter Holz) dem Magistrate überwiesen,

Die Regulirung begann in der Strecke Kärntnerbrücke bis Donaukanal, die hergestellten Durchlässe in den Brückenwehren wirkten nach einem Berichte vom Jahre 1816 sehr gut; das Hochwasser schwemmte einen grossen Theil des „seit Jahrhunder­ten“ angesammelten Unrathes fort.

Die Einleitung von Unrath in den Wienfluss hörte übrigens nicht auf, da die Unrathskanäle der Häuser auf Kosten der Eigentümer bis zur Regulirungslinie verlängert werden mussten.

Als Wächter für die Anpflanzungen und die hergestellte Heckeneinzäunung statt der beantragten Staketten wurden Inva­liden bestellt.

Im Sommer 1817 war die ganze Regulirung von der Schönbrunner-Linie bis zur Stubenthorbrücke mit einem Aufwande von 247.914 fl. 27 1/2 kr. beendet (bis auf die Umänderung der Ausmündung).

In die Zeit der Regulirung fällt eine wiederholte Herstel­lung des Gumpendorfer-Wehres, die wir weiter oben berührt haben.

Ueber die Aenderung der Ausmündung des Wienflusses in den Donaukanal fanden langwierige Verhandlungen statt und war besonders unter den Civil-Technikern keine Einigung zu erzielen, wesshalb dann F. M. L. Maillard und der Oberst im Geniecorps Brasseur beigezogen und auch die Vorschläge der Letzteren vom Kaiser am 9. Juli 1817 genehmigt wurden.

Die Kosten hatte die Gemeinde Wien zu tragen, mit Aus­nahme jener, die unmittelbar bei der Vereinigung mit dem Do­naukanal aufliefen und vom Staatsschatze bestritten wurden.

Im Jahre 1820 begann eine Art Regulirung ausser den Li­nien Wiens durch Anpflanzung der Schotterbänke an beiden Ufern und ihrer „Anhögerung“, wodurch man wenigstens be­wirkte, dass der Fluss mehr zusammegehalten wurde und einer­seits das Bett sich vertiefte, andererseits bei Hochwasser die Ufer sich erhöhten.

Besonders wurde die Strecke Linienwall-Weidlingauerbrücke ins Auge gefasst und es sollten dem Flusse, der 100, ja an eini­gen Stellen 150° Breite hatte, eine Breite von 15° oktroirt wer­den; auch die Erbauung von Fahrbrücken bei Penzing und Hacking erkannte man als wünschenswerth.

Die Kosten für die Regulirung waren mit 50.000 fl. W. W. beziffert und sollten auf 5 Jahre vertheilt – das erste Baujahr durch die von den niederösterreichischen Ständen beigesteuerten 15.000 fl. gedeckt werden, aber in diesem Baujahre wurden 21.935 fl. 11 1/4 kr. verwendet und die Kosten des zweiten Baujahres mit 12.404 fl. 13 kr. P. G. veranschlagt.

Die Gemeinden und Eigenthümer fanden die Kosten un­erschwinglich, es entstanden Differenzen über die Art der Bei­tragsleistungen und unterblieb jede weitere Arbeit über Hofkanzlei-Dekret vom 15. März 1822.

Jedoch waren zur Zeit der Entscheidung schon Arbeiten im Betrage von 40.000 fl. hergestellt.

Das Wehr unter der Stubenbrücke war in Folge der vorne erwähnten Regulirungsarbeiten des Wienflusses mit Schleussen und Schützen versehen (1814); nachdem das Ziehen der Schützen in Folge der Herstellung der Fusswege nicht mehr möglich war, so wurden erstere 1828 ganz aufgelassen.

Im Jahre 1825 wurde damit begonnen, die Ufer stückweise mit gepflasterten Böschungen zu versehen, obwohl der Hofbaurath sehr dagegen war und auf die Unmöglichkeit hinwies, die Holztheile immer unter Wasser zu halten, daher ihr Bestand ein geringer sei.

In den Jahren 1830–31 wurde der sogenannte Cholera-Kanal, sowie eine neue Ausmündung in den Donaukanal her­gestellt.

1848 wird zur Beschäftigung der brodlosen Arbeiter die schon im Jahre 1847 angeordnete theilweise Regulirung der Strassen und des Wienflusses vor dem Hauptzollamtsgebäude vor­genommen, wozu die Gemeinde Ein Drittel beizutragen verpflich­tet wurde.

Der Wunsch des Gemeimlerathes (17. November 1848 Z. 1010) dass die das Fahrwasser beschränkenden Versandungen, bei der Ausmündung des Wienflusses und bei der Franzensbrücke mit Rücksicht auf den niedern Wasserstand, durch beschäftigungslose Arbeiter hinweggeräumt werden mögen, wird von der Regierung nicht acceptirt, da keine Mittel hiefür flüssig sind und die Bag­gerung ohnehin systematisch betrieben wird. Dagegen wird durch beschäftigungslose Arbeiter ein Theil des neuen (heutigen) Wienbettes bei der jetzigen Schwarzenbergbrücke gegraben.

Die Ufer wurden nach und nach durchaus mit gepflasterten Böschungen versehen, das Wehr in Gumpendorf 1856 kassirt, theil­weise im V. Bezirk Quaimauern hergestellt und bei dem Schlacht­hause in Gumpendorf eine Correction dahin vofgenommen, dass das Bett mehr an das linke Ufer verlegt wurde.

Die im Jahre 1848 ausgehobenen Gräben verblieben ungeändert bis zum Jahre 1865, in welchem nach Vollendung der Schwarzenbergbrücke dem Wienflusse zwischen der Elisabeth- und Tegetthofbrücke ein neues Bett gegeben wurde, die bezüglichen Arbeiten endeten am 9. September 1867.

In diesem Jahre (11. Februar) wurden vom Stadterweiterungsfonde die an dem Wienufer gelegenen Plätze (innerhalb der Einfriedungen) an die Gemeinde Wien ins Eigenthum übergeben.

Finden wir sohin inner den Linien Wiens einen geregelten Zustand, so war es ausserhalb nicht so gut bestellt. Nachdem die beabsichtigten Regulirungen nicht durchgeführt, aber die Kosten für das Hergestellte theilweise den Anrainern aufgebürdet wurden, suchten sich die Dominien eines solchen Besitzes grösstentheils zu entschlagen und verschenkten sogar den Ufergrund, oder verkauften ihn billig mit der Verpflichtung, dass der Flussanrainer auch den Uferschutz herstellen und erhalten müsse.

Einige Besitzer schützten ihren Grund mit Weidenpflanzun­gen, Böschungen oder Quaimauern, wobei es auf die Grenze eben nicht immer genau ankam, auf eine Gesammt-Regulirung aber gar nicht gedacht wurde, andere thaten nichts. Die Folge war eine beständige Verrückung des Bettes, ein Hin- und Herwerfen des Stromstriches.

Nach den Zerstörungen des Hochwassers im Jahre 1851 wurde für die Regulirung des Wienflusses von Wien bis Maria­brunn ein Plan angefertigt, aber in Folge der in Aussicht stehen­den Erbauung der Elisabethbahn die Angelegenheit sistirt.

1857 war die Verwaltung der Elisabethbahn zu einer Re­gulirung des Wienflusses von der Penzing Hietzinger Kettenbrücke bis zur Grenze Hacking bereit, verlangte jedoch einen Beitrag von den Gemeinden.

Zu einem solchen waren die letzteren nicht zu bewegen und von Seite der Bahnverwaltung wurden nur dort, wo Umlegungen aus Anlass des Bahnbaues stattfanden oder wo es zur Sicherung der Bahn nothwendig war, Uferbauten vorgenommen.

In Hacking rang die Gemeinde dem Flusse durch Vornahme von Weidenpflanzungen erhebliche Grundflächen ab.

Nach dem Hochwasser vom Jahre 1861 wurde eine Ver­sicherung der Ufer zwischen der Schönbrunner- und Penzing-Hietzinger Kettenbrücke durch das Hofaerar veranlasst.

1863 erfolgten die Weidenanpflanzungen in Pressbaum.

In dem Jahre 1868 wendeten der damalige k. k. Bezirks-Kommissär Oskar Welzl von Wellenheim in Hietzing, später in Sechshaus und der Ingenieur Heinrich Grave ihre Aufmerksam­keit dem Wienflusse zu und brachten es – da bei dem Mangel an jedwedem Fond nichts anderes möglich war, – wenigstens dahin, dass bei Strassenregulirungen, Parzellirungen und Bauten auf entsprechendes Niveau und auf die Anlage von Uferstrassen Rücksicht genommen wurde (FN: Neue freie Presse vom 3. Juni 1869).

Der n. ö. Landesausschuss hat diese Bestrebungen mit Wohlwollen verfolgt, war durch seine Organe bei den Kommis­sionen vertreten und hat sich auch im Prinzipe für eine Bethei­ligung an einer wirklich zu Stande kommenden Regulirung ausgesprochen.

Obwohl die anlässlich der im Jahre 1866 zu Wien abgehal­tenen 26. Versammlung deutscher Land und Forstwirthe ausge­gebene offizielle Broschüre „Ueberblick der k. k. Staatsforste Im Wiener-Walde“ ausdrücklich den Wienerwald als herrlichsten Schmuck der nächsten Umgebung Wiens, als das wirksamste Mittel für die Erhaltung der Fruchtbarkeit und Salubrität der Gegend im Kampfe mit entgegen wirkenden klimatischen Potenzen pries, für deren Abschwächung die beste Bürgschaft nur in der Erhal­tung und pfleglichen Behandlung der diesen Zweck im vorzüglichen Grade erfüllenden Staatsforste des Wiener-Waldes geboten ist, wurde von der Finanzverwaltung später ein ganz anderes System eingeschlagen.

Die Verwüstungen, welche zur Zeit der französischen Inva­sion im Wienerwalde erfolgten, waren bis zum Jahre 1850 wieder durch Nachwuchs ersetzt, und Anfangs von der neuen Verwaltung auch die frühere Schonung eingehalten, wie die vorstehende Er­klärung zeigt.

In demselben Jahre ergab sich ein geringerer Bedarf an Holz, und diess führte zu Verträgen mit Privatunternehmern, zur starken Inanspruchnahme des Waldes (im Jahre 1870 um 80.000 Klafter (!) über das regelmässige Quantum), was nach Angaben von Fachmännern in 5 Jahren einen Kahlbetrieb von 1/4 der Ge- sammffläche des Wiener Waldes bedingt.

Mit Gesetz vom 12. April 1870 wurde ferner der Verkauf von 5409 Jochen isolirt gelegenen Theilen des Wiener Waldes gestattet.

J. Schöffel machte in energischer Weise auf die von der Finanzverwaltung im Jahre 1866 selbst zugegebenen Gefahren auf­merksam, der Gemeinderath von Wien zog diese Frage in Erwä­gung und andere Korporationen traten gegen die beabsichtigte Wald-Feldbau Wirthschaft auf.

Die Commune Wien berief eine Expertise, welche sich für die Vorgefundenen Zustände nicht begeistern konnte, und nur über die Frage war eine Meinungsverschiedenheit, ob die Devastation schon stattgefunden oder blos begonnen habe.

Es wurden die nöthigen Eingaben gemacht, eine eigene Com­mission zusammengestellt, welche diese Angelegenheit im Auge zu behalten und die Frage zu studiren hat, ob, wenn es zu einer Veräusserung von Forsttheilen kommen sollte, die Gemeinde Wien den Ankauf anstreben sollte?

Die Entholzung scheint abgewendet und es ist eine heilige Aufgabe unserer Korporationen zu wachen, dass der Wiener-Wald auch ferner erhalten bleibe.

Die heutigen Verhältnisse des Wienflusses schildern wir im Abschnitte VI.

Bedeutendere Hochwässer und sehr niedere Was­serstände

1295 war ein so hohes Wasser, dass das ganze Bürger­spital (FN: Befand sich am linken Ufer nächst der Kärntnerthorbrücke) unter Wasser gestanden und die Kranken kaum gerettet werden konnten.

1405 „um Gottleichnams-Octav“ war in Folge der starken Regengüsse das Marchfeld überronnen und wurde wieder das oben­genannte Spital und die Wieden theilweise überschwemmt.

1670 regnete es durch zwei Tage und eine Nacht und wurden am 4. Juli in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr die an dem Wienflusse liegenden Vorstädte und Ortschaften über­schwemmt, Leute ertränkt, Häuser eingerissen und grosser Schaden angerichtet.

1741, 5. Juni ging ein Wolkenbruch über Wien und Um­gebung nieder, die Wildbäche schwollen an, am Ottakringer- und Alserbache mussten die Leute auf die Dachböden der Häuser flüchten,

Der Wienfluss richtete in Folge des Reissens der Klause in Purkersdorf einen erheblichen Schaden an, der Schönbrunnergarten wurde verwüstet, die Bärenmühle zertrümmert u. s. w.

1777, 8. Mai fand eine neuerliche Ueberschwemmung statt.

1783 war vom 18. bis 30. Jänner hohes Wasser, ebenso am 4. Februar.

1785, 9. August trat in Folge eines 1 1/2 Stunden anwähren­den Wolkenbruches eine grosse Ueberschwemmung ein, während welcher auch zwei Teiche in Mauerbach (3 Joch Fläche) rissen und ihr Wasser in den Wienfluss ergossen; zwei in der Paulanergasse angebundenen Pferde ersoffen und das Gumpendorfer Wehr wurde beiderseits umgangen.

Im Jahre 1820 wurde konstatirt, dass die Teichbrüche von keinem wesentlichen Einflusse auf die Grösse der Ueberschwem­mung waren.

1802 vertrocknete der Wienfluss so vollständig, dass die Müller durch 8 Monate nicht mahlen konnten und auch die vier vorhergehenden Jahre war im Sommer ein geringer Wasserstand.

1805, Frühjahr und 27. September waren Hochwässer, die das Gumpendorferwehr untauglich machten.

1813 finden wir einen heftigen Eisgang verzeichnet, welcher das neuerbaute Gumpendorfer Wehr wegriss.

1815 am 29. Juli kam eine Anschwellung des Wienflusses vor, die sich in Folge der durchgeführten Regulirung als nicht besonders schadenbringend zeigte, aber doch die bischöflichen Gärten am rechten Ufer der heutigen Rudolfsbrücke überrann.

1816, 20. Oktober stellte sich in Folge von Regengüssen ein Hochwasser ein, welches in Hietzing und Hacking die Stras­sen überschwemmte.

Beim Zustande des Flusses vor der Regulirung war bei einem Wasser von gleicher Höhe nothwendig, in Margarethen Fahrzeuge zur Erhaltung der Kommunikation beizustellen und den Bewohnern Hilfe zu bringen; in Folge der durch geführten Reguli­rung, Erhöhung der Strassen und Herstellung der Grundablässe an den Brücken fand kaum ein Steigen um 3' statt; über die Wehren bei der Kärntnerthorbrücke floss das Wasser 15", bei der Stubenbrücke 20" hoch.

Die Anschauungen über die Vortrefllichkeit der Regulirung erlitten eine bedeutende Abschwächung durch das Hochwasser im Jahre 1819 am 21. August Nachmittags, welches ober- und un­terhalb des Gumpendorfer Wehres austrat.

Am linken Ufer ergoss sich das Wasser in den Hofraum von Nr. O. 67 Magdalenenstrasse (Gumpendorf 15) in einer Höhe von 1 1/2' an den höchsten Stellen.

An die Häuser Nr. O. 4, 6, 8 Mollardgasse (Gumpendorf 17 und 18) schlug das Wasser in der Höhe von 1 1/4 bis 1 1/2 Schuh an und verbreitete in den tieferen Gemächern der Erdge­schosse Angst und Schrecken.

Die Einwohner versicherten, dass diess selbst im Jahre 1785 nicht geschehen sei, wo das Wasser kaum die Mauern bespülte.

In die Dorothea-Mühle war das Wasser zwar nicht von aussen, aber in Folge des Rückstaues durch den Mühlkanal ein­gedrungen und stand im Hofe bei 6 Zoll, in der Mühlstube 1 1/4 Schuh hoch, ein Fall, dessen sich die ältesten Leute nicht erin­nern konnten.

Am Magdalenengrunde wurden die Häuser von Aussen auf 1 1/2 – 2 Schuh vom Wasser bespült, welches in die tieferen Ge­mächer des Erdgeschosses eindrang und in manchen die Höhe der Zimmerthür erreichte.

Am rechten Ufer wurde ober dem Wehre das Haus Nr. 29 Grüngasse (Margarethen 134) um 1 1/2, das Haus Nr. O. 75 Wienstrasse (Margarethen 135, im Hofe drang das Wasser durch den Ablaufkanal ein), um etwa 1 Schuh überronnen.

Unmittelbar unterhalb des Wehres war das rechte Ufer zwei Schuh hoch überschwemmt.

Die Wienstrasse war ferner ebenfalls von der Pressgasse an­gefangen bis zu dem Hause Nr. 12, Wienstrasse (Wieden 877) überronnen und ergoss sich das Wasser in die erzbischöflichen Gärten. (Der untere Theil der Kettenbrückengasse mit den anlie­genden Gründen.)

