Die Pfarrkirche Ober St.Veit

("Maria, Zuflucht der Sünder", "St. Veit"), Wolfrathplatz 1, Urkundl. zw. 1260 und 1298, Matthias Gerl d. J. 1742-45
1745

Baugeschichte

Einer der eindrucksvollsten Sakralbauten des 13. Bezirkes ist die in bevorzugter Lage auf einem Hügel gelegene Pfarrkirche von Ober-St. Veit.

Die Anfänge einer Kirchenanlage an dieser Stelle reichen in das 12. Jahrhundert zurück. Die früheste – indirekte – urkundliche Nennung einer Pfarre St. Veit, und damit auch einer zugehörigen Kirche, ist der zwischen 1260 und 1298 verfasste Brief des Pfarrers Helias von St. Veit an den Amtmann von Baumgarten.

Die noch unter dem Chor existierende Unterkirche stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von diesem frühesten Bau. Sie weist über einem mächtigen polygonalen Mittelpfeiler ein Kreuzgewölbe auf. Um 1800 war sie noch eine geweihte Kapelle, in der sich Altarfiguren der Gottesmutter und des hl. Johannes befanden. Der Altartisch stammt aus dem Jahr 1745. 1904 wurde die Verbindung mit der Oberkirche abgemauert.

Die Ober St. Veiter Pfarrkirche. Die Unterkirche, fotografiert am 23. Mai 2003 © Archiv 1133.at
<p><b>Die Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Die Unterkirche, fotografiert am 23. Mai 2003</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Der Grundriss des 1433 von dem Patronatsherrn Dompropst Wilhelm Tuers neu erbauten Gotteshauses, das nur ein zweijochiges Langhaus besaß, ist durch eine Bauaufnahme von Matthias Gerl überliefert.

Ursprünglich stand die an drei Seiten von einer Böschungsmauer umgebene Kirche frei an der Ostseite einer nicht mehr erhaltenen Burg. Die zum Teil noch sichtbare, pfeilergestützte Mauer besaß einen Wehrgang und Schießscharten, welche teilweise noch bis zum Neubau des Pfarrhofes (1962) erkennbar waren.

Nach der Zerstörung durch die Türken erfolgte 1535 durch Bischof Fabri eine Restaurierung des Gotteshauses, 1609/10 kam es zur Errichtung des St. Anna-, St. Johannes- und Liebfrauenaltares. 1553 und 1615 wurden neue Glocken installiert.

Der h. Bau geht auf das Jahr 1742 zurück und wurde nach Plänen des Wiener Hofbaumeisters Matthias Gerl d. J. in dreijähriger Bauzeit errichtet. Interessanterweise befindet sich in der Stuttgarter Sammlung Nicolai eine Zeichnung des Kirchturmes "von St. Veit, drei Stunden von Wien" aus dem Jahr 1746. Die Bauaufsicht führte der erzbischöfliche Zier- und Lustgärtner Anton Mayr. Die gesamte Gemeinde leistete für den Kirchenbau sogenannte Hand- und Zugdienste, das sind leichte Hilfsarbeiten, um den Patronatsherrn, den Wiener Erzbischof Kardinal Sigmund Graf Kollonitsch finanziell zu entlasten. Sein Wappen ist im Giebelfeld des Südeinganges zu sehen. Die Weihe des Gotteshauses fand am 22. 8. 1745 statt.

Matthias Gerl war durch den damals noch bestehenden Westturm des Schlosses und den gotischen Chor mit daran nordöstlich angesetztem Kirchturm in seinen Gestaltungsmöglichkeiten eingeengt. In einem fortgeschrittenen Planungsstadium verzichtete er auf den Westturm, sodass er den Zentralraum erweitern konnte.

1887 erfolgte eine umfassende Renovierung des gesamten Kirchengebäudes; 1895 wurden die Petroleumlampen entfernt und durch Gaslicht ersetzt.

Die Veränderungen des Kircheninneren, die Pfarrer H. Riedl zwischen 1901 und 1908 vornahm, existieren teilweise noch und sind nicht unumstritten. So wurde die ehemalige Friedhofssakristei 1902 zur Antoniuskapelle ausgebaut, später der Abgang in die Krypta zugemauert und der leider stilistisch nicht passende Fußboden im Mittel- und Quergang gelegt. Für die beiden großen Seitenfenster im Kirchenschiff ließ er neue Buntglasfenster malen. Sie wurden von den Familien Rohrbacher und Glasauer gestiftet und bestanden dort bis 1958. Ein kleiner Ausschnitt aus einem der beiden Fenster befindet sich als Wandschmuck im größten Raum des St. Vitus-Hauses.

1994/95 konnte die dringend notwendige Fassadenrenovierung der Pfarrkirche durchgeführt werden.

1965 wurde an die Nordseite des Langhauses eine Taufkapelle nach Plänen von Georg Lippert angebaut. Sie diente auch als Beichtkapelle und Gottesdienststätte für die Werktage.

