Ist die Politik imstande, das Erbe des Ortsbildes zu erhalten?

Eine Stellungnahme von Eduard Issel/Immoinvest
16.11.2009

Wir sehen an vielen Beispielen, dass die Willenskundgebungen der Verantwortlichen in der Politik stark von der Realität abweichen. Beispiele dafür:

Einsiedeleigasse 4–6, ein klassisches Muster zu Ende geführten Umgebungsraubbaues. Ein trauriger Torso eines verwaschenen Willens zwischen vermeintlicher Pflege des Ortsbildes und Hingabe an privatwirtschaftliche Interessen. Keine Spur von anspruchsvoller Architektur.

Ein jüngeres Stadium des Umgebungsraubbaus scheint gerade die Liegenschaft Hietzinger Hauptstraße 170 zu durchlaufen, ein für das Ortsbild extrem wichtiges Gebäude. Alles deutet darauf hin, dass der Eigentümer kein Interesse an der Erhaltung des Gebäudes in der jetzigen Form hat. Die üblichen kleinen Verfallserscheinungen werden offensichtlich gerne in Kauf genommen (Schäden am Dach, an der Fassade, vernachlässigte Fenster, verstopfte Rinnen, Verblechungsschäden und ein seit Jahren zum extremen Schaden der Kaufmannschaft in Ober St. Veit leerstehendes Geschäft). Offensichtlich besteht seitens des Eigentümers kein Interesse an einer Neuvermietung, denn laut verlässlichen Informationen gab und gibt es viele Anfragen. Damit stellt sich die Frage, ob hier auf einen wirtschaftlichen oder technischen Abbruch hingearbeitet wird!

Es gibt noch zahlreiche weitere Gebäude, bei denen die Frage nach den wahren Interessen der Eigentümer zu stellen ist: Firmiangasse 21 (ein winziges, für das Ensemble wichtiges Haus), Glasauergasse 15, Rohrbacherstraße 29 etc. Überall deutliche Verfallserscheinungen durch offensichtliche Leerstehung seit Jahren.

Natürlich kann man nicht nur Unwillen der Eigentümer zur Erhaltung der eigenen Liegenschaften voraussetzen; es stellt sich auch die Frage, welche Hilfestellung die öffentliche Hand anbietet, wenn sie bestimmte Gebiete zu Schutzzonen erklärt. De facto gibt es derzeit kaum eine Hilfestellung, nur bloßes Zuschauen, um dann mit Bedauern festzustellen, dass dieses oder jenes Gebäude unrettbar verloren ist. Es müssen finanzielle Mittel für die Erhaltung von Gebäuden in den Schutzzonen bereitgestellt werden, wenn diese aus Eigenem nicht mehr erwirtschaftet werden können. Ein solcher Fördertopf würde auch zur wirtschaftlichen Belebung der örtlichen Handwerksbetriebe beitragen können (Stichwort „Konjunkturpakete“).

Das Hauptproblem liegt allerdings in den Flächenwidmungen, die in den Schutzzonen teilweise erheblich über den Bestand hinausgehen und damit der Spekulation Tür und Tor öffnen. Ein heißes politisches Eisen, und da nach der Wahl immer vor der Wahl ist, werden solche Dinge nicht zum Schutz der Schutzzonen verändert.

Aber auch außerhalb der Schutzzonen sind verheerende Dinge mit dem Ortsbild passiert. Mehrstöckige Häuser mit Mietskasernencharakter haben am Beginn der Fasangartengasse die letzten Grünlücken geschlossen. Die Frage stellt sich, welche Rolle die MA 19 (Stadtgestaltung) hier wahrnimmt. Dies trifft natürlich auch auf viele andere Gebäude zu, inklusive solcher, die vermeintlich modernen Ansprüchen gerecht werden wollen. Ein Beispiel ist das alle Relationen zur Umgebung missachtende Haus Ecke Jagdschloßgasse/Gobergasse vis-a-vis der weltberühmten Werkbundsiedlung. Ein Extrembeispiel ist der Komplex am Ende der Ghelengasse bei der Lindwurmwiese, wo die dicht verbundenen Gebäudetrakte einen Monolith in locker verbauter Umgebung bilden. Eine Ungeheuerlichkeit für jeden kleinen privaten Bauherren, der oft um Zentimeter streiten muss.

Abschließend ist noch auf die dringend zu beendende quasi „Narrenfreiheit“ der Plakatfirmen in den Schutzzonen hinzuweisen, aber auch die ortsbildresistente Haltung vieler Grundeigentümer, die ihre Liegenschaften mit Plastikplanen, Schilfmatten, Holzlatten etc. in bauordnungswidriger Weise abschotten. Der Zustand der Straßen und das fehlende Verkehrskonzept (z. B. Entfernung des Durchzugsverkehrs aus den historischen Ortskernen laut seit langem bestehendem Masterplan) ist nach wie vor ein totgeschwiegenes Problem. Das Empfinden für Ästhetik im Ortsbild und rasche kreative Lösungen bei Missständen sind im politischen Alltag – aus meiner Sicht – leider eine Seltenheit.

Eduard Issel
im November 2009