Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens

durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten etc. etc. topografisch-statistisch-genealogisch-historisch bearbeitet, und nach dem bestehenden Kreis-Vierteln alphabetisch gereihet. Von Franz Schweickhardt Ritter von Sickingen. Siebenter Band. Viertel unterm Wienerwald. Wien gedruckt bei den PP. Mechitaristen. 1833
1833

Die darin enthaltene Darstellung zu Ober St. Veit lautet:

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b) St. Veit (Ober-),

ein Pfarrdorf von 141 Häusern, eine Stunde von der Residenzstadt Wien unfern Schönbrunn am Wienflusse gelegen, welches zugleich eine Herrschaft bildet.

Kirche und Schule befinden sich im Orte. Das Patronat davon gehört dem Wiener Erzbisthume und die Pfarre in das Decanat Klosterneuburg. - Der hiesige Werbbezirk ist dem Lin. Inft. Regmte. Nro. 49 zugetheilt.

Das Landgericht, die Grund-, Orts- und Conscriptions-Obrigkeit ist die Herrschaft St. Veit.

Die Bevölkerung von hier beträgt 277 Familien, 589 männliche, 628 weibliche Personen und 315 Schulkinder. Der Viehstand umfasst 56 Pferde und 143 Kühe.

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Die Einwohner, größtentheils Kleinhäusler, sind Hauersleute, welche wenig Ackerbau, dagegen mehr die Weinpflege und hauptsächlich einen Milchhandel nach Wien treiben. Sie besitzen Hausgärten, jedoch haben sie nur wenig Obst. In guten Jahren ist der St. Veiter Wein als ein wohlschmeckender Gebirgswein gesucht, in schlechten Jahrgängen aber sauer und nur gering im Werthe. Das hiesige Klima ist sehr gesund aber scharf, und die Gegend starken Winden ausgesetzt. - Das Trinkwasser ist gut.

St. Veit liegt eine kleine halbe Stunde von Schönbrunn und Hietzing entfernt, von Wien aus in südwestlicher Richtung am Fuße eines Gebirges, wovon ein Theil zum kaiserlichen Thiergarten gehört. Das eine Ende vom Dorfe zieht sich bis an das rechte Ufer des Wienflusses hin, und stößt im Rücken an Hacking; der andere Theil davon hat eine ziemlich unebene, ja sogar nicht unbedeutend hügelige Lage am Gebirge. Die Häuser sind zusammengebaut, von Steinmaterial aufgeführt, meist nur in Erdgeschoßen bestehend und mit Schindeldächern versehen, und bilden mehrere unregelmäßige Gassen.

Das Ganze hat in einer großen Ausdehnung ein vollkommen ländliches Aussehen, daher die Lage von St. Veit sehr malerisch genannt werden darf.

Von dem Gebirge herab‘, nämlich von Süden nach Westen durchzieht den Ort zum Theil ein tiefer Waldgraben, der von Baumgruppen bewachsen ist, und in welchem ein unbedeutender Bach über Steingebilde hinweg rauschet; in der Mitte des Dorfes aber, so zu sagen die Hauptfronte bildend, steht an einer Anhöhe die schöne Pfarrkirche, und derselben zunächst das großartige fürstlich-erzbischöfliche Schloß, mit einem geschmackvollen englischen Garten. Da St. Veit ob dieser Vorzüge den Sommer über häufig besucht wird, so befinden sich nebst einem hübschen Kaffeehaus auch mehrere Gasthäuser hier, wovon jenes an der Anhöhe gelegene, wo vordem die Einsiedelei stand, eine vorzügliche Erwähnung verdient.

Bevor wir zur Beschreibung der Pfarrkirche und überhaupt

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zur Geschichte von St. Veit übergehen, sei es uns gegönnt, einige Umrisse von der hiesigen Lage und der pitoresken Aussicht den verehrten Lesern mitzutheilen.