1994 wurde an ihrer Stelle ein Kapellenneubau errichtet. Die Pläne stammen von Hermann Bauer. Die im Vergleich zum alten Bau gegen Norden vergrößerte Kapelle ist sowohl vom Kircheninneren als auch über eine vom Kirchenzugang erreichbare, verglaste Verbindung zu betreten. Die Öffnungszeiten der Kapelle sind somit von jenen der Pfarrkirche unabhängig. Das Verhältnis der Deckenhöhe zur Wandhöhe ist nach dem goldenen Schnitt berechnet; die Holzkonstruktion der gestuften Decke ist sichtbar. Der halbkreisförmige, gemauerte und von zwei vorgestellten Säulen flankierte Altarraum liegt im Mittelteil der verglasten Nordfassade und erhält indirektes, natürliches Licht von oben. Der Kapellenboden ist mit griechischem Marmor ausgelegt. Der Altarunterteil aus Wachauer Marmor weist auf der Stirnseite zwölf reliefierte Figuren auf, die die zwölf Apostel, im weiteren Sinn das Volk Gottes darstellen. Der Ambo aus gleichem Material zeigt den Auferstandenen mit den Emmausjüngern. Altar und Ambo stammen von dem Lienzer Künstler Peter Niedertscheider. Der Taufbrunnen ist eine Arbeit aus dem 19. Jahrhundert.

Blick in die Kapelle der Ober St. Veiter Pfarrkirche. Fotografiert am 23. Mai 2003 © Archiv 1133.at
<p><b>Blick in die Kapelle der Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Fotografiert am 23. Mai 2003</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Baubeschreibung

Außenansicht

Das Äußere des barocken Baues überzeugt durch ausgewogene Proportionen der einzelnen Baukörper und ihrer Stellung zueinander. Überhöhtes Haupthaus mit Ziegelwalmdach, Chor und Turm bilden trotz verschiedener Stilmerkmale eine wirkungsvoll gestaltete Einheit. Der polygonale Chor mit 5/8-Schluß und Strebepfeilern deutet auf den gotischen Ursprung, während die Betonung des zentralen Haupthauses sowie die Turmbekrönung typische Elemente aus der Barockzeit sind. Der Turm über viereckigem Grundriss weist an jeder Seite ein rundbogiges Schallfenster auf und ist an den Außenkanten durch Lisenen sowie im obersten Teil durch Pilaster eingefasst. Die Unterteilung in Geschoße und die Fensteröffnungen stimmen mit dem alten Turm aus 1433 überein (siehe Stich von Matthäus Vischer aus 1672.

Sanct Veith an der Wienn, 1680. Georg Mathaeus Vischer (1626–1696). Kupferstich aus Topographia Austriae Inferioris, 1920 abgezogen von der Original-Kupferplatte der Ausgabe 1680. Die erste Ausgabe der zahlreichen Ansichten entstand 1672 bis 1679 in drei übereinstimmenden Varianten, wobei die zweite und dritte Variante zusätzliche Ansichten enthielten. Die zweite, nach 1680 verteilte Ausgabe hatte auch ein alphabetisches Ortsverzeichnis und eine zusätzliche Plattenzählung links oben. © Archiv 1133.at
<p><b>Sanct Veith an der Wienn, 1680</b></p><p>Georg Mathaeus Vischer (1626–1696). Kupferstich aus Topographia Austriae Inferioris, 1920 abgezogen von der Original-Kupferplatte der Ausgabe 1680. Die erste Ausgabe der zahlreichen Ansichten entstand 1672 bis 1679 in drei übereinstimmenden Varianten, wobei die zweite und dritte Variante zusätzliche Ansichten enthielten. Die zweite, nach 1680 verteilte Ausgabe hatte auch ein alphabetisches Ortsverzeichnis und eine zusätzliche Plattenzählung links oben.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
Die Ober St. Veiter Pfarrkirche. Fotografiert am 26. April 2009 © Archiv 1133.at
<p><b>Die Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Fotografiert am 26. April 2009</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Gebälk und Gesimse umschließen in Auswölbungen die Turmuhren. 1990 konnte die Inschrift an der fast unzugänglichen, zuoberst angebrachten Glocke entziffert werden. Sie lautet: "MDCLXXXXV GOSS MICH JOHANN KIPPO K. STVCK HAUBTMANN V.G. IN WIENN". Damit ist sie um 50 Jahre älter als der barocke Kirchenbau; sie dürfte daher schon im gotischen Kirchturm gehangen sein.

Die formale Geschlossenheit des Baues wird durch Details, wie das profilierte Kranzgesimse an den Fassaden der Seitenwände, des Turmes und des Chores mit seinen von Voluten bekrönten Strebepfeilern, unterstützt.

