Die Glocken der Pfarrkirche Ober St. Veit

16.09.2013

Im Turm der Ober St. Veiter Pfarrkirche hängen drei Glocken:

Große Glocke

Gußjahr 1745, 1600 kg, Durchmesser 135 cm, an den vier Himmelsrichtungen ist je ein gegossenes Halbrelief in Medaillongröße angebracht, darstellend 1. die Heiligste Dreifaltigkeit, 2. St. Leopold mit 2 Engeln, 3. Hl. Veit beim Martyrium im Kessel und 4. Christus am Ölberg. Aufschrift: „Durch das Feuer bin ich geflossen, Johann Joseph Pfrenger in Wienn hat mich gegossen Anno 1745“.

Mittlere Glocke

Gußjahr 1695 (stammt also noch von der Vorgängerkirche der jetzigen Barockkirche), 450 kg, Durchmesser 92 cm, Seitenverzierung 1. Kruzifix, 2. Madonna mit Kind. Aufschrift „MDCLXXXXV GOSS MICH JOHANN KIPPO K.STVCKHAUBTMANN V.G. IN WIENN“.

Kleine Glocke

Gußjahr 1724, 50 kg, Durchmesser 40 cm, zwei Halbreliefmedaillons, 1. Maria mit dem Mantel, 2. Christus am Kreuz. Aufschrift „Johann Baptist Dival goß mich in Wienn 1724“. Bei diesem Glöcklein handelt es sich um die ehemalige Sterbeglocke, die geläutet wurde, während die Leichenzüge von der Kirche zum (1908 aufgelassenen) Friedhof in der Auhofstraße (=heutiger Streckerpark) zogen.

Damit zählen die Glocken der Pfarre Ober St. Veit zu den wenigen noch erhaltenen Barockglocken.

Das Geläut

Leider sind nicht alle Glocken, die es früher in Glockenturm der Ober St. Veiter Pfarrkirche gab, erhalten. Eine Sendung von Radio Klassik Stephansdom, die sich mit dem Thema Glocke auseinander setzte, hat dies schmerzlich in Erinnerung gerufen. Im Allegro Magazin vom 26. Dezember 2018 war um ca. 8:42 Uhr im Rahmen der Serie „Kling, Glöckchen Klingelingeling“ auch etwas über das Geläut der Ober St. Veiter Pfarrkirche zu hören. Hier der ganze Beitrag:

Sie kennen sicherlich Fernsehshows wie „Dancing Stars“ oder „Deutschland sucht den Superstar“. Wer hätte gedacht, dass es nicht nur dort eine strenge Jury gibt, sondern auch in der Welt der Glocken. Glockenexperten bewerten den Glockenklang in all seinen Fassetten. Beginnend bei dem ersten Eindruck, der unmittelbar nach dem Klöppelanschlag entsteht, dem Schlagton, sowie den darauf folgenden Summtönen, die eine relativ lange Nachhalldauer aufweisen können. Aus Tongebung, Nachhall und Klangintensität ergibt sich das Klangbild der Glocke. Gefällt ihnen nicht, was sie hören, wird wenig zimperlich geurteilt, wie etwa bei der Pfarrkirche von Ober St. Veit, deren Geläut Experten als hässlichstes Geläut von Wien bezeichnen...

Nun, vorweg muss festgehalten werden, das diese ungnädige und nicht gerade weihnachtliche Botschaft eines öffentlichen Radiosenders unwürdig ist. Es dürfte sich dabei um eine von der Autorin verkürzt und zugespitzt wiedergegebene Aussage aus der Diplomarbeit von Bernhard Radschiner aus dem Jahr 2007 handeln (Die Glocke als Musikinstrument).

Eingeräumt werden muss allerdings, dass Konfiskationen während der beiden Weltkriege dem Ober St. Veiter Geläut arg zugesetzt haben. Der Verlust im Ersten Weltkrieg, als zwei der damals noch vorhandenen fünf Glocken aus der Barockzeit eingeschmolzen wurden, konnte noch klanglich ausgeglichen werden: Die Glocken wurden nachgegossen und am 17.5.1928 durch Kardinal Piffl eingeweiht.

Glockenweihe durch Friedrich Gustav Kardinal Piffl in Ober St. Veit. 17. Mai 1928 © Archiv Dr. Klötzl
<p><b>Glockenweihe durch Friedrich Gustav Kardinal Piffl in Ober St. Veit</b></p><p>17. Mai 1928</p><p><i>&copy; Archiv Dr. Klötzl</i></p>
Glockenweihe durch Friedrich Gustav Kardinal Piffl in Ober St. Veit. 17. Mai 1928 © Archiv Dr. Klötzl
<p><b>Glockenweihe durch Friedrich Gustav Kardinal Piffl in Ober St. Veit</b></p><p>17. Mai 1928</p><p><i>&copy; Archiv Dr. Klötzl</i></p>

Während des Zweiten Weltkrieges mussten aber – gemäß Pfarrchronik – im Jahr 1942 alle vier großen Glocken (also die zwei Barockglocken und die zwei nachgegossenen) abgegeben werden. Die beiden historischen Glocken blieben unversehrt und kamen 1945 an die Pfarre zurück, die beiden Glocken aus dem Jahr 1928 blieben jedoch verloren und wurden nicht mehr ersetzt. Somit ertönt im Normalbetrieb, z. B. vor den Messfeiern, ein Duett der beiden erhaltenen großen Glocken. Die 2er-Glocke alleine wird zur Ankündigung der Gebetszeiten, und zwar um 7 Uhr (Morgengebet/Laudes), um 12 Uhr (Mittagsgebet/Sext) und um 19 Uhr (Abendgebet/Vesper) geläutet. Dies geschieht in Anlehnung an die Gebetszeiten der Klöster.

Das Läuten der kleinsten Glocke, dem „Zügenglöcklein“ für die einstigen Begräbniszüge, ist nun seit einigen Jahren wieder in Anschluss an das 19-Uhr-Läuten zu hören und gilt dem Gedenken und Gebet für die Verstorbenen. Das unpassende gemeinsame Läuten sämtlicher Glocken war nur ganz vereinzelt zu hören.

Und wer weiß, vielleicht entsteht irgendwann der Wunsch, wieder ein volles Geläute in Ober St. Veit zu haben, und es konstituiert sich ein Glockenverein mit dieser Aufgabe. Technisch machbar ist es, denn die vor einigen Jahren erneuerte Glockensteuerung wurde sicherheitshalber auf fünf Glocken ausgelegt.

Quellen:
Vor allem Dr. Gebhard Klötzl

hojos
im September 2013, ergänzt im Dezember 2018 und Jänner 2019