Diese ist von allen Seiten hin wunderschön zu nennen. Von Hietzing aus, dem belebtesten aller Orte der nahen Umgebung Wiens, bieten seine letzten umherliegenden Landhäuser durch die Anmuth ihrer ländlichen Bauart und der üppigsten Gärten dem Fremden eine liebliche Wanderung; alsbald hat er das nahe Unter-St. Veit erreicht, und es beginnt eine frische Pappelallee, die kaum merklich bergan zum Dorfe Ober St. Veit führt. Auf diesem Wege bleibt die Aussicht links gegen Lainz und Speising und rechts gegen Baumgarten über den Wienfluß und Hütteldorf frei. Ein zweiter Weg führt hierher über Hietzing und mehr links durch Speising, der überaus angenehm ist, und ein dritter kann von Hütteldorf aus über den Wienfluß, wo ein Gehsteig besteht, Hacking entlang, nach St. Veit eingeschlagen werden, nicht geringer an Anmuth und ländlicher Schönheit als die vorigen, und ein jeder dieser Wege beträgt von den genannten Ortschaften kaum eine halbe Stunde.

Im Dorfe selbst ist die Pfarrkirche und das herrschaftliche Schloß der Beschauung werth. Letztere ist im Baustyle des XVIII. Jahrhunderts aufgeführt, bildet eine große Hauptfronte und enthält zwei Stockwerke, einen geräumigen Hof in Quadratform, dann viele schöne Gemächer. Im Rücken desselben ist ein englischer Park von großem Umfange angelegt, der sich durch den letzten verehrten Herrn Fürst-Erzbischof Grafen von Firmian einer ganz neuen Anlage zu erfreuen hatte. An der rechten Seite ist ein Teich angebracht, weiterhin stehen einige Glashäuser, das übrige füllen gut angebrachte Wege, Baumgruppen und Blumenbeete in guter Zeichnung aus. Es prangt gegenwärtig in schöner Fülle üppigen Wachsthumes, und spendet dem Eintretenden, da der freie Besuch Jedermann erlaubt ist, viele Freude und Erquickung. Überraschend ist auch die nahe Aussicht gegen Hütteldorf, Baumgarten, Penzing etc. etc..

Die Pfarrkirche, welche hart am Schlosse gleich diesem

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auf dem Vorsprunge eines Hügels und mit ihm in Verbindung steht, zu der man über mehrere Stufen gelangt, hat ein imposantes Ansehen, vorzüglich der schöne Thurm. Wie sie gegenwärtig besteht, wurde sie an der Stelle der alten Kirche von dem Kardinal und gewesenen Erzbischofe von Wien, Sigmund Grafen von Collonitz im Jahre 1742 gebaut, und im Jahre 1745 vollendet, wie die im Presbyterio aufgestellte Consecrations-Bulle zeiget. Das Kirchengebäude ist ziemlich groß, licht, von schöner Bauart und noch in ganz gutem Stande, in Form einer Kuppel gebaut: es hat ein geräumiges Presbyterium, mehrere kleine und ein großes Oratorium, in welches man vom Schlosse aus gelangt. Die Rückseite des Presbyteriums, welche dem Dorfe zugewendet steht, ist noch ein Überbleibsel des alten Kirchenbaues vom Jahre 1433, welchen man bei dem neue Bau benützte, was auch sogleich durch seine alterthümliche Form und die daranstehenden mächtigen Strebepfeiler erkenntlich wird. Eine rothe Marmortafel an einem dieser Stützpfeiler enthält die gothische Inschrift: Anno Domini MCCCCXXXIII. Fundatum est templum hoc a Domini Wilhelmo Tuers, Praeposito Vienne. Daraus geht hervor, dass die alte Pfarrkirche im Jahre 1433 Wilhelm Tuers, welcher ein Freiherr von Aspern, Domprobst bei St. Stephan in Wien, und damals Besitzer dieses Kirchenlehens war, erbauen ließ.

Das Innere der Kirche schmückt ein Hochaltar zu Ehren des heiligen Veit, welcher zierlich von Marmor gearbeitet ist, mit vier Säulen und mit Statuen zu beiden Seiten desselben, der h. Florian und Sebastian, dann vier Seitenaltäre, wovon der erst der seligen Jungfrau Maria, der zweite dem heil. Joseph, Nährvater unseres Heilandes, der dritte der heil. Mutter Anna und der vierte der Kreuzerhöhung geweiht ist. Sowohl das Hochaltarblatt als die übrigen Gemälde bei den Seitenaltären sind ohne alle Kunst. Am Hochaltar ist ein Marienbild von dem Cardinal Collonitsch ausgesetzt worden, welches der Jesuit Ferdinand

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Steyrer gewöhnlich bei seinen Missionen in den entfernten Welttheilen bei sich hatte.