Aus dem Geschilderten ergibt sich, dass die Ueberschwem­mung unter dem Wehre die früheren Hochwässer nicht erreichte, jedoch ober dem Wehre bedeutender war, woran die Erhöhung des Wehres die Schuld trug.

Nach einer damals durchgeführten Berechnung flössen bei dieser Ueberschwemmung (welche unter allen Hochwässern vom Jahre 1785 an bis 1819, als die kleinste erhoben wurde, wäh­rend die im Jahre 1785 die grösste war) per Sekunde 10.920 Cub. Fuss Wasser über das Gumpendorfer Wehr.

1821, 5. September trat wieder ein Hochwasser ein, wel­ches bis Mittags stieg und die Gegend von Margarethen und den Magdalenengrund bis zum Theater an der Wien überschwemmte, jedooh lief das Wasser in zwei Stunden wieder ab.

1828, 26. Juli stellte sich ein hohes Wasser ein, über wel­ches keine näheren Daten vorliegen.

Die Hochwässer aus den Jahren 1839 und 1840 erwähnen wir desshalb, weil sie insbesondere die an der Kärntnerthor­brücke ohnehin schon vorhandenen Schäden vermehrten und die Frage des Neubaues der Brücke in Fluss brachten.

1847. Dieses Jahr brachte eine grössere Ueberschwemmung, welche das Wehr ober der eisernen Brücke in Meidling wegriss und einen Theil des Gartens im Theresienbade überrann.

1851 am 18. Mai kam das grösste Hochwasser im XIX. Jahrhundert, in Schönbrunn soll es nur um 2' unter der Ueberschwemmungshöhe vom Jahre 1785 zurükgeblieben sein. Es rich­tete erheblichen Schaden an und nahm beinahe sämmtliche Holz­stege und Brücken mit oder machte sie doch unpassirbar.

Am 18. September desselben Jahres schwoll der Wienfluss wie­der an, jedoch nicht in dem Masse, wie im Mai.

1853 kam im Juli ein Hochwasser vor, welches die Mollard- und Magdalenenstrasse theilweise überschwemmte.

1867, 2. Mai trat ein (seit 18. Mai 1851 das stärkste) Hochwasser ein, welches ausser anderen Schaden unterhalb der Pilgrambrücke Uferbeschädigungen herbeiführte (wesshalb dann einige Stauwehren eingebaut wurden), der Niederschlag in Wien betrug am 2. Mai 10·90 Pariser Linien. Zu gleicher Zeit trat auch der Traisenfluss aus seinen Ufern und stieg das Wasser im Donaukanal.

1872, 18. August kam das letzte Hochwasser vor, in Folge der anhaltenden Regengüsse und zweier im Waldviertel niedergegangenen Wolkenbrüche, Niederschlagshöhe in Wien 10·86 Pa­riser Linien.

Dabei trat der Tullnerbach aus seinen Ufern und richtete Schaden an.

Diese Daten beweisen, dass die Hochwässer nicht ausser Acht gelassen werden dürfen und wenn auch durch Vertiefung der Flusssohle und durch Erhöhung der Ufer ein viel besserer Zustand geschaffen ist, so wird durch das Hochwasser vom Jahre 1851 doch Vorsicht geboten, umsomehr, als sich durch die Ver­hältnisse bei einem Wolkenbruche die plötzlich ablaufenden Was­sermassen gewiss nicht vermindern.

Wir finden auch noch in den Vorschriften bezüglich der Ueberschwemmungen in Wien (1856) hinsichtlich des Wien­flusses ganz ähnliche Vorsichtsmassregeln, wie bezüglich des Do­naukanals, wie z. B. Ausführen von Schiffen etc. vorgesehen und angeordnet. (FN: Kaj. Schiefer. Information für die Beamten des Stadtbauamtes über die bei Wassergefahren im Bereiche der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien eintretenden Geschäfte. Wien 1856. S. 115. 147.)

Brücken und Stege über den Wienfluss

1. Radetzkybrücke

Eine hölzerne Brücke fand sich schon im XV. Jahrhundert. 1804 und Ende der Zwanzi­gerjahre umgebaut. 1851 durch Hochwasser weggerissen. 16. October 1855 die jetzige Brücke eröffnet. Kosten: 384.717 fl. für Uferbauten und Quaimauern: 49.730 fl.

2. Zollamtsbrücke

1849 ober dem jetzigen herge­stellt, 1851 weggerissen. Der heutige Steg 1868 hergestellt, Ko­sten: 7096 fl. 69 kr. österr. Währ.

3. Stubenbrücke

1397–1404 aus Stein gebaut, 1827 die Fusswege durch einen Anbau hergestellt, die Brücke am linken Ufer um 4 2/3 Klafter gekürzt, um eine bessere Zufahrt zur damaligen Hauptmauth zu erzielen, daher statt der ehemali­gen acht Brückenfelder dermalen nur mehr sechs bestehen. Ueber das Wehr – kassirt 1850 – siehe zur Geschichte im Allgemeinen.

4. Giselabrücke

a) Zuerst erbaut 1850 in der Verlän­gerung der Strasse durch das bestandene Karolinenthor in der Richtung gegen die Salesianergasse mit einem Pfeiler in der Mitte. Vom Hochwasser 1851 weggenommen.

b) Mit Benützung der stehen gebliebenen Landpfeiler wurde eine Brücke nach Neville'schen System hergestellt, eröffnet 28. No­vember 1857. Kosten: 75.773 fl. C. M.

c) Nachdem sich an dieser Stelle eine Fahrverbindung als nothwendig zeigte, wurde die Brückenconstruction an die gegen­wärtige Stelle übersetzt, verbindet den Stadt- mit dem Kinder­park und führt gegen die Reisnerstrasse.

5. Tegetthofbrücke

ehemals Karolinensteg, Johannes­brücke. Ungefähr an derselben Stelle bestanden die unter 4 a, b beschriebenen Brückchen, dann wurde etwas flussaufwärts eine hölzerne Fahrbrücke hergestellt und 1873 die mit 264.698 fl. veranschlagte Tegetthofbrücke dem Verkehre übergeben.

6. Schwarzenbergbrücke

früher Mondscheinsteg. Zur Verbindung der Stadt mit der Heugasse war schon frühzeitig ein Steg (welcher nur in Fällen der Noth auch befahren wurde), hergestellt, 1818 finden wir ihn schadhaft und wird ein neuer Steg aus Bohlenbögen mit steinernen Widerlagern ausgeführt. 1850 wurde dem Gasthause zum goldenen Mondschein gegenüber für den schadhaften Steg eine Fahrnothbrücke erbaut; am 11. No­vember 1865 die Schwarzenbergbrücke für den Verkehr eröffnet.

7. Technikersteg

Schmaler Holzsteg gegenüber dem Eingangsthore des k. k. Polytechnikums, am 18. Mai 1851 spur­los weggeschwemmt, ohne wieder hergestellt zu werden.

8. Elisabethbrücke

früher Kärntnerthorbrücke, stei­nerne Brücke. 1400 hergestellt, hatte ursprünglich 9 Bo­genöffnungen, von denen 3 gegen die Stadt verschüttet wurden. 1821 entfernte man die eine Klafter hohen Mauern an den Lang­seiten der Brücke und jene zwischen Fahrbahn und Gehweg, durch Anbringung von Tragsteinen für die Fusswege wurde eine grössere Breite gewonnen. (FN: Hofbauer S 26–28 gibt eine Beschreibung der alten Brücke mit ihren Bildsäulen und Inschriften.)

Die Brücke, die durch das Hochwasser vom Jahre 1784, sowie durch die Anbringung von vier Schleussen in dem Wehre, zu welchem Zwecke die Grundmauern gesprengt werden mussten, gelitten halte, musste neu gebaut werden, Der Bau begann am 16. September 1850, nachdem etwas flussaufwärts eine hölzerne Nothbrücke hergestellt worden war. Die Eröffnung erfolgte am 23. April 1854. Kosten für die Brücke mit 412.783 fl., für die Uferversicherung mit 135.950 fl. C. M. beziffert. Am 19. No­vember 1867 erfolgte die Schmückung der Brücke mit acht mar­mornen Standbildern, die in das Eigenthum der Kommune über­gingen, welche die Sockeln und 10.000 fl. beigesteuert hatte.

9. Schikanederbrücke

ehemals gräflich Palffy’scher Theatersteg, dann Zahlkettensteg. 1813 durch freiwillige Beiträge erbaut und hatte Graf Ferdinand Palffy auf dem Gebäude des Theaters an der Wien grundbücherlich die Verpflichtung vormer­ken lassen, diesen Steg zu erhalten. 1821 begannen die Verhand­lungen wegen einer Neuherstellung, scheiterten aber an dem Wi­derstreben der Gemeinde Wieden. 1828 stellten Josef Jäckel und Karl Drechsler den Antrag, auf ihre Kosten einen Kettensteg ge­gen ein Mauthprivilegium auf 30 Jahre und per Person 1 Kreu­zer zu erbauen. (FN: Die Kommune Wien, aufgefordert zur Erlangung einer Fahrbrücke in Concurrenz zu treten, lehnte ab, da eine Brücke wegen der Nähe der Kärntnerthorbrücke überflüssig, ja für den Obstmarkt sogar nachteilig wirke(!).) Der Kettensteg wurde am 5. August 1830 eröffnet und am 5. August 1860 in das Eigenthum der Com­mune übergeben und der Brückenzoll aufgehoben. (FN: Nur nach dem Hochwasser 1851, welches beinahe sämmtliche Brücken und Stege wegriss oder unpassirbar machte, war die Passage durch einige Tage freigegeben.)

10. Leopoldsbrücke

früher Fokanedisteg; schon im vo­rigen Jahrhundert (aber etwas mehr flussabwärts, nicht in die Schleifmühlgasse einmündend) bestanden; 1816 neu hergestellt mit Verwendung von Bohlenbögen (erste derartige Construction in Wien). 1851 am 18. Mai beschädigt, von einem späteren Hoch­wasser weggerissen. Am 15. November 1860 die neue eiserne Brücke dem Verkehre übergeben. Kosten 67.400 fl.

11. Rudolfsbrücke

früher Fahrkettenbrücke. Obwohl im Jahre 1819 eine Fahrbrücke (an Stelle der heutigen Nevillebrücke) vollendet wurde, zeigte sich schon 1821 die Herstellung einer neuen Fahrbrücke über den Wienfluss als nothwendig. Die bischöflichen Küchengärten wurden parzellirt und dadurch auch der untere Theil der Kettenbrückengasse eröffnet, so dass die kürzeste Verbindung mit der Wieden geschaffen war. Die Ketten­brücke – die erste in Wien – wurde am 28. September 1828 der Benützung übergehen und kostete 38.970 fl.

12. Magdalenabrücke

früher Magdalenensteg, auch Ratzenstadlsteg, bestand schon in älterer Zeit und wurde in den Sechzigerjahren ein neuer Steg mit Eisenconstruction hergestellt, der zur Noth auch befahren werden kann.

13. Pilgrambrücke

früher Stärkmachersteg. 1823 oder 1824 zuerst hergestellt. Am 16. Februar 1867 Eröffnung der heutigen Brücke. Kosten 90.457 fl. 56 kr. österr. W.

14. Reinprechtsbrücke

früher Hundsthurmersteg, Kugelsteg.

15. Nevillebrücke

früher Fahrkettenbrücke, obwohl nie eine Kettenbrücke an dieser Stelle bestand. 1819 zum ersten Male hergestellt mit Bohlenbögen, Kosten 35.608 fl. Im April 1854 die heute bestehende mit einem Kostenaufwande von 105.406 fl. erbaute Brücke eröffnet.

16. Schlachthausbrücke

früher Viehtriebbrücke. 1857 um 5165 fl. errichtet, 1873 etwas stromaufwärts neu hergestellt.

Ausser den Linien bestehen der Kobinger- und Storchensteg seit längerer Zeit, der Steg zwischen Endgasse in Sechshaus und Wiengasse in Gaudenzdorf wurde 1869 durch freiwillige Bei­träge errichtet. Die Stiegerbrücke, ehemals eine Fuhrt, wurde am 2. Dezember 1868 dem Verkehr übergeben.

Die sogenannte „eiserne Brücke“ in Meidling scheint zu Ende des vorigen Jahrhunderts, aber aus Holz hergestellt wor­den zu sein. 1827 fand sich eine Gesellschaft, die gegen Gestat­tung eines Brückenzolles den Bau führte. ln den Sechzigerjahren fand eine Auswechslung der Construction mit Beibehalt der Pfei­ler statt.

An wichtigeren Brücken wären nur noch die Schönbrunner­brücke, Zahlkettenbrücke zwischen Hietzing und Penzing, die Brücke der Penzing-Hetzendorfer Verbindungsbahn (welche ein förmliches Wehr bildet und den Fluss gegen das rechte Ufer leitet), die Aerarial-Strassenbrücke in Weidlingau, die kaiserliche Brücke zum Auhof, dann die Aerarialbrücke in Purkersdorf, de­ren Grundbettung ebenfalls ein für das linke Ufer gefährliches Wehr bildete, zu erwähnen.

Die Kosten für sämmtliche heute bestehende Brücken in Wien (mit Ausnahme der Schikanederbrücke) und für die mei­sten früher bestandenen Brücken und Stege hat die Gemeinde Wien getragen.

Die Gründe, wesshalb wir die Brücken und Stege hier an­führen, sind folgende:

  1. Gehören sie zum vollständigen Bilde des Wienflusses.
  2. Zeigt diese Zusammenstellung die nicht unbeträchtlichen Summen, welche die Commune für diese Objekte ausgegeben hat und
  3. beweist sie uns die günstige Lage, welche der Wienfluss zu unserem Verkehrsnetze einnimmt.

Wien hat vorzugsweise einen radialen Verkehr, der Wienfluss liegt von der Elisabethbrücke stromaufwärts ebenfalls radial zu Wien.

Wir finden im XV. Jahrhunderte nur die Kärntner-, Mondschein-, Stuben- und Erdbergerbrücke, also alle in radialer Richtung. Alle anderen Ueberbrückungs-Objecte wurden zumeist im jetzigen Jahrhundert hergestellt. Je mehr daher der Fluss bei einer eventuellen Umlegung die radiale Lichtung schneiden würde, desto grösser wird die Zahl der erforderlichen Brücken.


[1] Benützt werden vorzüglich : Eduard Suess, der Boden der Stadt Wien 18b2. Th. Fuchs, Erläuterungen zur geologischen Karte der Umge­bung Wiens, Wien 1873, dann eigene Studien.

II. Geologische Beschaffenheit des Wienflussbettes und seines Niederschlagsgebietes

(FN: Benützt werden vorzüglich: Eduard Suess, der Boden der Stadt Wien 1862. Th. Fuchs, Erläuterungen zur geologischen Karte der Umge­bung Wiens, Wien 1873, dann eigene Studien)

Entlang des Nordrandes der Alpen, aus der Schweiz, über Tirol, Südbaiern und Oesterreich bis in die Gegend von Wien zieht sich ein Saum sanftgerundeter waldreicher Vorberge, wel­cher als die Sandstein- oder Flyschzone der Alpen bezeich­net wird.

Die südliche Grenze dieser Vorberge gegen die Kalkzone der Alpen verläuft nächst Wien vom Orte Mauer in südwestlicher Richtung gegen Klein-Zell, ihre östliche Grenze gegen das Wie­ner Tertiärbecken ist durch eine Linie Mauer, St. Veit, Nussdorf bezeichnet, bei welch’ letzterem Orte der Kahlen- und Leopolds­berg den Zug bilden und am linken Ufer der Donau in dem isolirten Bisamberge ihre nordöstlichste Grenze finden.

(Ergänzend führen wir an, dass sich noch eine grössere An­zahl isolirter Sandsteinkuppen bis Niederkreuzstetten hinzieht, von einer Grenze im geologischen Sinne auch keine Rede sein kann.) Die Nordgrenze dieser Vorberge ist das Alluvial-Gebiet Tull­nerfeld.

Es fällt sohin das gesammte Flussgebiet der Wien nebst Zuflüssen u. zw. vom Ursprunge bis zum Beginne des Tertiär­beckens in St. Veit – einige Klafter unter der Brücke der Ver­bindungsbahn Penzing-Hetzendorf – in das Gebiet der Wiener Sandsteinzone.

Die Richtung des Streichens ist im Allgemeinen eine nord­westliche und geht nur ausnahmsweise in eine nordost, südwest­liche Richtung über. Die Schichten fallen im Wienthale vorzugs­weise gegen Süden.

Vorwiegend ist in der Nähe von Wien das Gebirge aus Mergelkalk gebildet, welcher mit spröden thonischen Schiefern wechsellagert und zur Erzeugung von hydraulischen Kalk verwen­det wird. Der Sandstein selbst spielt eine untergeordnete Rolle, enthält stets reichlich Glimmerblättchen eingesprengt, ist von blaugrauer bis grünlicher oder gelblicher, meist immer dunkler Färbung und von geringer Dauer, wenn er der Luft ausgesetzt ist. Seine Masse besteht der Hauptsache nach aus etwas zugerun­deten Quarzkörnern, mit einem kalkig thonigen Bindemittel, zu­weilen enthält er auch Kohlentheilchen, welche sich hie und da in grösserer Menge vorfinden, jedoch nie abbauwürdig werden.