Inneres

Der Eingang befindet sich an der Westseite im Verbindungstrakt zwischen Kirche und Schloss. Man gelangt zunächst in das einschiffige, überhöhte Langhaus mit quadratischem Grundriss, bei dessen Anlage der Zentralbaugedanke deutlich mitspielt und das von einer flachen, über vier Gurtbogen errichteten Kuppel bekrönt wird. Im anschließenden Chor ist der Altarraum um eine Stufe erhöht und wird seitlich von zwei Oratorien mit geschwungener Brüstung begrenzt. Die Decke des Chores ist durch Gurtbögen in zwei tonnengewölbte Felder geteilt.

Die Belichtung der Kirche erfolgt durch je ein Rundbogenfenster im Norden und Süden des Langhauses, durch drei Segmentbogenfenster im Chor, zwei im Osten, eines im Süden, und, besonders eindrucksvoll, durch ein gelb verglastes Rundfenster, das in den Altarraum einbezogen ist. Der Wandaufbau des Hochaltares ist aus rotem und grünem Marmorstuck gefertigt. Auf einem zweigeschoßigen Sockel ruhen links und rechts je zwei graue Säulen, dazwischen befinden sich überlebensgroße, aus Gips gefertigte Statuen, links der hl. Sebastian, rechts der hl. Florian. Über dem Gebälk, das auf den Säulen ruht, sieht man vor dem gelben Rundfenster eine Taube in Glorie. Das Altarbild zwischen den Säulen stellt das Martyrium des hl. Vitus (Veit) dar und wurde 1745 von Franz Anton Tschungko gemalt. Dem Altaraufbau ist eine marmorierte Mensa mit dem Tabernakel vorgelagert. Dieser war bis zur Umgestaltung durch Pfarrer H. Riedl (1901–1908) ein vergoldeter, barocker Drehtabernakel aus Holz. Links und rechts knien vergoldete Engel. Auf der etwas vertieften Türe des Tabernakels befindet sich ein vergoldetes Kreuz. Bekrönt werden Tabernakel und Mensaaufbau vom Bild "Maria, Zuflucht der Sünder", einer Kopie jenes Bildes, das der 1716 in Neapel verstorbene Jesuitenpater Franz de Hieronymo auf seinen Missionsfahrten mit sich führte. Vor dem Hochaltar steht in Form eines Holztisches ein einfacher Volksaltar.

Das Innere der Ober St. Veiter Pfarrkirche. Fotografiert am 23. Mai 2003 © Archiv 1133.at
<p><b>Das Innere der Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Fotografiert am 23. Mai 2003</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Im Zentralraum stehen an den vier übereckgestellten Pfeilern Seitenaltäre, vorne links ein Marienaltar, rechts ein Josefsaltar. Die Altarbilder wurden 1744 von Gaetano de Rosa gemalt und zuletzt 1984 restauriert. Hinten rechts steht ein Annenaltar. Sein Bild stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von Fra Augustinus a San Luca. Am Altar hinten links ersetzt eine Skulpturengruppe, die Christus am Kreuz mit seiner Mutter und dem hl. Johannes darstellt, das Altarblatt.

Die Kanzel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts besteht aus marmoriertem Holz und ist reich verziert. In den drei Seitenflächen befinden sich vergoldete Reliefs: Auf dem an der Vorderseite angebrachten überträgt Christus den Jüngern das Apostelamt, die linke Seite zeigt den hl. Paulus, die rechte den hl. Petrus. Das Relief an der Rückwand stellt das Martyrium des hl. Vitus dar. Der Baldachin der Kanzel wird von einer Statuengruppe mit Christus und den vier Evangelisten bekrönt.

Die Kanzel der Ober St. Veiter Pfarrkirche. Fotografiert am 23. Mai 2003 © Archiv 1133.at
<p><b>Die Kanzel der Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Fotografiert am 23. Mai 2003</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Die erste Orgel war ein Geschenk der Herrschaft des Schlosses Hadersdorf und als Provisorium gedacht. Sie war dann 118 Jahre lang in Verwendung, bis 1864 ein neues Instrument angeschafft werden konnte. Dieses war Ende der 1920er-Jahre in so schlechtem Zustand, dass 1932 bei dem Orgelbauer Johann Kauffmann eine neue Orgel in Auftrag gegeben wurde. Auf ihr wird bis jetzt gespielt. Sie besitzt 15 Register, zwei Manuale und ca. 550 Pfeifen.

Die Kreuzwegbilder hat ein unbekannter Maler um 1730 gemalt. Ihre letzte Restaurierung wurde in den Jahren 1983/84 durchgeführt.

Das Innere der Ober St. Veiter Pfarrkirche. Fotografiert am 23. Mai 2003 © Archiv 1133.at
<p><b>Das Innere der Ober St. Veiter Pfarrkirche</b></p><p>Fotografiert am 23. Mai 2003</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Quellen:
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band I 1996 S. 92 ff.

Übertragen von hojos
im Dezember 2012