Unter dem Presbyterium der gegenwärtigen Kirche befindet sich unterirdisch eine Capelle, welche, da sie deutliche Spuren ihrer Consecrirung trägt, ehemals zum Gottesdienste verwendet worden zu seyn scheint. Am Boden in der Kirche ist eine Fallthüre die über 13 Stufen hinab in das alte Kirchlein führt, dessen uralter Styl das graue Alterthum in jeder Form bekräftiget. Ein großer Mittelpfeiler stützt dieses Gewölbe, welches vormals größer gewesen, und beim Umbau der Kirche zum Theil verschüttet worden seyn soll. Mehrere Schriftsteller geben an, dass diese ehrwürdige Halle die ursprüngliche Kirche war; wir widersprechen dieser Angabe aus das Bestimmteste, und behaupten, dass diese unterirdische Capelle eigens unter der alten Kirche gebaut wurde, um die Todten beizusetzen, woselbst gewöhnlich für die Verstorbenen Gottesdienst gehalten ward, daher die Spuren der Consecration, wie dies auch der Fall mit den unterirdischen Capellen bei Bertholdsdorf und Medling war. Wer die Sitten und Gebräuche aus dem X. bis in das XVII. Jahrhundert genau untersucht hat, der wird genau wissen, dass unsere Vorfahren die Kirchen nicht unterirdisch, sondern vielmehr, wo es nur geschehen konnte, auf Anhöhen hinbauten; dieß liegt auch im natürlichen Begriffe der Religion, dass man die Verehrung Gottes nicht in Kellern, sondern an erhabnen Plätzen in lichten und hohen Gebäuden, die als Tempel dienten, verrichtet; und fürwahr, die Alten verstanden und beobachteten diese Regel sehr gut, wofür die Denkmale alter Kirchen kräftiger Beweis sind, die uns der herrlichen Bauart wegen noch in Staunen versetzen, und dergleichen leider die neuere so aufgeklärte Zeit! – nicht aufzuweisen hat.

Die Kirche aber, welche 1433 erbaut wurde, war nicht die ganz alte; denn schon zu Heinrich Jasomirgotts Zeiten (1158) war zu St. Veit, nach dem Zeugnisse einer alten Chronik, eine Pfarrkirche vorhanden, die bis in das XV. Jahr-

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-hundert gestanden haben mag, und von der auch die alte Capelle herstammt.

Der geräumige Leichenhof für alle zur hiesigen Kirche gehörigen Gläubigen befindet sich außer dem Dorfe gegen den Wienfluß zu, in dessen Mitte ober einer Gruft eine kleine Bethcapelle steht.

Zur Pfarre gehören Ober- und Unter- St. Veit, letzteres ½ Stunde und Hacking ½ Stunde entfernt.

Der Gottesdienst wird nur von einem Pfarrer versehen.

Nebst der Pfarrkirche, dem Schlosse und zwei Mühlen, nämlich der Neu- und Feldmühle, welche an einem Bache stehen, der aus dem Wienflusse abgeleitet wird, verdient auch noch das Gasthaus im Betreff der überaus schönen Lage, wo ehedem auf dem Berge die Einsiedelei stand, eine kurze Schilderung. Dazu führt ein Weg feldeinwärts von Lainz, mehr bergan in einigen Krümmungen wohl ¼ Stunde bis zu einer ziemlich hohen Berganlage, die „Einsiedelei“ genannt, welche gegenwärtig in einem ein Stock hohen Gebäude mit einem Thürmchen besteht, welches das Gasthaus ist, vor Zeiten aber der Aufenthaltsort eines Einsiedlers war.