Meist ist er mit unregelmässigen weissen Kalkspathadern durch­zogen, diese erzeugte die kalkhaltige Gebirgsfeuchtigkeit, welche die durch Zusammenziehung im Sandsteine entstandenen Risse und Spalten mit dem Kalke ausgefüllt hat.

Wie schon erwähnt, ist der Wiener Sandstein nicht luft­beständig, das in ihm enthaltene Eisenoxidul verwandelt sich in Eisenoxid, der Stein wird röthlich oder bräunlich gelb, mürbe, es lösen sich konzentrische Schalen ab und schliesslich zerfällt er ganz zu Sand, welcher sich durch den thonigen Cement zu einer leichten, schlammigen Dammerde verbindet, die Sandkörner und Glimmerblättchen eingestreut enthält. (FN: K. v. Hauer: Ueber das Bindemittel der Wiener Sandsteine. Jahr­buch der k. k. geologischen Beichsanstalt. 1835, Bd. VI.)

Diese Eigenschaften stehen auch der häufigeren Verwendung des Sandsteines zu Bauzwecken im Wege. Trotzdem wurde er eben nicht selten verwendet, sogar zum Baue der Stefanskirche in Wien (FN: Schlager, Skizzen J. 171, 233.), heute noch zu Pflastersteinen, als Strassenbeschotterungs-Materiale, zu Werk- und Bausteinen.

---

Die dem Flusslaufe näher befindlichen Steinbrüche sind:

Gablitz am Peilerstein: homogene Sandsteine.

Purkersdorf, Hadersdorf am Mühlberg und Mauerbach am Allerheiligenberg, Hütteldorf in der Ried Ramesbügl und im Ro­senthal: Mauersteine.

Hadersdorf am Mühlberg: Pflastersteine etc.

Durch den Verwitterungsprocess, welchem der Wiener Sand­stein unterliegt, ist die Form der Berge aus Wiener Sandstein bedingt, ebenso aber auch ihr üppiger Waldwuchs. Der Boden ist nämlich beinahe jedem Baume zusagend, ausgenommen natürlich jenem, der ausschliesslich auf Kalkgrund angewiesen ist. Vorwie­gend finden sich Weiss- und Rothbuche, dann Steineiche, aber auch Tannen und Lärchen.

Nachdem der Sandstein stets in Bänke getheilt ist, so nimmt er in seinen Schichtflächen nicht unbedeutende Mengen Wasser auf, welches unter günstigen Umständen als Quelle hervortritt, z. B. im Halterthale in Hütteldorf, in Hacking, am Laufe des deutschen Waldbaches.

Anderseits bildet aber der Sandstein auch, wo er der Luft ausgesetzt ist, eine beinahe wasserdichte Oberfläche, daher nicht nur Quellen selten entstehen, sondern dieselben auch wenig er­giebig sind, leicht versiegen, die athmosphärischen Niederschläge rasch in den Fluss ablaufen und dort Anschwellungen hervor­bringen, überhaupt wird durch diese Umstände ein sehr schwan­kender, sich in den Extremen bewegender Wasserstand in den Flüssen der Sandsteinzone hervorgerufen.

Weil anderseits das Wasser den Boden schwer, daher lang­sam durchdringt, nimmt es mehr an mineralischen Stoffen auf und daher ist das Wasser der Sandsteinzone hart.

Dieser Ursache ist auch der Umstand zuzuschreiben, dass sich in den Röhren von Wasserleitungen aus den Sandsteinzonen erheblich viel Kalksinter absetzt, wodurch das Wasser weicher wird.

Aus alledem geht hervor, dass die Gewalt der Regengüsse zu schwächen, nur durch Erhaltung eines tüchtigen Waldreich­thums möglich ist.

Laubdach und Humus nehmen einen grossen Theil des at­mosphärischen Niederschlags auf, verbrauchen ihn theilweise und geben durch die Verdunstung ab.

Den Eigenthümlichkeiten der Sandsteinzone ist es auch zu danken, dass mit Ausnahme jener Punkte, die der Quellenbildung günstig sind, die Gärten etc. auf den Abhängen der Berge wasser­los sind; das Graben von Brunnen in dem Sandstein ist auch ein sehr prekäres Mittel, da es nur in den seltensten Fällen gelingt, eine wasserführende Spalte zwischen den Bänken des Berges zu treffen.

Eines Umstandes haben wir noch zu gedenken, nämlich die Schotteranhäufung im Flussbette, sie beträgt 8 bis 9 Schuh und nimmt einen Theil des Wassers auf. Der sich ferner im Flussbett vorfindende Alluvial-Sand wird als Bausand verwendet.

Der Wienfluss im Wiener Tertiärbecken

Letzteres beginnt einige Klafter unter der vorerwähnten Verbindungsbahn-Brücke und lagert hier unmittelbar der Tegel (von Hernals und Nussdorf) der sarmatischen Stufe an den Wiener Sandstein und bildet den Untergrund des Flusses bis etwa unter­halb der Morizgasse in Mariahilf, von da läuft die Wien bis et­was unterhalb der Elisabethbrücke im Congerien- (Inzersdorfer-) Tegel. –

Der Untergrund der Schmelz wird ebenfalls durch solchen Hernalser Tegel gebildet, welcher sich rasch gegen den Fluss senkt. Auf diesem Tegel lagern diluvialer Lehm und Schotter, der ungefähr bis zur Sechshauser Hauptstrasse herabreicht, an diese Gebilde lehnen sich die Alluvionen des Wienflusses.

Innerhalb der Linien ist die Lagerung eine ähnliche aber statt des brackischen (Hernalser) Tegels erscheint der Congerien-Tegel, und tritt noch der Belvedere-Schotter hinzu (auf der Mariahilferstrasse und in der Gegend um die Kollergerngasse).

Die Mollardgasse und die Gebäude zwischen ihr und dem Wienflusse liegen beinahe durchaus auf Alluvial-Schotter des Wienflusses.

Am rechten Ufer ist die Bildung eine ähnliche, nur tritt hier allein Congerien-Tegel auf.

An manchen Orten findet sich der Diluvial-Schotter ver­mischt mit Tertiär-Schotter, es ist letzterer – zuerst gebildeter – in den Diluvial-Schotter hinabgerutscht.

Aus der aufmerksamen Beobachtung dieser Lagerungen, welche wir hier nicht im Detail geben können, ergibt sich Folgendes:

Nachdem während der Tertiärzeit eine allgemeine kontinen­tale Erhebung stattgefunden hatte, und das Land trocken gelegt wurde, ist in der Lage der heutigen Wien ein Fluss vorhanden gewesen, welcher die Tertiärschichten durchfloss und sich in ihnen so vertiefte, wie dies der heutige Wienfluss bezüglich der Diluvial- Schichten gethan hat.

Ganz ähnliche Erscheinungen bemerken wir an der Donau, an welcher auch ein unterirdischer Steilrand vorhanden ist, der auf die Eigenschaften unserer Brunnenwässer einen wesentlichen Einfluss ausübt. Dieser unterirdische Steilrand, aus Tegel beste­hend, kreuzt das Wienthal vor der Heumarkt-Kaserne, und von diesem Steilrande aus fliesst der Wienfluss nicht mehr im Tegel sondern in Diluvial-Gebilden.

Aus dieser eben geschilderten geologischen Formation geht hervor, dass der Wienfluss im Tertiärbecken bis unter die Elisa­bethbrücke beinahe nirgends ein Infiltrationsgebiet hat, da er im wasserdichten Tegel fliesst. An einer oder zwei Stellen nur, wo der Tegel unter sein gewöhnliches Niveau herabsinkt, sickert wohl einen grossen Theil des Jahres hindurch das Wasser des Flüsschens gegen die Vorstad Wieden ein. Bei Hochwässern natürlich hat er ein nicht unbeträchtliches Einsickerungsgebiet, aber Hochwässer halten bekanntlich nur kurze Zeit an. Wenig­stens ist bei keinem Brunnen auf der Wieden eine Speisung aus dem Wienflusse nachgewiesen, sondern es scheinen alle, die nicht Wasser aus tieferen Schichten beziehen, vom Grundwasser gespeist zu sein.

Unterhalb der Elisabethbrücke gibt die Wien jedenfalls Wasser an die Ufer ab. Nach einer Mittheilung der Wasserver­sorgungs-Commission scheint aber selbst diese Einsickerung in gewissen Jahreszeiten sehr gering zu sein, und muss, da sich der Wienfluss hier über der Infiltrationsfläche der Donau befindet, eine lokale Erhöhung über den gewöhnlichen Wasserstand eintreten. (FN: Bericht über die Erhebungen der Wasseryersorgungs-Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien. Wien 1864. S. 197.)

Im Hause Nr. 38, Wollzeile, ist z. B. bei hohem Wasser­stande der Wien und der Donau der Keller durch aufsteigendes Wasser überschwemmt. Im Hauptmauth-Gebäude wurde Wasser über dem Niveau der Donau erreicht und zwar filtrirtes Wien-Wasser.

So interessant es nun noch wäre, auf die artesischen, Bohr­ oder Tegel-Brunnen einzugehen, so sehen wir von diesem Gegen­stande, als mit dem Wienflusse selbst nicht in unmittelbarer Verbindung, ab.

III. Topographie

Dieser Fluss entspringt im Wiener Walde circa 4 Meilen west­lich von Wien, und zwar: unweit des Ortes Rekawinkel (Gerichts­bezirk Purkersdorf, am Fusse des Kaiserbrunn-Berges, 1835 Fuss über dem adriatischen Meere, im sogenannten Jochgraben des k. k. Rekawinkler-Forstes), und führt dort den Namen dürre (träge) Wien.

Nach kurzem Laufe von etwa 2300° = 4360 meter ver­einiget er sich zunächst der Ortschaft Pressbaum mit dem (vom Fusse des Licht-Eiche und Hengstel-Berges – 1962 Fuss hoch – südlich von Pressbaum kommenden, circa 3000° = 5690 meter langen, bedeutend grösseren und viele namenlose Bäche aufnehmenden) Pfalzauer Bache oder der grossen (grotten) Wien, von welchem Punkte an er nur noch den Namen „Wienfluss“ hat. (FN: dier = träge, langsam. – rott, gerott, grott = schnell, reissend.) (FN: Siehe über den Ursprung. Georg Mathias Vischer, topographische Karte, Wien 1870. – F. W. Weisskern, Topographie von Niederösterreich, Wien 1768, II., S. 291. – N. ö. Handels- und Gewerbekammer, statistisch-topogr. Bericht, I. Band, Wien 1857, S. 264, 467.)

In seinem weiteren Laufe durchzieht er das ziemlich enge, aber hübsche und mit schönen Laubholz-Waldungen begränzte Wienthal, nimmt in demselben viele grössere und kleinere Bäche auf und mündet dann, nachdem er bei Hütteldorf das breitere Thal erreicht, sowie die Vororte Wiens und das Stadtgebiet selbst durchläuft, zwischen der inneren Stadt und dem Bezirk Land­strasse in einen Arm der Donau (den sogenannten Donaukanal) 480 Wr.-Fuss = 151,568 meter über dem adriatischen Meere.

Die Wien ist einer jener Gebirgsflüsse, welche gewöhnlich nur wenig Wasser führen, bei heftigen und anhaltenden Regen­güssen aber zum wilden, reissenden Strome anwachsen. – Sie empfängt ihr Wasser aus 124 Quellen und führt dasselbe nebst den sonstigen Niederschlägen von den inneren Thälern des Wiener Waldes der Donau zu; jedoch hat sie weder stetiges Wasser noch periodisch wiederkehrende Anschwellungen, wie etwa regelmässige Frühjahrs- und Sommer-Hochwässer. – Ihre Quellen, welche nicht im Hochgebirge, sondern im Mittelgebirge entspringen, sind aber sogenannte Hungerquellen und versiegen daher zu Zeiten grosser Trockenheit mehr oder weniger, wo sodann aus denselben nur ein spärlicher Wasserzufluss stattfindet.

Die Länge des Flusslaufes beträgt vom Ursprünge bis zur Einmündung in den Donaukanal 4,15 Meilen = 31,5 Kilometer, die Grösse des Niederschlagsgebietes nahe 4 Quadrat-Meilen = 230 Quadrat-Kilometer. (FN: Topographie von Niederösterreich, herausgegehen vom Vereine für Landeskunde, Wien 1871, Seite 38 und 39.)

Die bedeutenderen Nebenbäche der Wien sind:

Links:

1.   Der Weidlingbaoh, Mün­dung nächst Pressbaum, lang nahe 1800° = 3414 meter;
2.   der kleine Tullnbach, Mündung beim Neuwirthshause 3300° = 6260 meter;
3.   der Gabiitzbach, Mün­dung bei Purkersdorf 4300° = 8155 meter;
4.   der Mauerbach, Mün­dung bei Mariabrunn 5500° = 10430 meter;
5.   der Halterbach, Mün­dung bei Hütteldorf 2800° = 5310 meter;

Rechts:

1.   Der obgenannte Pfalz­auerbach lang nahe 3000° = 5690 meter;
2.   der Wolfsgrabenbach, Mündung unterhalb der Enge bei Taferl 3300° = 6260 meter:
3.   der deutsche Waldbach, Mündung oberhalb Pur­kersdorf  2000° = 3793 meter;
4.   der Rothwasserbach im k. k. Thiergarten, Mün­dung beim Auhofe 3000° = 5690 meter;
5.   der Lainzerbach, Mün­dung bei Hietzing 4000° = 7586 meter.

Weiters entnehmen wir aus einer hydrologischen Studie des k. k. Hauptmanns Guggenberger über das Wassergebiet des Wien­flusses ebenfalls, dass die Wien bei einer Wasseransammlungs­fläche von etwa 3 3/4 Meilen = 216 Quadrat-Kilometer vom Ur­sprünge bis zur Mündung in den Donaukanal eine Länge von nahe 4 1/2 Meilen = 34,14 Kilometer und ein Gesammtgefälle von 1482 Fuss = 468 meter (nämlich von der Spitze des Hengstel-Berges gerechnet) hat; dass ferner 3/5 des Laufes im Gebirge, 1/5 im offenen Flussthale und 1/5 im Stadtgebiete Wien liegen. (FN: Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft, Wien 1858.
Seite 50.)

Bei Regenmengen von 4–5 Pariser-Linien = 0,009 bis 0,011 meter sättigen sich die hie und da allerdings 4–5 Fuss = 1,264 –1,580 Meter (und noch mehr) mächtigen, sehr ausge­dehnten Geröllbänke, und erst bei 6–10 Pariser-Linien = 0,013 bis 0,022 meter Niederschlag tritt ein rascherer Lauf des Flusses ein, der sich aber bei Abnahme des Regens bald wieder ermässiget.

So war z. B. am 10. Oktober 1857 eine Regenmenge von 5,58 Pariser-Linien = 0,013 meter gefallen, die Wien regte sich aber noch nicht; am 11. Oktober fielen 9,36 Pariser-Linien = 0,021 meter Regen, die Wien stieg um 1 – 1 1/2 Fuss = 0,316 bis 0,474 meter; am 12. Oktober betrug die Regenmenge 4,74 Pariser-Linien = 0,011 meter und die Wien fiel bereits wieder ab.

Bei 30 Pariser-Linien = 0,066 meter Wassersturz in einem Tage (17. Mai 1851) entstand die letzte grosse Ueberschwemmung.

So viel (30 Par. Linien) soll auch der angesammelte Schnee am Ende eines normalen Winters betragen.

Nach wiederholt vorgenommenen genauen Abmessungen auf der grossen Generalstabskarte von der Umgebung Wiens, im Massstabe von 1 Zoll = 200 Klafter, wurde gefunden, dass das Gebiet des Wienflusses im Ganzen nahe 62.500.000 Quadrat-Klafter oder 3906 Quadrat-Meilen = 224,8 Quadrat-Kilometer beträgt, und dass nach Ausscheidung des auf die Stadt Wien entfallenden Theiles per 2.500.000 Quadrat-Klafter = 9,0 Qua­drat-Kilometer für das übrige Gebiet sehr nahe noch 60.000.000 Quadrat-Klafter oder 3 3/4 Meilen = 205,8 Quadrat-Kilometer verbleiben.

(Hiebei ist der Ottakringer Bach, der früher zum Wienfluss-Gebiete gehörte, nun aber seine Wässer in den Hauptunraths-Canal abführt, nicht einbezogen.)

Diese Resultate stimmen demnach mit den obigen Angaben sehr nahe überein, daher die Berechnung des Ingenieurs d'Avigdor, welcher in seiner Broschüre „Der Wienfluss und die Wohnungs­not“ das Wienfluss-Gebiet mit nur 29.000.000 Quadrat-Klafter = 104,3 Quadrat-Kilometer beziffert, auf einem Irrthume be­ruhen muss.

(Anm: Die folgende Aufschlüsselung des Einzugsgebietes der Wien auf die größeren Nebenflüsse wurde ausgelassen.)

IV. Niederschlags-Mengen im Wienfluss-Gebiete und Menge des in dem Flusse ablaufenden Wassers

Dieses Kapitel wurde nicht übertragen

V. Beschaffenheit des Wassers

Dieses Kapitel wurde nicht übertragen

VI. Gegenwärtig bestehende Verhältnisse und Uebelstände am Wienflusse

In seinem oberen Laufe, d. i. zwischen Rekawinkel und Mariabrunn ist der Zustand des Flusses ein befriedigender und führt letzterer dort auch verhältnissmässig viel und gutes Wasser, von dem unterem Laufe, nämlich zwischen Mariabrunn und der Mündung in den Donaucanal kann dies leider nicht gesagt werden.

Hier sind wie allgemein bekannt, bereits derart ungünstige Verhältnisse und sanitätswidrige Uebelstände eingetreten, dass selbe ohne Herbeiführung wesentlicher Nachtheile und ohne Ge­fährdung für die Gesundheit der Anwohner nicht mehr länger be­lassen werden können.

Der grösste Uebelstand wird nämlich durch die bedeutende Verunreinigung des Flusswassers herbeigeführt, indem ausserhalb der Linien Wiens viele Canäle und Cloaken, sowie innerhalb der Linien mehrere Canal-Ueberläufe in den Fluss münden.

Die Haupt-Unrathscanäle, welche zu beiden Seiten des Wienflusses bestehen, reichen nämlich nicht bis in die betreffen­den weiter liegenden Vororte und können daher den Unrath von dort nicht aufnehmen, wozu sie übrigens auch zu klein wären. Ebensowenig sind sie im Stande, bei einem sehr starken Regen­gusse oder Wolkenbruche die gesammten in die Canäle ablaufen­den Niederschläge aufzunehmen und abzuführen, in welchem Falle dann ein Uebergiessen der Hauptcanäle in den Wienfluss statt­findet.

Das ausgedehnte Canalnetz, welches die Stadt Wien schon jetzt besitzt und das mit der Vergrösserung der Stadt und der Vororte noch immer mehr erweitert werden muss, entzieht dem Wienflusse überhaupt viel Wasser u. z. kann das Gebiet, aus welchem jetzt schon die atmosphärischen Niederschläge nicht mehr in die Wien gelangen, auf 4–5 Millionen Quadratklafter gerech­net werden.

Wir sehen daher, dass sich die Zustände des Wienflusses mit der immer mehr zunehmenden Verbauung der Grundflächen, mit der vermehrten Pflasterung der Strassen und Hofräume etc. nicht verbessern werden, denn die Niederschläge dringen da nicht mehr in den Boden ein, sondern laufen schnell in die Canäle ab, die wenigen Quellen, welche bestanden, versiegen, und wenn ja noch in dem unteren Wiengebiete Wasser in den Fluss kommt, so ist es Schmutzwasser aus den Canälen.

Ferner wird das Flusswasser noch für verschiedene indu­strielle Zwecke benützt und obwohl es nur einige wenige Indu­striezweige wirklich verschlechtern, so wird es doch von vielen davon mehr oder weniger verunreinigt. Ueberdiess dient das Bett und Gelände des Flusses ausserhalb des Stadtgebietes jetzt auch oft zur Ablagerung der verschiedensten Abfallsstoffe, ja des Kothes und Unrathes, welche Stoffe dann bei Hochwässern weiter getragen und in den abwärts liegenden Flussbette wieder theilweise angeschwemmt werden, hier aber zur Verschönerung des­selben, sowie zur Verbreitung von Wohlgerüchen ebenfalls nicht beitragen.

Diesen Uebelständen muss daher unbedingt abgeholfen wer­den, weil dadurch, sowie in Folge des meist ungenügenden Was­serzuflusses sehr übelriechende Verdunstungen, namentlich zur Sommerszeit entstehen, welche für die Anwohner und Passanten nicht nur in hohem Grade unangenehm, sondern geradezu schäd­lich werden.

Weiters fehlte es an einem einheitlichen Regulirungsplane für die Wien, der Lauf des Flusses ist daher in den Vororten noch nicht gehörig begränzt und befinden sich dessen Ufer dort in einem ziemlich verwahrlosten Zustande, weil es auch an der hinreichenden Ueberwachung mangelt.

Die Regulirung der Wien und die gleichzeitig vorzuneh­mende Versicherung der Ufer ist daher schon überhaupt sehr nothwendig, speciell aber noch aus dem Grunde, weil ein gleichmässiges und hinreichend grosses Flussprofil meistens nicht be­steht. dieses aber unter allen Umständen hergestellt werden soll. Endlich existirt erst seit kurzer Zeit eine feste Baulinien-Bestimmung für die an dem Flusse liegenden Territorien, welche leider nicht immer eingehalten wird, die Ufer sind daher an manchen Stellen willkürlich verbaut und ist oft nicht einmal der nöthige Raum zur Herstellung einer ordentlichen Böschung vor­handen, viel weniger noch zur Anlage von Kommunikationswegen an beiden Ufern, die unbedingt nöthig sind.

Ebenso wird durch die freigestellte Eisgewinnung im Flusse wie nicht minder durch die Schotter- und Sandgewinnung dessen Bett nach allen Richtungen hin durchwühlt und die Wegräu­mung der aufgeworfenen Schotterriegel den Hochwässern über­lassen.

Auch die Eigenthums-Verhältnisse sind sehr complicirter Natur mit Ausnahme des Gebietesvon Wien selbst, wo die Gemeinde Eigen­tümerin des Flusses ist. Theilweise sind Behörden, ehemalige Dominien, Gemeinden, Private im grundbücherlichen Besitze des Flussbettes und der Ufer, theilweise besitzen selbe nur das Sand­regale (FN: So soll die Gemeinde Penzing ein solches Regale von der Kaiserin Maria Theresia erhalten haben), das Wasserbenützungsrecht, etc. Diese Umstände tragen auch viel Schuld an den öfter vorkommenden Eigenmächtigkeiten, mag es sich um Uferschutzbauten, um Herstellung von Stegen, um Errichtung von Badehütten, etc. handeln.

Es ist in dieser Richtung viel verabsäumt worden und wird es noch heute. Dagegen gibt es nur ein Mittel zur Abhilfe und das heisst: strenge Strompolizei, namentlich ganz specielle und einheitliche Ueberwachung des Flusses, die unbedingt nothwendig ist. Hoffen wir, dass es dazu kommt.

---

Weiter aufwärts befinden sich im Flusslaufe viele und mäch­tige Schotterbänke und da der Fluss dort nicht auf die Normal­breite geregelt, sondern oft übermässig breit ist und seine Ufer nicht befestiget sind, so findet bei Hochwässern immer noch ein bedeutendes Verwerfen der Schotterbänke und ein Beschädigen der Ufer statt,

In die vorerwähnten ausgedehnten Schotterbänke verseicht und versickert ein grosser Theil des Wassers und verdunstet dort, oder fliesst als Grundwasser ab, so dass bei grosser Trockenheit im eigentlichen Bette nur mehr wenig davon verbleibt.

Die längs des Flusses noch bestehenden Mühlen oder son­stigen Etablissements sind daher in ihrem Betriebe auch sehr be­einträchtigt und können denselben nur noch mit Unterbrechungen aufrecht erhalten. Mehrere davon sind aber bereits ganz ein­gegangen.

Ebenso erleidet die übrige sehr ausgedehnte und wichtige Industrie in den Vororten Wiens, welche auf das Wasser des Wienflusses angewiesen ist, durch den zumeist herrschenden Man­gel desselben, sehr empfindliche Nachtheile, ja es ist die weitere Benützung des noch vorhandenen Wassers auch bereits behörd­lich untersagt worden.

Endlich ist für viele andere Bedürfnisse an Wasser in den Vororten, z. B. für Strassen- und Gärten-Bespritzung, für Bäder, bei Feuersgefahren etc. jetzt entweder gar nicht oder nur in un­genügender Weise vorgesorgt. Für diese Zwecke kann nämlich auf Wasser aus der Hochquellenleitung kaum gerechnet werden, da diese nur für die Befriedigung der Bedürfnisse der Stadt Wien in ihrer gegenwärtigen Ausdehnung hinreichen wird, nicht aber auch für sämmtliche Bedürfnisse der Vororte.

---

Ueber die vorerwähnten ungünstigen sanitären Verhältnisse und die etwa möglichen Einwirkungen des Wienflusses auf dieselben werden nachstehende Daten näheren Aufschluss geben. Es mag vielleicht von mancher Seite auffällig bemerkt werden, dass Techniker über diese Frage schreiben; allein es sollen keine kühnen Hypothesen aufgestellt werden, an der Hand von ge­schichtlichen Daten wollen wir einen Rückblick machen, uns auf frühere Beobachtungen berufen und daraus Schlüsse ziehen. Wir wollen eben alle Seiten, die sich dem Gegenstande unserer Dar­stellung abgewinnen lassen, betrachten und werden Belehrungen von competenter Seite sehr gerne annehmen. (FN: Uebrigens hat der Techniker bei hygienischen Fragen auch ein Wort mitzureden. Pettenkofer sagt in seinen „Beziehungen der Luft zur Kleidung, Wohnung und Boden“. Braunschweig 1872. S. 104: „Im Leben sind wesentlich drei Stände die natürlichen Träger und Vertreter der hygienischen Interessen der Gesammtheit, die Aerzte, die Ver­waltungsbeamten und die Architecten und Ingenieure.“)

Weiter oben ist eine Ansicht angeführt, nach wel­cher die Ausdünstungen des Wienflusses sogar als gewissermassen gesund bezeichnet wurden, eine Anschauung, welche die Stadt­physiker nicht theilten.

Der k. k. Rath und Kameral-Ingenieur v. Huber äussert in einem Berichte vom Jahre 1783: wenn der Wienfluss von der Hundsthurmer Linie bis zu den Weissgärbern „voller Unrath und stinkend ist“, so kommt solches nicht von dem Wienflusswasser her, welches versickert und nicht faulen kann, sondern von den vielen Möhrungen und anderen Abflüssen der Abtritte; er spricht ferner von den todten Thieren, welche in den Wienfluss geworfen werden. In einem späteren Berichte von demselben Jahre heisst es: „Es ist unverbesserlich, dass der Schutt und Schotter und an­dere harte Materien dort ausgeladen werden, wo der Fluss das Ufer anbricht, welches hiedurch in etwas verbessert wird, wie denn dieses bei der Kirchenmühle die besten Dienste gethan hat. Eine Lage von Ledererlohe als eine leichte Materie taugt hiezu nicht. Der Lederer, so sein Haus nächst dem letzten Steg über die Wien besitzt, hat eben darum an die Wien gebaut, um ohne Kosten seine Geschäftsabfälle sogleich in das Flussbett als einen allgemeinen, von der Natur ertheilten Abführungscanal zu leeren. Wird dieser nicht beschwert sein und wird der Preis seines Hau­ses nicht fallen müssen, wenn künftig diese Abfälle mit Wägen auf eine entfernte Strecke geführt werden sollen.“

„Die grösseren Unrathshaufen gleich neben den Kärntner- und Stubenbrücken werden aus der Stadt theils in Wägen ge­führt, theils durch arme Leute auf dem Rücken hinausgetragen. Wer just nicht über die hohe Parapetmauer der Brücke beson­ders hinunter sieht, der bekommt diese Haufen nicht einmal zu Gesicht. Eben bei den höchsten Wässern der Wien wird das Ufer daselbst stark weggerissen, wie solches „die von Wien“ am besten bezeugen können und daher sind dergleichen Dunghaufen keine geeignete Schutzwehr“.

„Es ist nicht genug, zu verbieten, allen aus der Stadt ge­brachten Unrath neben diesen beiden Brücken auszuleeren, son­dern es ist nothwendig, einen anderen, nicht allzu entfernten Ort anzuweisen. Allein ich könnte keinen hiezu ausfindig machen, da das Glacis dasigen Gegenden regulirt und in Vorstädten nichts auszuleeren erlaubt ist. Die Ziegelöfen sind zu entfernt, als dass man die Materien ohne den grössten Kosten soweit führen sollte. Ich glaube auch nicht, dass sich Besitzer finden lassen werden, welche die Ausleerung des Unflathes auf ihre Aecker gerne zu­lassen werden.“

Der Zustand des Wienflusses war somit vor hundert Jahren ein schlechterer, als er heute ist, nur die Benützung des Flusses als Ablagerungsort für todte Thiere ist sich gleich geblieben und hat sich entsprechend der gestiegenen Population vermehrt.

Betrachten wir nun den Einfluss, welchen der Wienfluss in sanitärer Beziehung auf die Bewohner seiner Ufergründe nimmt.

Als besonderer Gradmesser wird das Auftreten der Cholera dienen; denn von medizinischen Autoritäten wird heute die epi­demische Verbreitung der Cholera, dann einiger anderer Krank­heiten, als Typhus, Malaria oder Sumpffieber, in der Beschaffen­heit des Bodens, den Reinlichkeitsverhältnissen der Städte, der Häuser, im Stande des Grundwassers gesucht. (FN: Cholera-Regulativ von Dr. W. Geistinger, Dr. Max v. Pettenkofer und Dr. C. A. Wunderlich. München 1866. Hauptbericht über die Cholera-Epidemie des Jahres 1854 in Baiern von Alois Martin 1857. – Dr. F. X. v. Gietl: Die Ursachen des enterischen Typhus in München. Leipzig 1865. – Ursprung und Verbreitungsart der Cholera; von der internationalen Sanitäts-Conferenz zu Konstantinopel 1866. — etc.)

Suess hat in seinem im Eingange erwähnten Werke die Er­scheinungen der Cholera vom Jahre 1831 (erstes Auftreten in Wien – FN: Ausführlich beschrieben von Dr. Joh. Jos. Knolz in der Sammlung der Sanitäts-Verordnungen für das Erzherzogthum Oesterreich u . d. Enns. Wien VII. Theil.) und vom Jahre 1855 einer näheren Untersuchung un­terzogen.

Letztere betrachtet er vorerst und zwar bezüglich der Vor­städte an dem Wienflusse wie folgt: (FN: Den angeführten Conscriptions-Nummern wurden nur in Klammern die Orientirungs-Nummern beigefügt)

„Auf der unteren Windmühle hat das Zwangsarbeitshaus Nr. 17 (jetzt erzbischöfliches Knabenseminar, VI., Theobaldgasse Nr. 2) viele seiner Bewohner verloren, ohne dass die nebenstehen­den Häuser ergriffen worden sind. Der erste Fall in dieser Ge­gend kam am 23. Juni in dem (nunmehr zur Eröffnung der Engelgasse demolirten) Hause, Dreihufeisengasse Nr. 11 vor. – Nr. 12 (Dreihufeisengasse Nr. 13) und die tiefer liegenden Häuser längs dem Wienflusse wurden später nach und nach zum grossen Theil ergriffen.“

„Man bemerkte keine auffallende Zunahme der Todesfälle gegen den Wienfluss, auch kein ausgesprochenes Ansteigen der Daten an diesem Ufer. Nur die engen und dichtbevölkerten Gässchen des Magdalenen-Grundes wurden früh und heftig er­griffen.“

„Es ist schwer zu sagen, ob der Grund hievon in der Dich­tigkeit der Bevölkerung oder in der Beschaffenheit des Bodens (abschüssige Tegel-Oberfläche, alte Ziegelgruben) liege.“

„Von verschiedener Art, bei weitem schärfer hervortretend und einer näheren Betrachtung würdig waren die Erscheinungen auf der anderen Seite des Flusses. Am 13. Juni ereignete sich hier der erste Todesfall, Wieden, Schmiedgasse Nr. 1037 (IV., Mühlgasse Nr. 4) an dem seither aufgelassenen Mühlbache; un­terhalb desselben, hart am damaligen Mühlbache, rechts und links von demselben stehen die Häuser Nr. 1038–1043 (IV., Mühlgasse 6, 2, 1, 3, 5), welche nur Senkgruben besitzen; bis zum 21. Juni hatten sich in jedem derselben ein oder meh­rere (zusammen 12) Todesfälle ereignet “

„Fast gleichzeitig (14. Juni) erschien der erste Todesfall ein wenig tiefer am Mühlbache, in Nr. 797 (IV., Mühlbachgasse Nr. 10) und am selben Tage einer in Nr. 720 (IV., Heumühl­gasse Nr. 1).“

„Rasch breitete sich nun die Krankheit einerseits bis an die letzten am Mühlbache stehenden Häuser, anderseits etwa bis zur Lumpertsgasse (Kettenbrückgasse) aus; von den Häusern längs des Mühlbaches blieben nur wenige ohne Todesfälle.“