Der Weg dahin ist sehr reizend, je mehr man die Anhöhe gewinnt, desto schönere Partien gewahrt das Auge. So erblickt man zuerst die ganze zerstreute Dorflage mit der Kirche und dem Schlosse auf einem Gebirgsvorsprunge; im Hintergrunde des Orts gegen den Thiergarten und die Berganhöhen eröffnet sich eine anmuthige Gegend, gleichsam übersät von den verschiedenartigsten Abwechselungen zwischen Rebenpflanzungen, Baumgruppen, und andern romantischen Anlagen, welche die Natur hier so reichlich bietet, und in der an der linken Seite einige friedliche Landhäuschen den Reiz erhöhen. Hat man den obern Theil des Berges erreicht, so befindet man sich in der das Gasthaus umgebenden Anlage, welche sehr niedlich und freundlich gestaltet ist. Hier breitet sich über nahe und ferne Gegenden eine seltene Fernsicht aus, die höchst überraschend sich darstellt. Zu den Fü-

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ßen liegt das Dorf St. Veit mit den meisten Häusern und Hütten sichtbar, ein Theil von Hütteldorf am gegenüber gelegenen Gebirge taucht aus der Tiefe auf, weiter rechts hin der Kahlenberg mit dem Schlosse, an welches sich sofort die freie Aussicht über das Marchfeld bis am fernen Horizonte an die mährischen Gebirge erstreckt; schweift das Auge noch mehr rechts, so übersieht es gleich wie im Dunstkreise die herrliche Kaiserstadt in ihrer ganzen Majestät, in ihrer vollkommenen Größe und Pracht, welches überraschende Bild wirklich Bewunderung und Staunen erregt. Näher als der hohe Kaisersitz, gewahrt man in hellen Umrissen die Gloriette von Schönbrunn, die ausgebreitete Dorfschaft Penzing und ihre uralte St. Jacobskirche; zunächst unserm Standpuncte aber im Thale über Wiesen, Felder und Weinberge hinweg, schweift der Blick von Lainz bis gegen die Mauer, und über die ganze große Fläche östlich über Vösendorf, Lachsenburg etc. etc., entlang mit den ungrischen Grenzgebirgen, welche das großartige Bild umsäumen, wird die Fernsicht so klar, dass man bei heiterem Wetter sogar die Lage von Pressburg ausnehmen kann.

Diese seltene Schönheit, eine große Strecke Landschaft vor Augen zu haben, und in der nahen Umgebung, wohin man sich auch wenden mag, einen großen Reichthum in der üppigsten Fülle der Natur zu erblicken, dieß sind Gegenstände, die ein fühlendes Herz mit innigster Dankbarkeit gegen den mächtigen Weltenlenker erfüllen müssen, der so Alles zur Freude des Menschen schuf.

Indem wir uns von diesem Gegenstande abwenden, und die Geschichte von St. Veit auffassen, bemerken wir, dass dieser Ort zu den ältesten Dorfschaften des gesegneten Vaterlandes gehöret. Er blühte schon in der ersten Periode der Regenten Österreichs aus dem Hause Babenberg und war ein Eigenthum derselben. Wir glauben, dass zuerst hier eine Capelle gestanden habe, für die frommen Gläubigen der ganzen Umgegend, die dem heil. Vitus geweiht war, um welche sich dann Bewohner ansiedelten, wodurch der Ort St. Veit entstand

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und den Namen von dem Gotteshause bekam. Sehr natürlich war hier zugleich die Pfarrkirche des neu entstandenen Dorfes. Es wird auch berichtet, dass, als Heinrich Jasormirgott den Krieg gegen die vereinten Beherrscher von Böhmen, Mähren und Kärnthen (?) zu bestehen hatte (1174 – 1177), die letzteren bis an dieses Dorf vorgedrungen seyn sollen, welche dasselbe in Brand steckten, wodurch 300 Menschen, die sich in die Kirche flüchteten, bei dieser Gelegenheit um das Leben kamen. Wir kennen aus der Landesgeschichte keine solche Bedrängniß, welche die Kärnthner unserm Herzog Heinrich hier in dem Marke seines Landes zugefügt haben sollten; doch wollen wir glauben, dass St. Veit, durch andere unglückliche Ereignisse, die uns unbekannt sind, zerstört worden, und dadurch auf 200 Jahre gleichsam öde geworden seyn kann. Der Name erhielt sich inzwischen und der Ort erscheint im XV. Jahrhundert wieder blühend unter der Benennung: „St. Veit an der Au,“ wahrscheinlich von jener Au, die sich am Wienflusse hinzog, und erst vor zwei Decennien ganz ausgehauen worden ist. Rudolph IV. übergab seiner neu gestifteten Propstei bei St. Stephan in einem eigenen Schenkungsbriefe diesen Ort sammt der Veste bei St. Veit an der Wien und dem Kirchenlehen, woraus erhellet, dass auch damals schon ein Schloß hier vorhanden war. Zugleich hatten die Einwohner an den damaligen Probst Johann Mayerhoffer die Bitte gestellt, die schon in der Vorzeit bestandene Pfarre wieder herzustellen, welche ihnen auch gewährt wurde; bald darnach fällt die Zeit des Baues der neuen Kirche im Jahre 1433, wie schon oben berichtet wurde, die ganz gothischen Styls und deren Gewölbe von sieben Pfeilern gestützt war.