„Allmälig sank aber die Zahl derselben; die Seuche schien Anfangs September bis auf einzelne Fälle erloschen; vom 17. September an ereignete sich sogar in dieser ganzen Gegend kein Todesfall an Cholera bis zum 25. September, wo sie ganz plötz­lich mit ausserordentlicher Heftigkeit wieder auftrat. Namentlich suchte sie jetzt Opfer in Häusern, welche in den früheren Mo­naten verschont geblieben waren. Diess gilt besonders von den am Wienfluss neben einander stehenden Häusern Nr. 919, 816, 817 und 818 (IV., Wienstrasse Nr. 33, 35, 37 und 39), welche alle vier zugleich am 25. September ihre ersten Todesfälle hatten und welche sammt Nr. 918 (IV., Wienstrasse Nr. 31), welches schon am 3. September einen isolirten Todesfall gehabt hatte, an diesem ersten Tage des plötzlichen Ausbruches 7 Personen ver­loren. Vom 23. September bis 1. October, also binnen 6 Tagen, starben in diesen 5 Häusern 27 Personen an Cholera, während in der näheren Umgegend bis zur Lumpertsgasse (Kettenbrückengasse) und der Neu-Wiedner-Hauptstrasse (Margarethnerstrasse) nur 5, darunter ein neuerlicher Fall in den Senkgrubenhäusern der Schmidgasse (Mühlbachgasse), in der ganzen übrigen Vor­stadt Wieden nur 3 Personen starben. Am 7. Oktober ereignete sich der letzte Todesfall in dieser kurzen Häuserreihe, welche im Ganzen 31 Leichen hatte.“

„Nach diesem heftigen Ausbruche waren auch von den 22 Häusern, welche von der Leopoldsgasse (Franzensgasse) abwärts gegen den Wienfluss blicken, nur noch 5 übrig, welche keinen ihrer Einwohner verloren hatten, während oberhalb die noch näher am Flusse stehende Häuserreihe, in der Nähe des Magdalenensteges, bei weitem weniger zu leiden gehabt hatte (FN: Unter 17 Häusern nur 5 ergriffen, mit 5 Todten). Dieser Um­stand weist darauf hin, dass nicht der Wienfluss, son­dern der Mühlbach, an welchem der erste heftige Aus­bruch erfolgt war, als die Hauptursache der Ver­heerungen zu betrachten ist, welche die Cholera in diesem Gebiete angerichtet hat; ein schlagender Beweis hiefür zeigt sich in Folgenden“:

„Unterhalb des sogenannten Stärkmachersteges (Pilgrambrücke) befand sich noch im Jahre 1855 die grosse Wehre, welche das Wasser des Wienflusses aufstaute und diesem Mühlbache zulenkte. In der zunächst liegenden Häusergruppe ereignete sich nun ein sehr früher Todesfall an Ruhr (28 Juni) in Nr. 134 (V., Grün­gasse Nr. 29) und am 3. und 4. August starben 2 Personen an Cholera in dem anstossenden Hause Nr. 133 (nunmehr demolirt zur Strassenerweiterung); genau zwischen diesen beiden Häusern befindet sich das Ende der von der Wehrgasse kommenden Kloake.“

„In der zunächst liegenden Häusergruppe kam im nächst befindlichen Eckhause Nr. 124 (V., Wienstrasse Nr. 85) am 3. August der erste Todesfall an Ruhr, am 13. August der erste in Nr. 125 (V., Wienstrasse Nr. 87) vor, am 19. August der erste Cholera-Todesfall in Nr. 124, am 2. September der erste in Nr. 125, am 4. September der erste in Nr. 126 (V., Wien­strasse Nr. 89), am 6. September der erste in Nr. 127 (V., Wienstrasse Nr. 91), am 10. September der erste in Nr. 128 (V., Wienstrasse Nr. 93). Es folgt nun die Kirche und jenseits derselben das Haus Nr. 117 (V., Hundsthurmerstrasse Nr. 54), in diesem war der erste Cholera-Todesfall am 14. September, in Nr. 118 (V., Hundsthurmerstrasse Nr. 52), der erste am 7. October.“

„Die 7 Häuser Nr. 118–124 (V., Hundsthurmerstrasse Nr. 52, 50, 48, 46, 44, 42, Wienstrasse Nr. 85) haben in Summa 17 Personen verloren, wahrend die näher gegen den Wienfluss liegenden Häuserreihen von Nr. 171 (V., Wienstrasse Nr. 34) bis an den Linienwall sehr wenig gelitten haben (7 Leichen in 34 Hausnummern).“

„Bei den so ausserordentlich regelmässigen Fortschritten der Krankheit durch 7 Häuser, kann von einem Zufalle kaum die Rede sein. “

„Wir sehen hier im Kleinen und deutlich, was in grösseren Stadttheilen sich im Grossen und in vielfach verwischter Weise zeigt, dass nämlich näher an einer Quelle der Krankheit zuerst Ruhranfälle erscheinen, dann Cholera an die Stelle tritt, und diese ihre Verheerungen auf immer weitere Kreise ausdehnt.“

„Wehren sind schon vielfach als besonders gefährliche Choleraherde bezeichnet worden und man hat in der Regel das Stagniren des Wassers über denselben als das eigentlich gefähr­liche Moment bezeichnet. Da aber die höher liegenden Häuser­reihen so wenig gelitten haben, sprechen unsere Erhebungen viel­mehr dafür, dass die eigentliche Quelle des Unheiles in der Er­hebung des Einsickerungs-Niveau liege. Wo der Fluss höher oben in der wasserdichten Tegelfurche rinnt, sind seine Exhalationen wahrlich ebenfalls weder gering noch angenehm, aber erst von dem Punkte an, wo sein Wasser durch Stauung aus dieser Furche in die durchlassenden Alluvien gehoben ist, treffen wir auf die ver­heerenden Wirkungen der Seuche.“

Suess bemerkt weiters, dass sich im Verlaufe der Cholera in den Jahren 1831–1832 eine ausserordentliche Uebereinstimmung mit jener im Jahre 1855 zeige, wir finden den Sitz der Krankheit im Wienthale besonders längs des Mühlbaches, der um jene Zeit auch an einem Theile des linken Wienufers sich hinzog.

Ueber die Cholera-Epidemie des Jahres 1866 liegen zwei Publikationen vor, die eine erwähnt, dass sich in den Häusern, in welchen besonders viele Todesfälle vorkamen, auch erhebliche sanitäre Uebelstände fanden. (FN: Bericht des Dr. Nusser in der Sitzung v. 26. November 1866 des medizinischen Doctoren-Collegiums (Wiener Zeitung 1866 S. 600). A. Gigl, statistische Daten über die Cholera-Epidemie des Jahres 1866 in Wien. Separat-Abdruck aus dem LIX. Band der Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. II. Abtheilung 1869.)

Gigl gibt eine vergleichende Uebersicht nach Bezirken und Gassen, d. h. es sind die Anzahl a) der Häuser in jeder Gasse, die Anzahl b) jener Häuser, in welchen Todesfälle an Brechruhr, Brechdurchfall, Cholera, Cholera-Typhus und Cholera-Typhoid vorkamen und die Zahl c) von Todesfällen in den betreffenden Gassen angegeben.

Berechnet man den Quotienten von b/a = d), um eine Ver­gleichung zu erhalten, so stellen sich für die Strassen am Wienflusse und Strassen, in welchen Maxima vorkamen, folgende Re­sultate heraus:

(Anm: Daten wurden nicht übertragen)

Aus dieser Zusammenstellung geht wohl deutlich hervor, dass in den Uferstrassen die Epidemie nicht vorherrschend gewüthet hat, und dass diese Gassen gegen die in den betreffenden Bezirken vorgekommene Maxima zurückblieben. Die Zahl der Todesfälle gibt bei dem Umstande, dass die Bevölkeruugsziffer für die einzelnen Gassen nicht bekannt ist, keinen Massstab zu einer Vergleichung.

Auch unter jenen Gassen, die sich durch besonders viele Sterbefälle auszeichnen (S. 21 bei Gigl) finden wir die Ufer­gassen des Wienflusses nicht angeführt.

Um eine Uebersicht im Vergleiche mit den früheren Epide­mien zu gewinnen, wurden die Häuser der Uferstrassen verzeich­net, in welchen Sterbefälle (aber nur) an Cholera vorkamen, und geben diese zu folgender Darstellung Anlass.

In der Magdalenenstrasse zeigen sich meist nur einzelne Fälle in einzelnen Häusern. Am 28. August in Orientirungs-Nummer 61; im September: am 11. in Nr. 42, am 22. in 78, am 24. in 94, am 25. je ein Fall in Nr. 53 und 86, am 28. wieder in 53, am 29. ebenso in 15 und 86, am 30. in 18; – im October: am 6. in 82, 11. in 75 und 84, 12. in 66, 14. in 4, 15. in 90, am 21. in 17, 27. in 66.

Wird in Betracht gezogen, dass der grösste Theil dieser Häuser in der engen, aus alten Häusern (die kleine Höfe, niedere Zimmer besitzen und deren Fussboden sich theilweise unter dem Erdhorizonte befinden) bestehenden Ratzenstadl liegen, in welchem eine arme Bevölkerung zusammengepfercht wohnt, und dass ein Zusammenhang zwischen diesen Cholerafällen nicht vorauszu­setzen ist, so kann von einem Einfluss der Wien wohl keine Rede sein. Von der am Wienfluss liegenden Seite der Mollardgasse verzeichnen wir je einen Todesfall am 26. September in Nr. 29, am 25.  in 73, am 27. in 37, am selben Tage in 63, am 28. in 21 und am 5.  Oktober wieder in Nr. 73.

Auf der gegenüberliegenden Seite finden sich: am 22. Au­gust der erste Fall in Nr. 10, am 24. September in 46, am 25. September je ein Fall in Nr. 70, 6 und wieder    in Nr. 10, am 26. September in 70, am 28. wieder in 10, am 1. October in 48, welchem sich am 14. ein zweiter Fall anreiht.

Auch hier ist von einer Einwirkung des Flusses nichts zu verspüren, die bezüglichen Häuser sind meistens alte, bei welchen die oben für das Ratzenstadl gegebenen Erläuterungen ebenfalls gelten und im Hause Nr. 10, welches übrigens schon sehr ent­fernt vom Flusse liegt, haben jedenfalls lokale Umstände bei­getragen .

Im Bezirke Wieden taucht in der Wienstrasse die Seuche zuerst im Hause Nr. 37 auf (am 30. September) und fordert im selben Hause am 6. October ein zweites Opfer. Das Haus Nr. 21 gestaltet sich dann zu einem wahren Seuchenherde, denn nachdem am 8. October zwei Opfer gefallen waren, kommt am 9., 10., 12., 14. und 17. je ein Tod an Cholera vor, also im Zeit­raume von 10 Tagen 7 Leichen. Am 17. October wurde noch im Hause Nr. 19 eine Person von der Seuche hinweggerafft. Das Haus Nr. 21 besteht aus einem neuen Trakte und aus einem alten, niederem Haustheile, dessen Mauern in der Nähe der Aborte stark infiszirt sind.

In jenem Theile der Wienstrasse, der im V. Bezirk liegt, trat die Seuche am 21. September auf, im Hause Nr. 61, am 22. September und 9. October in Nr. 71, am 5. October in Nr. 26, so dass 4 Leichen zu verzeichnen sind.

Von den an den Wienfluss anstossenden Häusern der Hundsthurmerstrasse finden wir nur zwei Häuser mit je einem Todesfall und zwar Nr. 116 und 122 (am 20. October). Dagegen wurde die andere Seite der Hundsthurmerstrasse in der gleichen Strecke ärger mitgenommen, denn es figurirt Nr. 37 und 111 mit je 6, Nr. 99, 103, 113 und 129 mit je 1 Todesfall.

Ein hervorragendes Auftreten der Cholera in den Häusern zunächst dem Wienflusse finden wir demnach im Jahre 1866 ebenfalls nicht.

Auch bei der letzten Cholera-Epidemie 1873 ist (wenigstens im Bezirke Sechshaus) nach Mittheilungen von ärztlicher Seite kein schärferes Auftreten der Cholera am Wienflusse beobachtet worden, wohl aber an den Mühlbächen.

Alles diess stimmt mit der von Suess gemachten Beobach­tung, dass ein im Tegel laufender Fluss und daher ohne In­filtrationsgebiet, für die Umgehung am wenigsten gefährlich sei.

Betrachten wir eine beabsichtigte Verlegung des Flusses mit Anbringung einer Sohle von Betton, d. h. unveränderlicher Sohle, ohne dass für die Verbesserung des dermaligen Zustandes des Flusses irgend etwas geschieht.

Entweder wird die Sohle in Tegel gelegt, dann wird den sämmtlichen Häusern und Gründen zwischen dem neuen und alten Bette der Zufluss des Wassers aus dem ober dem neuen Bette liegenden Niederschlagsgebiete weggenommen, da das atmosphärische Wasser, in den Fluss gelangt, denselben nicht mehr verlassen kann, d. h., da die als Grundwasser auftretende Nie­derschlagsmenge zwischen beiden Flussbetten bei fortschreiten­dem Verbaue sehr gering sein muss, es versiegen sämmtliche Brunnen.

Oder das neue Bett liegt vollständig in einer durchlassenden Schichte, dann ist eine Infiltration des unreinen Wienwassers in die tiefer liegenden Vorstädte unvermeidlich, d. h. der Stand des Grundwassers wird statt erniedrigt, erhöht und nebstdem durch das unreine Wienwasser vergiftet, die Brunnen unbrauchbar und die ganze Gegend zwischen dem alten und neuen Flussbette ist ein – Seuchenherd.

Dasselbe gilt analog auch von den Wasserleitungen, die in solchem Terrain angelegt sind.

Wir wollen diese Perspektive nicht weiter im Detail ver­folgen, und machen nur noch auf Eines aufmerksam. Wenn der Canal, der im jetzigen Wienbette angelegt werden müsste, wirk­lich wasserdicht ist, so kann er die bis zu ihm gelangenden Grundwässer nicht aufnehmen, und es ist sehr möglich, dass durch diesen Umstand Rückstauungen eintreten, die heute – wo der Wienfluss im Tegel läuft – nicht vorhanden sind, ausser bei den nie lang anhaltenden Hochwässern.

Es läuft wohl heute auch ein Theil des Wienflusses im Schotter und zwar beginnt diese Strecke etwas unter der Elisa­bethbrücke, aber dort beginnt auch der Einfluss der Donau­wässer, die viel mächtiger, den Einfluss des Wienwassers ver­wischen, wie uns die Ergebnisse der Cholera vom Jahre 1866 zeigen, denn weder auf der Landstrasse, noch auf den Stadt­erweiterungsgründen, so weit sie dem Einflüsse der Wien unter­liegen würden, zeigen sich besondere Erscheinungen.

Aus Vorstehendem wird daher ersehen werden, wie dringend nothwendig die Verbesserung des Wienflusses ist, und wie wenig mit der blossen Ableitung desselben in der einen oder anderen Richtung gedient wäre, wodurch die bestehen­den Uebelstände eben nur auf den neuen Lauf übertragen werden würden.

Diese Ableitung wäre übrigens wegen der bestehenden un­günstigen Terrain- und Bodenverhältnisse und wegen der zeit­weise abzuführenden ungemein grossen Wasserquantitäten mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, wenn nicht ganz unmöglich.

Lassen wir daher der Wien ihren gegenwärtigen Lauf, je­doch sei unser Bestreben dahin gerichtet, den zeitweise grösseren Zufluss des Wassers so zu regeln, dass dasselbe der allgemeinen Benützung zugeführt werden kann.

Dann werden sich auch die jetzigen sanitären Uebelstände leicht beheben, und der Fluss wird kein Uebel mehr für die Stadt Wien sein, sondern derselben zum Nutzen gereichen.

VII. Bisher gemachte Projecte und Vorschläge für die Verbesserung des Wienflusses allein oder in Verbindung mit den Wienthal-Bahnen.

Im Vorstehenden haben wir gezeigt, welche Uebelstände gegenwärtig am Wienflusse bestehen und wie nothweridig daher dessen Regulirung und Verbesserung ist, unter gleichzeitiger Rücksichtnahme auf Beschaffung des nothwendigen Nutzwassers für die Industrie etc.

Es sind dies sehr wichtige Fragen, die unter einander in inniger Verbindung stehen, daher eingehend geprüft und wohl binnen Kurzem entschieden werden müssen.

Bei dem vitalen Interesse, weiches der Wienfluss für die Stadt hat, ist es wohl natürlich, dass zur Lösung dieser Fragen schon in älterer, besonders aber neuerer Zeit vielerlei Projecte und Vorschläge auftauchten, allein selbe fassten die Regulirung und Verbesserung des Flusses entweder nicht als Hauptsache auf, sondern nur als Nebenzweck, um Localbannen, Strassen, Canäle etc. anlegen zu können oder sie dienten blos dazu, um nur Eini­ges von dem zu erreichen, was im Vorstehenden jetzt als nothwendig bezeichnet wurde. Es erscheint daher bei diesen Pro­jekten die Flussregulirung auch immer nur so weit beantragt, als es der vorhabende Zweck eben erforderte.

Unser Bestreben war es aber, die Wien-Regulirung in um­fassendster Weise u. z. wenigstens bis Purkersdorf durchzuführen den bestehenden Uebelständen abzuhelfen und den Fluss für die Vororte und die Stadt nutzbar zu machen.

Wir wellen nun die bisher gemachten Projecte etwas ein­gehender betrachten, ohne jedoch bei deren Aufzählung auf Voll­ständigkeit Anspruch zu machen.

Der Hauptsache nach theilen sich diese Projekte, inclusive der Wienthal-Bahnen in VI Gruppen u. z.:

I.   Vollständige Ableitung des Wienflusses entweder gegen Hetzendorf in den Liesingbach oder gegen Simmering in den Donaucanal. Verschüttung oder Ueberwölbung des alten Wienbettes und Benützung des dadurch gewonnenen Raumes für Strassen und Localbahnen.

II.   Einwölbung oder Ueberdeckung des Wienflusses und Benützung des dadurch gewonnenen oberen Baumes für Bahnen, Strassen etc.

III.   Anlage von Wienthal-Bahnen an den Böschungen und Ufern unter gleichzeitiger Regulirung der letzteren.

IV.   Ansammlung der Niederschläge im Wienfluss-Gebiete in grossen Reservoirs und Zuleitung einer constanten Wassermenge zur Bewässerung des Flusses und als Nutzwasser, eventuell Be­nützung des Wienbettes für Localbahnen.

V.   Verbesserung des Wienflusses überhaupt.

VI.   Anlage von Schifffahrts-Canälen.

Zur ersten Gruppe gehören folgende Projecte:

1.   Dr. Weiss und Baron Schwarz, Ableitung des Wienflus­ses von Ober-St.-Veit in den Liesingbach, Schwechatfluss und grosse Donau.

2.   Graf Mlodetzky, Ableitung des Wienflusses und Anlage einer Eisenbahn im Flussbette mit weiterer Fortsetzung derselben bis Neulengbach und Tulln.

3.   Graf Zichy, Ritter v. Schey, Baron Schwarz und Otto Wagner. Ableitung des Wienflusses über Meidling, dann durch den V., IV und III. Bezirk in den Donaucanal, ferner Benützung des Wienbettes für eine Localbahn und für Canäle, endlich An­lage eines Boulevards auf dem eingewölbten Bette bis Schönbrunn.

4.   L. Coiseau, Wienfluss-Ableitung.

5.   Leop. Funk, Wienfluss-Ableitung.

Zur zweiten Gruppe gehören:

1.   Ein in den Jahren 1843–44 verfasstes Project für Ein­wölbung der Wien und Anlage einer atmosphärischen Eisenbahn bis Hietzing.

2.   Stefan Türr, L. v. Mende, Leop. Springer und Karl Hanseli, Einwölbung des Wienflusses innerhalb Wien und Anlage einer Pferdebahn auf dem überwölbten Raume.

3.   Franz Mörth, Eindeckung des Wienflusses mit Eisen-Construction und Benützung des oberen Raumes für eine Pferdebahn.

4.   L. v. Mende und Graf Spiegel, Einwölbung des Wien­flusses.

5.   Graf Szechenyi, Einwölbung des Wienflusses.

Zur dritten Gruppe gehören:

1.   Ein Project, welches zur Zeit der Erbauung der Kaise­rin Elisabethbahn von der Verwaltung derselben vorgelegt wurde, um die Verlängerung ihrer Bahn im Wienflusse bis zum Obst­markte (Naschmarkt) auf der Wieden zu erzielen.

2.   Wiener Baugesellschaft und Wiener Bankverein. Schmal­spurige oder eventuell selbst breitspurige Wienthalbahn im Ufer eingeschnitten und mit Umfahrung der Brücken-Widerlager mit­telst Tunnels.

3.   Schifffahrts-Canal-Actiengesellschaft, schmalspurige Wien­thalbahn.

4.   Graf Wimpffen, Localbahnen, worunter auch eine Wien­thalbahn.

5.   Actiengesellschaft für österreichische Verbindungsbahnen, Wienthalbahn.

Zur vierten Gruppe gehören:

1.   Die bereits im ersten Abschnitte erwähnten, jedoch nicht zur Ausführung gelangten Projecte Bayer’s und Brequin’s.

2.   1839 erwähnte Seitle, dass er den Antrag gestellt habe, die in den k. k. Forstdistricten nutzlos abfliessenden Quel­len zu sammeln. (FN: Derselbe rühmt sieh, folgende Bauten veranlasst zu haben: den Durchstich aut der Simmeringer Haide, die Corrigirung der Ausmündungen der Wien und des Alserbaches, die Herstellung der Haupt-Unrathscanäle längs des Wienflusses, die Kaiser Ferdinands-Wasserleitung. Ferner habe er das Allerhöchste Handbillet wegen Aufrechthaltung der Albertinisehea Wasser­leitung erwirkt.) (Ausser drei kleinen Wasserbassins im k. k. Thiergarten und einigen wenigen in Privatgärten, sind aber derlei Bassins nirgends angelegt. Die im Mauerbach-Thale bestandenen sechs Reservoirs sind, wie schon erwähnt, eingegangen, ebenso die Klausen bei Purkersdorf, dann in der grossen und dür­ren Wien).

3.   Guggenberger schlug in seiner Abhandlung über den Wienfluss (1849) ebenfalls vor, Reservoirs anzulegen und das angesammelte Wasser zum stetigen Abflusse zu verwenden, wozu es genügend ist.

4.   D’Avigdor, Anlage eines Reservoirs bei Ober-St.-Veit zur Ansammlung der Hochwässer, constanter Wasserabfluss aus demselben in den Wienfluss, Unrathscanäle zu beiden Seiten des­selben, Herstellung einer Localbahn im Wienbette.

5.   Holzer, Hochwasser-Reservoirs, Sammelcanäle, Wien­bettbahn.

Zur fünften Gruppe gehören:

1.   Der Vorschlag eines nicht genannten Projectanten, arte­sische Brunnen zu bohren und so dem Flusse mehr Wasser zu­zuführen.

2.   Der Antrag des k. Rathes Riener (1864), nur die Hoch­wässer im Wienbette abzuführen, so dass dieses immer so ziem­lich trocken sei und um ihm ein freundlicheres Aussehen zu ge­ben, soll es mit Gras bepflanzt werden. Das gewöhnlich fliessende Wasser wäre aber in den Seitencanälen abzuführen. Dagegen machte Vice-Baudirektor Gabriel die Einwendung, dass die Quer­schnitte dieser Canäle zu einem solchen Experimente nicht ausreic­hen, ja dass für diese Canäle unter Umständen der Wienfluss selbst in Anspruch genommen werden müsse.

3.   Darauf proponirte A. Köstlin einen Drainage-Canal vom Meidlinger Wehr bis zum Donaucanale unter der Sohle des Wien­flusses für die gewöhnlich abzuführenden Gewässer und Belassung des Bettes für die Hochwässer. (FN: Zeitschrift des österr. Ingenieur-Vereins 1864. S. 115.)

4.   1866 tritt Moriz Szekula mit einem Vorschlage vor die Gemeinde Wien. Er findet die Ueberwölbung und Ableitung des Wienflusses zu kostspielig und beantragt mehrere Schleussen her­zustellen, um den Fall des Flusses zu vermindern und um ihn zu zwingen, sein Gerolle und den mitgeführten Unrath schon bei den ersten Schleussen liegen zu lassen und selbe nicht in die Stadt zu bringen.

Zur Abführung des sich ansammelnden todten Wassers hin­ter den Schleussen müssten Grundablässe in denselben angebracht sein, kurz Projectant will ungefähr jenen Zustand wieder herbei­führen, welcher zur Zeit des Bestandes des Gumpendorfer Weh­res und der Wehren bei der Kärntner- und Stubenbrücke existirte, ein Zustand, den wir vorne zu schildern Gelegenheit hatten.

5.   1866 legte Jochmus ein Project vor und proponirte:

a)   Oberhalb der Schönbrunnerbrücke das vertiefte Bett der Wien zu 1, 2 oder 3 Frisch-Wasserbecken durch Abdäm­mung zu benützen u. z. nach der einfachen Art der aus­gedehnten Bends (Reservoirs) im Belgrader Walde bei Konstantinopel und ähnlichen Werken in Indien und Ceylon.

b)   Die zu vertiefende Sohle des Wienflusses unterhalb der Schönbrunnerbrücke bis zum Donaucanal zu überwölben und dann als eingesenkten Haupt-Abzugscanal zu ge­brauchen.

c)   Unter den Bögen der Schönbrunnerbrücke und einigen an­deren Brücken Schleussen anzubringen und den Haupt-Abzugscanal von Zeit zu Zeit auszuspülen. Das Wasser soll im regulirten Bette des Wienflusses über dem gewölbten Abzugscanal Winter und Sommer geleitet werden.

d)   Von der Wieden bis nahe an Schönbrunn, alsdann einen doppelten Quai an den reinen mit Bäumen bepflanzten, ein­gedämmten Ufern der Wien zu führen.

e)   Eine genaue Nivellirung wird die Frage lösen, ob das auf­gestaute Wasser der beantragten Bends oder Reservoirs zur Reinigung eines Theiles der Häuser an der Wien wird die­nen können, sowie zur Bewässerung etc. der neuen Baum­- und Garten-Pflanzungen am Glacis.

Zur sechsten Gruppe gehören:

1.   Ein in den Dreissigerjahren von Baron Puthon vorgelegtes Projekt für einen Schifffahrtscanal von Tulln in die Wien (selbes ist spurlos verschwunden).

2.   Ingenieur J. Deutsch. Projekt für einen Wien-Liesing Canal.

3.   Baron v. Fleckhammer. Donau-Wienfluss-Schifffahrtscanal mit der Abzweigung bei Tulln.

4.   Sigmund Pohann. Vorschlag für einen Donau-Wien- Schifffahrts-Canal oder Neustädter Ebene-Wienfluss-Schifffahrts- Canal.

---

ad I. Was nun die Flussumlegungen anbelangt, so wird hierüber Folgendes bemerkt:

Die Ableitung gegen Hetzendorf erfordert einen ziemlich langen und tiefen Einschnitt, der aller Wahrscheinlichkeit nach zum grossen Theile aus solchen Letten bestehen wird, welcher mehr oder weniger zu Rutschungen geneigt ist. Es wird in die­ser Beziehung auf die bedeutenden Arbeiten hingewiesen, welche die Südbahn seinerzeit zur Sicherung ihres grossen Einschnittes und Dammes bei Hetzendorf zu bewältigen hatte.

Ein solcher den Rutschungen unterworfener Einschnitt wäre aber eine stete Gefahr für den Fluss, besonders bei Hochwässern, die grosse Zerstörungen verursachen könnten. Die gewöhnliche Versicherung der Sohle mit Beton und die Pflasterung der Bö­schungen ist in diesem Falle nicht genügend und gewährt nicht die erforderliche Haltbarkeit und Sicherheit.

Mit der einfachen Ableitung des Wienflusses in den Lie­singbach ist es ferner noch keineswegs abgethan, weil letzterer, sowie auch der Schwechatfluss viel zu kleine Querprofile haben und ihre eigenen Hochwässer oft nicht aufnehmen können, viel weniger jene des Wienflusses.

Es müsste daher das Bett dieser Flüsse erbreitert und ver­tieft, sowie auch mit Ueberschwemmungsdämmen versehen wer­den, ferner müssten die über diese Flüsse führenden Brücken, und sonstigen Anlagen ganz umgebaut werden. Da nun die Ter­rainverhältnisse hiefür ungünstig sind und sich längs der Liesing und Schwechat viele Industrie-Anlagen befinden, so wären dies sehr schwierige und kostspielige Herstellungen und würden manche Industrien dadurch wesentlich beeinträchtiget werden.

---

Betrachten wir nun die Ableitung der Wien gegen Simme­ring, so erfordert diese ebenfalls einen fast eine Meile langen und noch tieferen Einschnitt als die vorstehende Ableitung und wenn auch das Materiale desselben wahrscheinlich etwas besser sein dürfte als jenes bei Hetzendorf, so kann doch die Haltbar­keit dieses Einschnittes auch hier nicht mit Gewissheit voraus­gesetzt und verbürgt werden.

Die Wirkungen von so grossen und plötzlich eintretenden Hochwässern, wie selbe bei dem Wienflusse Vorkommen, entzie­hen sich fast jeder Berechnung und es können derartige Unter­waschungen der Sohle und der Böschungen Vorkommen, dass selbst der Einsturz der letzteren theilweise erfolgen kann.

Eine Versicherung mit Beton oder Steinpflaster ist da eben­falls nicht ausreichend und gewährt nicht die Bürgschaft für die vollkommene Haltbarkeit derselben und selbst starke Quader­mauern sind nicht immer widerstandsfähig genug, um Rutschun­gen hintanzuhalten.

Die Erhaltung der Ufer würde daher voraussichtlich sehr grosse Summen erfordern, abgesehen von den Kosten der Wieder­behebung eingetretener Beschädigungen oder Zerstörungen.

Das neue Wienbett kreuzt ferner von der Meidlinger Brücke bis zum Donaucanale den ganzen Radialverkehr von Wien in dieser Richtung und da die obere Breite des Bettes gross ist, so müssten jetzt schon sehr viele, lange und kostspielige Brücken hergestellt werden, die sich nach dem Falle der Linienwälle noch bedeutend vermehren würden.

Eine Uebertragung der eisernen Brücken vom Wienflusse in das neue Bett kann desshalb nicht stattfinden, weil dieselben er­stens zu kurz sind und zweitens so lange an ihrer alten Stelle bleiben müssen, bis das neue Wienbett sammt allen darüber füh­renden Brücken ganz fertig ist.

Die Umwandlung des neuen Bettes in einen Schifffahrts­canal ist darum nicht opportun, weil das Aus- und Einladen der Frachten, z. B. Ziegel, Steine, Schotter etz. fast auf der ganzen Strecke von Meidling bis Simmering, des tiefen Einschnittes we­gen eine sehr mühselige und theure Arbeit wäre.

Ebenso ist die Tunellirung dieser Wienfluss-Ableitung nicht ausführbar, weil das Durchschnitts-Gefälle des neuen Bettes sich mit 1 : 230 ergibt, und die Wirkungen der von uns nachgewiese­nen Hochwässer, die auch Bäume, Holz und andere Gegenstände mit sich führen können, unter diesen Umständen in einem solchen Tunelle gar nicht abzusehen sind.

Das auszuhebende Materiale von circa 1,000.000 Cub-Klftr. würde nur aus Belvedere-Schotter und Tegel bestehen, also für eine Kultur nicht zu verwenden sein. Zu dessen Ablagerung braucht man grosse Flächen und müsste hier eine Verführung auf weite Distanz erfolgen, die, wenn sie auch per Bahn geschieht, immerhin sehr kostspielig wäre.

Die tiefen Einschnitte der Wienfluss-Umlegung (sei es gegen Hetzendorf oder Simmering) würden ferner dort, wo sie in Tegel liegen, aus dem überlagernden Belvedere-Schotter das Grundwasser auf mehr oder weniger weite Strecken ganz entziehen, daher alle tiefer liegenden Brunnen entwässern.

Dagegen würde in jenen Strecken, wo die Einschnitte im Schotter sind, das verunreinigte Wienwasser in diesen einsickern und dort die Brunnen und Quellen der bestehenden Wasserleitun­gen verderben. Letztere wie z. B. die Siebenbrunner- und Hun­gerbrunner-, dann Baron Dietrich’sche Wasserleitung und jene vom Laaer Berge etc. müssten überhaupt ganz aufgelassen wer­den, da ihnen die tiefen Einschnitte das Wasser entziehen, was wohl nicht beabsichtiget sein dürfte. Auch würde voraussichtlich die Verdunstung des schlechten Wienwassers zu Zeiten grosser Hitze in dem tiefen Einschnitte noch viel bedeutender und empfind­licher sein als jetzt.

Wir sehen daher, dass sich der Ableitung des Wienflusses mannigfache und grosse Anstände entgegenstellen, die kaum zu besiegen sein werden, daher es viel angezeigter ist, die Wien in ihrem alten, ihr von der Natur angewiesenen Bette zu belassen und die Uebelstände zu beheben.

ad II. In Betreff der Einwölbung oder Ueberdeckung der Wien ohne vorherige Ableitung derselben, weisen wir bloss auf die in den früheren Kapiteln erwähnten, ungemein grossen Hoch­wässer hin, welche für eine solche Herstellung wohl sehr ge­fährlich werden könnten.

Da ferner im Niveau der auf diese Art zu gewinnenden Strasse Locomotiv-Bahnen nicht angelegt werden dürfen, sondern nur Pferdebahnen, so würden auch die sehr grossen Kosten dieser Herstellung für letzteren Zweck nicht gerechtfertigt sein und sich keineswegs rentiren.

ad III. Wie eben erwähnt, sind die Lokomotiv-Bahnen im Niveau der Strassen unmöglich, weil diese den öffentlichen Ver­kehr ungemein gefährden würden.

Es könnten sonach nur Pferdebahnen hergestellt werden, gegen deren Anlage (nach erfolgter Regulirung der Ufer des Wienflusses) auch keine Hindernisse obwalten, und die dem dortigen Verkehr wohl für lange Zeit genügen würden. Was speziell die an oder in den Ufern der Wien projektirten schmalspurigen (eventuell auch normalspurigen) Bahnen betrifft, so ist deren Be­stand von den Hochwässern der Wien ebenfalls nicht ganz ungefährdet. Diese Bahnen würden übrigens sehr ungünstige Richtungs- und Steigungs-Verhältnisse erhalten, ferner für die Bewoh­ner und Passanten an der Wien durch den fast im Niveau der Strassen auströmenden Rauch sehr belästigend sein, ausser es würde gelingen, diesen Uebelstand in irgend einer Weise zu beheben.

ad IV. Die Ansammlung der Niederschläge im Wienfluss-Gebiete halten wir für das einzige rationelle Mittel, um den ge­stellten Anforderungen zu genügen, jedoch muss diess auf eine solche Art geschehen, dass daraus keine Gefahr für die Bewohner des Wienthales und der Stadt Wien entstehen kann. – Hieher ist denn auch unser Projekt einzureihen. Da aber die Nieder­schläge, wie wir gesehen haben, nicht genau bestimmbar sind und so bedeutend sein können, dass eine gänzliche Ansammlung der­selben manchmal nicht möglich ist, so muss auch für den unge­hinderten Abfluss des Ueberschusses gesorgt werden, der noch immer sehr gross sein kann, da ja die Reservoirs nicht leer, son­dern mehr oder weniger gefüllt sind.

Es ist daher erklärlich, dass Bahnen im Wienfluss-Bette nicht möglich sind, ausser man würde selbe der sicheren Zerstö­rung preisgeben.

ad V. Die sonstigen bisher bekannten Vorschläge für die Verbesserung des Wienflusses mögen wohl mehr oder weniger gut ausgedacht sein, allein selbe genügen entweder nicht den obwal­tenden Anforderungen oder sind praktisch kaum ausführbar.

ad VI. Was endlich den Donau-Wien-Canal von Tulln nach Weidlingau etc. betrifft, so ist derselbe, wenn auch technisch ge­rade nicht unausführbar, doch mit so enormen Kosten verbunden, und würde so wenig rentabel sein, dass dessen Herstellung in keiner Beziehung räthlich erscheint. Dieser Kanal würde zu seiner Speisung hauptsächlich das Wasser von den Quellen des Mauer­baches benöthigen (welches zu Zeiten grosser Trockenheit dazu kaum ausreichen dürfte) und würde sonach dem Wienflusse noch Wasser entziehen, statt solches zuzuführen. Ferner wäre der Ver­kehr auf dem Kanäle ein sehr zeitraubender, da die zu überstei­gende Höhe des Wienerwaldes (212°) gegen die Höhe der Donau bei Tulln (90°) und jene der Wienmündung in den Donaucanal (80°) eine viel zu bedeutende ist. Endlich sind Massenfrachten für diesen Kanal nicht vorhanden und werden nie geschaffen werden können, auch genügen für die zu verführenden Frachten die vorhandenen Verkehrsmittel (Donau, Franz-Josefs-Bahn und drei gute Strassen) vollständig.

VIII. Unser Projekt

Der Hauptübelstand bei dem Wienflusse ist, wie vorher er­wähnt wurde, jener, dass er trotz seines schon bedeutenderen Flussgebietes für gewöhnlich zu wenig Wasser führt und der Wasserablauf kein constanter, sondern ein ungemein variabler ist.

Jede wirksame Abhilfe muss demnach darauf gerichtet sein, mehr und stets fliessendes Wasser in den Wienfluss zu bringen. Dies könnte auf zweierlei Arten geschehen, indem man:

1.   von irgend einem anderen Bache oder Flusse Wasser zuleiten würde oder

2.   die zeitweise grösseren Niederschläge im Wienfluss-Gebiete selbst ansammelt und diese dann zum regelmässigeren Ab­fluss bringt.

Was nun die erstere Abhilfe betrifft, so wäre den gemach­ten Erhebungen zufolge eine Wasserzuleitung in die Wien nur von dem Traisenflusse aus möglich, der sehr wasser­reich ist und ober der Einmündung des Gölsenbaches, zwischen Wilhelmsburg und Lilienfeld, bereits in einer solchen Höhe liegt, dass von dort aus das Wasser gegen den nächst gelegenen nie­dersten Punkt des Wienerwaldes, d. i. bei der Strassenübersetzung nach Ried (181° = 343,263 meter über dem adriatischen Meere hoch), jedoch auch hier nur unter Herstellung eines ziemlich lan­gen Tunnels gebracht werden könnte.

Allein die bedeutende Länge eines derartigen Zuleitungs-Canales (über 7 Meilen = 53,1 Kilometer) bei sehr ungünstigen Terrainverhältnissen, die sowohl mehrere tiefe Einschnitte als auch einige sehr hohe Thalübersetzungen erfordern würden; fer­ner der Umstand, dass längs der Traisen sehr viele und grosse Wasserwerke bestehen, welche abgelöst werden müssten, ma­chen diese Abhilfe der enormen Kosten wegen, abgesehen von noch sonstigen sehr grossen Schwierigkeiten unmöglich, daher hierauf von vorneher verzichtet werden muss.

Es bleibt sonach nur der zweite Fall übrig, nämlich die Ansammlung der Niederschläge im Wienfluss-Gebiete selbst, in entsprechend angelegten Reservoirs. Dabei entsteht nun die wei­tere Frage, ob die Menge dieser Niederschläge auch immer genügen wird, um alle vorerwähnten Zwecke zu befriedigen? Diess kann nach den vorerwähnten Erhebungen und Berechnungen be­jaht werden. Vorausgesetzt wird aber hiebei, dass der für die Stadt Wien und ihre Vororte in vielen Hinsichten so wohlthätig einwirkende, ja nothwendige Wienerwald in seinem Bestände erhalten bleibt, weil sich sonst die Niederschläge in demselben wohl bald verändern dürften, jedenfalls aber bei heftigen Regen­güssen das Wasser zu schnell in den Fluss ablaufen würde.

Zur thunlichsten Vermehrung des Wasserzuflusses könnte man vielleicht auch noch durch einige einzutreibende Stollen bei den Hauptquellen etwas beitragen.

Für die Ansammlung der Niederschläge im Wienfluss-Gebiete genügt es aber nicht, blos ein Reservoir anzulegen, sondern es müssten deren mehrere hergestellt werden, nämlich überall dort, wo die Hauptzuflüsse zur Wien gelangen. Ausserdem wären auch noch bei den grösseren und kleineren Nebenbächen und beson­ders im Mauerbach- und Halterbachthale einige Reservoirs, respective Thalsperren anzulegen, um sowohl den Wasserzufluss bei stärkeren Niederschlägen möglichst zu regeln, als auch das Ge­rölle schon dort zurückzuhalten und so etwaigen Verheerungen durch Hochwässer nach Thunlichkeit vorzubeugen.

Alle diese Anlagen dürfen aber nur so hergestellt werden, dass ein grösserer Wasserabfluss im Wienbette immer möglich bleibt; denn wir haben bei Nachweisung der Niederschlagsmengen gezeigt, wie ungeheuer gross und überhaupt nicht sicher bestimm­bar die fallende und ablaufende Regenmenge werden kann, deren totale Ansammlung dann nicht thunlich ist, selbst wenn die Re­servoirs ganz leer wären.

Wohl werden solch enorm grosse Niederschläge wie im Mai 1851, wo es im ganzen Wienfluss-Gebiete gleich stark und an­haltend geregnet hat, nicht oft Vorkommen, auch werden sich plötzliche Gussregen oder Wolkenbrüche nur sehr selten über das ganze Gebiet erstrecken, allein das Flussprofil und die sonstigen Anlagen müssen darauf berechnet sein. Man wird es daher durch Anlage mehrerer Reservoirs auch viel eher in der Macht haben, die grösseren Niederschläge, respective Wasseransammlungen eines oder des anderen Gebietes besser ausgleichen zu können, als bei einem Reservoir, wobei nur die gegen Wien zu liegenden die grösseren sein müssen, was factisch auch der Fall ist.

Weiters erscheint es für die entsprechende Durchführung des vorliegenden Projektes, ja wie gesagt, auch schon im Allge­meinen unbedingt nöthig, dass der Wienfluss nicht nur bis in die Gegend von Ober-St -Veit regulirt und mit festen Ufern versehen wird, sondern, dass diese Regulirung wenigstens bis Purkersdorf als jenem Punkte ausgedehnt werde, von wo aus der Wien be­reits grössere Wassermassen zulaufen und dieser Fluss daher auch schon ein etwas geringeres Gefälle angenommen hat als weiter oberhalb. Trotzdem findet aber in dem unteren Gebiete bei starken Hochwässern noch immer ein häufiges Verwerfen des Flusslaufes und Weitertragen der mächtigen Schotterbänke statt.

Feste mit Steinen gepflasterte Ufer längs des Flusses und bei den anzulegenden Wasser-Reservoirs sind daher eine unerläss­liche Bedingung, weil es nur auf diese Art möglich ist, das Projekt mit der nöthigen Sicherheit und der Gewähr des Erfol­ges durchzuführen.

Aus diesem Grunde empfiehlt sich auch die Anlage meh­rerer kleinerer Reservoirs statt eines einzigen grossen, weil bei letzterem die Gefahr eines möglichen Durchbruches der grösseren Ausdehnung und Wassertiefe wegen, viel eher vorhanden ist, die Folgen eines solchen Durchbruches aber unabsehbar wären.

Ein einziges grosses Reservoir könnte auch nur in mög­lichster Nähe der Vororte (also bei Ober-St.-Veit) angelegt wer­den, wo die niedrigen Ufer gerade nicht den günstigsten Platz hiefür darbieten. Die Mehrkosten sind bei unserer Anlage der Reservoirs nicht sehr bedeutend und können hier, wo es sich um möglichste Sicherheit handelt, nicht in Betracht kommen.

Unter dieser Voraussetzung und bei sorgfältiger Ausführung aller vorbenannten Herstellungen und Versicherungen des Flusses dürfte es dann wohl auch keinem Anstande unterliegen, die Wien von Purkersdorf bis zu ihrer Einmündung in die Donau in einen Schifffahrtscanal zu verwandeln, auf welchem viele Rohprodukte, wie Bau-, Brenn- und Werkholz, Steine, Schotter, Kohlen etc. verfrachtet werden könnten, welcher Canal dem durch ihn berühr­ten Landstriche gewiss zum grossen Nutzen gereichen würde.

Auf der ganzen Strecke von Purkersdorf bis Wien wären dann nicht nur sehr bedeutende, durch den täglichen Zu- und Abfluss sich stets erneuernde und in sanitärer Beziehung nur günstig einwirkende Wassermassen angesammelt, sondern es könnten dieselbe auch für die verschiedenen öffentlichen und indu­striellen Zwecke, für den Betrieb von Mühlen, Fabriken etc. ver­wendet, und aus dem letzten Reservoir die nöthigen Leitungen abwärts gelegt werden.

Nach dem vorliegenden Projecte wären nun zur Ansamm­lung der periodischen Niederschläge im Wienfluss-Gebiete folgende sechs grössere Reservoirs herzustellen, und zwar:

1.   Unterhalb Pressbaum nächst dem sogenannten Neuwirthshause, wo die ersteren grösseren Zuflüsse zur Wien gelan­gen, und zwar: links der Tullnerbach, rechts der Wolfsgra­benbach.

2.   Oberhalb Purkersdorf in der Nähe der Heigelsfurter-Mühle zur Ansammlung des Wassers aller bis dahin zulaufenden Bäche.

3.   Oberhalb Purkersdorf gegen Gablitz zu, zur Ansammlung der Wässer des Gablitzbaches.

4.   Gleich unterhalb Purkersdorf zwischen Bahnhof und Strasse als Reserve-Bassin für die vorgenannten und zugleich als Hafen für den Endpunkt des Schifffahrts-Canales.

5.   Beim Auhofe in der Nähe von Mariabrunn zur Aufnahme der Wässer des Mauerbaches und der zwei aus dem Thiergarten kommenden Bäche.

6.   Bei Ober-St.-Veit zur Aufnahme der Wässer des Halter­baches und als Haupt-Reservoir, von welchem aus die Speisung des weiter unterhalb befindlichen Canales, sowie der Röhrenlei­tungen zu erfolgen hätte.

Die Lage dieser Reservoirs kann überhaupt, sowie auch in Berücksichtigung aller hierauf Einfluss nehmenden Factoren, eine sehr günstige genannt werden, und wären die hiefür nöthigen Grundflächen, und zwar: meist unwirthbare Gründe glücklicher­weise jetzt noch ohne grosse Schwierigkeiten und Kosten zu er­werben.

Ausser diesen müssten, wie gesagt, zur Erzielung der grösstmöglichsten Sicherheit noch mehrere kleinere Reservoirs und Thalabsperrungen hergestellt werden.

Um nun die Grösse der Reservoirs bestimmen zu können, ist es nothwendig zu wissen, welcher Bedarf an Wasser sich für die Bedürfnisse der Industrie, für öffentliche und Privatzwecke, für die Speisung des Schiffahrts-Canales etc. herausstellt. Aus der Vergleichung des grössten Wasserbedarfes mit den zur Ansamm­lung möglichen und täglich noch zufliessenden Quantitäten wird man dann ersehen, ob überhaupt damit das Auslangen gefunden werden kann, oder auf welches Wasserquantum per Tag mit Si­cherheit zu rechnen wäre.

Zu diesem Behufe wurden die nöthigen Er­hebungen gepflogen, und stellt sich nach diesen heraus, das der jetzige Bedarf für die Industrie per Tag mit circa 600.000 Cub-Fuss = 18947,0 Cub. meter, für die bestehenden Müh­len etc 150.000 Cub-Fuss = 4737,0 Cub. meter und für öffentliche Zwecke mit 250.000 Cub-Fuss = 7895,0 Cub. meter angenommen werden kann, dass ferner für die Canal­speisung bei Annahme von täglich verkehrenden 10 Schiffen 100.000 Cub-Fuss = 3158,0 Cub. meter zu veranschlagen wären, sonach in Summa 1.100.000 Cub-Fuss = 34.737,0 Cub. meter.

Dieses Quantum wird sich im Winter bedeutend vermindern, daher wir im Stande sind, selbst bei länger anhaltendem Froste’ den Bedaif zu decken. Ebenso wird es keinen Schwierigkeiten unterliegen, im Sommer auch ein grösseres tägliches Wasserquan­tum als das vorbezeichnete zu beschaffen, wie wir bei der Nach- weisung der Minimal-Niederschläge gesehen haben. 

Unsere beantragten sechs Haupt-Reservoirs (Anm: Die Einzeldarstellung wurde nicht übertragen) haben in Summe einen Fassungsraum von 74.000.000 Cub. Fuss = 2,336.000 Cub. meter und sind dieselben durchschnittlich mit 2° = 3,793 meter Tiefe projectirt.

Dieser ganze Fassungsraum kann mit Rücksicht auf die übrigen in den Seitenbächen noch anzulegenden kleineren Bassins und Thalsperren leicht bis auf 90,000.000 Cubik-Fuss = 2.842.000 Cub. meter gebracht werden.

Da nun, wie wir vorstehend durch factische Messungen nachgewiesen haben, selbst zur Zeit der grössten Trockenheit und bei dem jetzigen Zustande des Flusses per Tag noch wenigstens 100.000 Cub.-Fuss = 3158 Cub. meter Wasser in der Wien zufliessen (und zwar nur von dem Gebiete der oberen Wien und des Gablitzbaches, ohne Mauerbach, Halterbach, Rothwasserbach etc. etc), so steht uns ein so grosses Wasserquantum zur Verfügung, dass wir damit vollkommen ausreichen, auch wenn es längere Zeit gar nicht regnen sollte.

Ausserdem können wir, wie gesagt, eine Vermehrung des Wasserzuflusses noch durch Anbohrung der Hauptquellen erzie­len (denn auf die entgegengesetzte westliche, sehr stark abfal­lende Seite des Wienerwaldes, fliesst ziemlich viel Wasser ab.) und haben wir schliesslich unsere ersten Reservoirs so weit hin­aufgelegt, dass in Folge des dortigen grösseren Gefälles und nicht so durchlässigen Bodens, selbst das von geringeren Niederschlä­gen noch ablaufende Wasser, welches in dem unteren Laufe ver­sickern würde, ebenfalls angesammelt werden kann.

Berechnet man, welche Wassermassen in allen Reservoirs und Canalhaltungen aufgenommen weiden können, so erhält man folgende Zahlen:

Die sämmtlichen Reservoirs fassen wie vorstehend erwähnt, nahe 74.000.000 C.-F. = 2.336.000 C.m, der Fas­sungsraum aller kleine­ren Reser­voirs und Thalsperren beträgt circa 16,000.000 C.-F. = 506.000 C.m., die Canal­haltungen, welche zusammen circa 8000° lang durch­schnittlich im Mittel 15° breit und 1° tief sind, ergeben zu­sammen 120.000 C.-Klf. = 26.000.000 C.-F. = 818.000 C. m., daher ganze Summe 116,000.000 C.-F. = 3.660.000 C. m.

Daraus ersehen wir, dass nicht einmal die Hälfte der von den grössten Niederschlägen in den Fluss ablaufenden Wasser­quantitäten in unseren Bassins angesammelt werden könnte, vor­ausgesetzt, dass selbe ganz leer wären, was ja nicht der Fall ist. Zu untersuchen und nachzuweisen wäre jetzt noch:

1.   Wie viel Wasser in den Reservoirs und Canalhaltungen per Tag verdunsten würde;
2.   wie viel die Versickerung und Verseichung betragen könnten und
1.   welche Verluste an Wasser sich durch den Schifffahrts­canal ergeben, nämlich durch den continuirlichen, wenn auch nicht sehr grossen Wasserausfluss bei der letzten (untersten) Schleusse in den Donaucanal, weil die Schleussenthore eben nicht hermetisch schliessen.

Zur Beantwortung dieser Fragen kann Folgendes dienen: ad 1. Die Gesammtfläche aller Reservoirs beträgt nahe 150.000 Q° = 539.498 Q meter, jene der Kanalhaltungen zu­sammen circa  100.000 Q° = 359.665 Q meter, Summa 250.000 Q° = 899.163 Q meter.

Nimmt man nun die Verdunstung für die heissesten Tage mit je 2 Linien = 0.004 meter an, so erhält man hiefür ein Wasserquantum per Tag von circa 125.000 Cub.-Fuss = 3947 Cub. meter, welches uns als solches verloren geht, jedoch für die Stadt und Umgebung gewiss wohlthätig einwirken würde, weil dadurch die Luft, namentlich in den Sommermonaten, also zur Zeit der grössten Trockenheit, mehr feucht erhalten werden könnte.

ad 2. Was die Versickerung und Verseichung anbelangt, so ist schon im Vorstehenden erwähnt worden, dass sich hiefür halb­wegs annähernde Ziffern nicht aufstellen lassen.

Der im Wienfluss-Bette anzulegende Schifffahrts-Canal ist nicht zu vergleichen mit einer Canalherstellung auf festem Lande und es kann hier nur so viel bemerkt werden, dass sich die Ver­sickerung durch die projektirte Einengung des Flusses auf sein Normalprofil, durch Herstellung fester Ufer, ferner durch Aushe­bung grosser Schottermassen in den Bassins und Canalhaltungen, hauptsächlich aber durch die Herstellung der tief fundirten Ueberfallswehren und Schleussen auf ein viel geringeres Quantum als jetzt beschränken wird.

ad 3. Hinsichtlich des Verlustes an Wasser bei der letzten Schleusse ist zu erwähnen, dass sich derselbe nach der mehr oder weniger guten Schliessung der Thore, sowie nach der Höhe der Wassersäule richtet.

In dem Werke über den Rhein Niers Canal ist erwähnt (Seite 65), dass dieser Wasserverlust bei gut construirten Thoren und circa 6 Fuss = 1,896 meter Wassertiefe durchschnittlich 1/4 Cub -Fuss = 0,0079 per Secunde angenommen werden kann, daher sich derselbe per Tag mit 21.600 Cub.-Fuss = 682 Cub. meter ergeben würde.

---

Die Reservoirs liegen nicht seitwärts vom Flusse, sondern im Flusslaufe selbst, und sollen durch sehr starke steinerne Ueberfallswehren abgeschlossen werden, in welche wegen der Canalschifffahrt und der Regulirung des Wasserstandes gleichfalls sehr stark construirte Kammerschleussen anzulegen wären.

Durch die Anlegung der Reservoirs im Flusslaufe wird zwar die Herstellung der Abschlusswehren, Stützmauern etc., dann die Erdauhebung etwas erschwert und vertheuert, allein es wird da­durch auch das Gefälle vermindert und die wilde, reissende Kraft der Hochwässer gebrochen, wodurch selbe zum gleichmässigeren und unschädlicheren Abflüsse gebracht werden können.

Hingegen stellt sich die Grundeinlösung diesfalls billiger und leichter durchführbar heraus, weil nur meist unwirthbare, jetzt der Ueberschwemmung ausgesetzte Flächen in Anspruch ge­nommen werden, und weil ferner durch die Canalherstellung, so­wie durch die damit verbundene Regulirung und Erhöhung der Ufer die anrainenden Grundstücke der Ueberschwemmung entzo­gen, zu jeder Anlage geeignet, und daher überhaupt sehr an Werth gewinnen werden.

Die Reservoirs müssten natürlich über die normale Wasser­höhe, noch mit einem starken Schutzdamme überall dort umgeben werden, wo diess wegen dem zu niedrigen Terrain nöthig wäre, um bei Hochwässern ein seitliches Durchbrechen derselben unmög­lich zu machen.

Zwischen den einzelnen Bassins (und zwar: nur von Pur­kersdorf an), dann vom letzten Bassin bis zur Mündung der Wien in den Donaucanal wären ferner die behufs Schiffbarmachung des Flusses ebenfalls nothwendigen Stau-, respective Ueberfallswehren sammt Kammerschleussen, wie im Projecte angegeben ist, herzu- stellen, wobei aber auf die Höhe der Ufer, Gassen, Häuser, Kel­ler, Canäle, Wasser- und Gasleitungen, auf die Sohle und lichte Höhe der Brücken etc., ferner auf die möglichste Verhinderung von Einsickerungen des Wassers in die Ufer-Gründe, sorgfältigst Rücksicht zu nehmen ist.

Längs des ganzen Wienflusses von Wien bis Purkersdorf, müssten ferner, wo möglich an beiden Ufern 8° = 15,172 meter breite Strassen hergestellt, oder der hiefür nöthige Raum wenig­stens reservirt werden, um überrall eine leichte und bequeme Verbindung mit dem Canale zu haben, und um später Pferde­bahnen, Canäle, Wasser- und Gasleitungen etc. anlegen zu können.

Der Canal wäre mit einer entsprechenden Einfriedung zu versehen, ferner müsste auch eine Telegraphenleitung hergestellt werden, um eine schnelle und sichere Verständigung zwischen der Canal-Aufsicht und den Bassins- oder Schleussenwächtern zu er­möglichen.

Das Profil des Schifffahrts-Canales würde jenes sein, wie diess der regulirte Wienfluss darbietet, welcher von der Elisabethbrücke abwärts bis zur Mündung in den Donau-Canal eine durch­schnittliche Sohlenbreite von 15° = 28,448 meter besitzt, mit beiderseits 1- bis 1 1/2füssigen gepflasterten Böschungen; jedoch müssten in dieser Strecke die projektirten und unbedingt nöthigen Regulirungen bei der Gisela- und besonders Stüben-Brücke, nebst dem Neubau der letzteren nach der im Projecte angegebenen Richtung durchgefürt werden.

Von der Elisabeth-Brücke aufwärts hat der Fluss wie sich beim Hochwasser im Jahre 1851 deutlich gezeigt hat, stellenweise ein zu kleines Querprofil, namentlich eine zu geringe Sohlenbreite, so dass hier ein Stauen des Wassers stattfand.

Dieser Uebelstand wird zwar durch die Anlage des Canales etwas verbessert; jedoch könnte man hier, da sich das Flussprofil wegen der angrenzenden Strassen nicht erweitern lässt, auch durch Herstellung wenig hoher Stützmauern statt der Böschungen theilweise abhelfen.

Ueberhaupt müsste auf die Herstellung eines den abzufüh­renden Wassermasssn entsprechenden, und für die einzelnen Haupt­gebiete möglichst gleich grossen Querprofiles des Flusses, sowie auf die Regulirung, Pflasterung und thunlichste Erhöhung der hie und da zu niedrigen Ufer mit aller Kraft hingewirkt werden.

Ein Leinpfad (Treppelweg) ist nicht nöthig, da beabsichtigt wird, den Canal nur mit Schrauben-Dampfschiffen zu befahren; jedoch wäre ein schmaler Fussweg, circa 3–4 Fuss = 0,948 bis 1,264 meter über dem Wasserstand des Canales hoch, an jedem Ufer in der Böschung herzustellen, welcher sich auch leicht an­bringen lassen wird.

Schwierig ist die Verbindung des Wien-Schifffahrts-Canales mit dem Donau-Canale.

Letzterer hat nämlich zeitweise einen so geringen Wasser­stand, dass die Befahrung desselben mit den 4 Fuss = 1,264 meter tief gehenden Wien-Canal-Schiffen kaum möglich ist; – ausserdem wird sich der Wasserspiegel des Donau-Canales in Folge der Regulirung und Verkürzung des Hauptstromes voraus­sichtlich noch mehr als jetzt senken, daher dann die Sohle durch Baggerung weiter vertieft werden muss.

Auf diese Tiefe des Donau-Canales soll demnach auch die Sohle des Wienflusses (respective Canales), von seiner Mündung bis zur letzten Schleusse gebracht werden, und wäre es in Folge dessen angezeigt, diese Schleusse möglichst weit gegen den Donau-Canal vorzulegen.

Dem stellen sich aber durch die im Bogen liegende Ein­mündung, sowie durch den Bestand der Radetzky-Brücke kaum zu umgehende Hindernisse in den Weg, und die letzte Schleusse wird sonach oberhalb der Radetzky-Brücke angelegt werden müssen.

Bis dahin lässt sich aber wieder das Flussbett nicht so viel vertiefen, wie diess vorstehend als nothwendig erwähnt wurde, weil sowohl die Radetzky-Brücke als auch der Sporn bei der Ein­mündung sehr seicht fundirt sind.

Hier wird man sich daher mit einer anderen Anlage, etwa mit Herstellung eines gemauerten Canal-Gerinnes am rechten Ufer begnügen müssen, in welchem die Schiffe von der letzten Schleusse bis in den Donau-Canal oder vice versa fahren.

Für diesen Zweck ist in der letzten Canalhaltung auch genügend Wasser vorhanden, da in dieselbe noch die Ablauf-Wasser des Wiener-Neustädter Canales etc. münden.

Uebrigens ist die Verbindung des Wien-Canales mit dem Donau-Canale gerade nicht von so grossem Werthe, weil die Frachten meistens im Wien-Canale selbst zur Ein- und Ausladung gelangen werden.

Die letzte Schleusse gegen den Donau-Canal müsste ferner mit einem Fluththore versehen werden, um das Eindringen der Donau-Hochwässer in den Schifffahrts-Canal zu verhindern.

---

Weiters wären die im Projecte angegebenen Regulirungen des Flusses z. B. unterhalb der Pilgram-Brücke, bei dem Schlachthause nächst der Schönbrunner-Linie, bei der eisernen Brücke zwischen Sechshaus und Meidling u. s. f. vorzunehmen, wobei schon auf alle jene Grundparcellirungen, Strassen- und Brücken-Anlagen, Niveau-Hebungen etc. Rücksicht genommen ist, welche bisher genehmigt oder vorgeschlagen wurden, und entweder schon in der Ausführung begriffen sind, oder erst ausgeführt wer­den sollen.

Für den Betrieb des Canales wären folgende Landungsstellen anzulegen, und zwar :

1.   Unterhalb der Stuben-Brücke am rechten Ufer, von wo auch vielleicht eine Geleise-Verbindung zum Hauptmauth-Bahnhofe hergestellt werden könnte, um Kohle und andere Frachten leicht zu den Schiffen zu bringen. – Auf diesem Geleise könnten die Wägen entweder nur zur Nachtzeit oder zeitlich Früh mit Pfer­den befördert werden, um keine Störung in dem Strassenverkehr hervorzurufen.

2.   Oberhalb der Elisabeth-Brücke am rechten Ufer, nament­lich wegen Zuführung von Victualien etc. für den dortigen Markt.

3.   In Margarethen gleich unterhalb der Pilgram-Brücke am rechten Ufer, besonders zur Holzzufuhr.

4.   Vor der Schönbrunner-Linie, in der Nähe des Gaso­meters am rechten Ufer, für Zufuhr von Holz und namentlich Kohle.

5.   Zwischen Sechshaus und Meidling, in der Nähe der eiser­nen Brücke am linken Ufer.

6.   Zwischen Penzing und Hietzing, in der Nähe der Ketten­brücke am rechten Ufer.

7.   Im Reservoire bei Ober-St. Veit an beiden Ufern.

8.   In Hütteldorf zwischen der Bahnstation und dem Brau­hause am linken Ufer.

9.   Im Reservoir beim Auhofe an beiden Ufern, hauptsächlich zur Verladung von Brennholz.

10.   Im Reservoire bei Purkersdorf, als Endhafen zur Ver­ladung von Brennholz, Steine, Schotter etc, woselbst auch eine Geleiseverbindung zum Bahnhof hergestellt werden könnte.

Es kann hier nicht der Ort sein, noch näher in die Details der Canalbauten oder in jene der Wehren, Schleussen, Brücken etc. einzugehen, sondern muss diess dem Special-Projecte Vorbehalten bleiben.

Da die Schiffe hauptsächlich für den Transport von Brennholz, Steine, Schotter, Kohle elc. dienen sollen, so muss deren Ladungsfähigkeit doch nahe 2000 Zoll-Ctr. = 100.000 Kilogramm betragen, um die Fahrten einigermassen rentabel zu machen.

(Anm: Die erfolgende Bestimmung der Dimensionen der Schiffe und Schleussen wurde nicht hierher übertragen)

Endlich muss noch erwähnt werden, dass es nach der Ver­fassung des vorliegenden Projectes auch möglich ist, die Canal­herstellung vorerst ganz wegzulassen und später einmal auszu­führen, wenn selbe der grösseren Kosten oder anderer Umstände wegen gegenwärtig nicht oppurtun erscheinen sollte. Es verbleibt dann nur die Herstellung der Reservoirs und der Wasserleitun­gen, sonach die Versorgung der Vororte mit Wasser, ferner die Verbesserung des Flusslaufes, was wohl der hauptsächlichste Zweck ist.

(Anm: Die erfolgende Berechnung von Frachten-Quantitäten wurde nicht hierher übertragen.)

Was nun die herzustellenden Wasserleitungen betrifft, so müssten selbe wie schon gesagt, bei dem letzten Hauptreservoir nächst Ober-St.-Veit beginnen und an beiden Ufern der Wien u. z. in den hiezu geeigneten Strassen abwärts, etwa bis zu den Linienwällen gelegt werden; jedoch sollen diese Leitungen nicht unmittelbar von dem Hauptreservoir abzweigen, sondern von einem daneben angelegten kleineren und überdeckten Bassin, um eine Verunreinigung des Wassers oder ein Eindringen von fremden Bestandtheilen in die Leitung zu verhindern und selbe auch vor anfälligen Wirkungen der Hochwässer zu schützen. Dieses kleine Bassin soll ferner so angelegt sein, dass es von dem grossen durch Schützen etc. ganz abgeschlossen und eventuell dazwischen auch noch eine Filtrir-Vorrichtung angebracht werden kann. Die Haupt­röhren sollen einen inneren Durchmesser von 30 Zoll haben, wo­mit wohl für alle Fälle selbst in Zukunft ausgereicht werden dürfte und von welchen darin die einzelnen Nebenleitungen in die Fabriken etc. je nach Bedarf abzweigen können.

Ebenso müsste von dem letzten Bassin der jetzt bestehende Mühlbach zum Betriebe der Feldmühle und der Mühle in Hiet­zing abgeleitet werden, wenn es nicht etwa ausführbar erschei­nen würde, diese Etablissements mit Turbinen zu betreiben und für selbe das Wasser ebenfalls in Röhren zuzuführen.

Von jenen Industrien, die das Wasser bei ihren Verrich­tungen nicht verunreinigen oder verschlechtern, kann dasselbe wieder in den Canal zurückgeleitet werden, von allen übrigen dürfte es aber nicht mehr dahin kommen, sondern soll in die bestehenden Unrathscanäle ablaufen, wodurch diese unter Einem auch gut ausgespült werden würden.

Die Länge der Hauptröhren-Leitungen wird nahe 4000° be­tragen und unterliegt es keinem Anstande, dieselben auch noch weiter in die Stadt fortzulegen, ja man könnte aus jeder Canalhaltung wieder Röhrenleitungen für die tiefer liegenden Bezirke abzweigen und diese Wässer für manche Industrien und öffent­liche Zwecke benutzbar machen.

Ausser den Linien und Vororten würden aber eventuell selbst neue Wasserwerke angelegt und die noch bestehenden we­sentlich verbessert werden können. Endlich wird das Wasser des Canales auch noch für die Agricultur, für Bespritzung der Stras­sen, Gärten etc. wesentlichen Nutzen gewähren.

Quellen:
Atzinger, Franz; Grave, Heinrich: Geschichte und Verhältnisse des Wien-Flusses sowie Anträge für die Regulirung und Nutzbarmachung mit Rücksichtnahme auf die jetzigen allgemeinen und localen Anforderungen, Wien 1874

Übertragen von hojos
im Dezember 2014