Der Ort selbst mag ein Eigenthum anderer Privatpersonen geworden seyn, denn es scheint, dass die obige Stiftung nicht zu Stande kam, übrigens auch weil im Jahre 1454 Stephan von Tepel dem Domcapitel in Wien seinen ihm zugehörigen Antheil in der Urkunde, „Ortschaft“ genannt, zum Geschenke machte, welche Schenkung auch von dem Könige Ladislaus bestätigt wurde (k.k. Hofkammer-Archiv).

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Herzog Leopold der Glorreiche war schon im Jahre 1207 bedacht, in Wien einen bischöflichen Sitz zu gründen. Diesen Plan auszuführen wiederholte Friedrich der Streitbare im Jahre 1245 und Albert I. 1306; Erzherzog Rudolph IV. wollte sogar es dahin bringen, dass das Bisthum von Passau hierher gezogen würde; obschon diese Bemühungen vereitelt wurden, so gelang es doch endlich Kaiser Friedrich IV., im Jahre 1468 bei seiner persönlichen Anwesenheit im Rom vom Papste Paul II., die Errichtung eines Bisthums zu Wien zu erwirken. Der damalige Dompropst musste daher den Ort St. Veit sammt dem Pfarrlehen dem Kaiser feierlich abtreten, weil dieser damit das neue Bisthum dotiren wollte, welches aber erst 1480 zu Stande kam. Seit dieser Zeit gehört auch das Patronatsrecht über diese Kirche den Bischöfen und nunmehrigen Erzbischöfen von Wien.

St. Veit musste auch so manches Unglück durch Kriegsnoth und andere harte Bedrängnisse erleiden. Der Ungern König, Mathias Corvinus, wollte St. Veit belagern (1483 und 1484), doch getraute sich der damalige Schloßhauptmann nicht, es zu vertheidigen und übergab dasselbe; es wurde daher von den ungrischen Kriegsvölkern besetzt, gänzlich ausgeplündert, und da man diesen Punct für wichtig und haltbar hielt, so ward es mit Gräben etc. etc. stark befestigt. Doch blieben damals Ort und Kirche vor Brand und Verwüstung verschont. Schrecklicher wurde dagegen von den Türken 1529 gehaust, die den Ort vorerst ausraubten, dann mit dem Schloße in Brand steckten. Die Verwüstungen waren wirklich furchtbar, wodurch der Ort sehr herabsank; ein gleiches Schicksal bereitete der zweite Einfall dieser Barbaren, im Jahre 1683. Kaum hatten aber die hart bedrängt gewesenen Einwohner ihre zerstörten Wohnungen nur etwas aus dem Schutte emporgehoben und hofften eine bessere Zukunft, so trat die fürchterliche Geisel der Menschheit, die Pestseuche, im Jahre 1713 ein, die mit voller Wuth hier raßte und aus 86 Häusern 208 Menschen hinwegraffte. Früher war

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der Ort St. Veit ein Markt, kein Wunder also, dass er nach so vielen Leiden zu einem Dorfe herabsank.

Doch im Jahre 1742 erschien dem Orte ein Glückstern; der fromme Kirchenfürst, Sigmund Graf von Collonitsch, Cardinal und Erzbischof von Wien, der in den Annalen Wiens unvergeßlich glänzet, ließ die Kirche und das Schloß erbauen. Der Nachfolger, Graf von Migazzy, verkaufte die Herrschaft St. Veit im Jahre 1762 an die Kaiserin Maria Theresia, die das hiesige Schloß wegen der Nähe des k. k. Lustschlosses Schönbrunn und wegen der schönen Lage gern besitzen wollte, wodurch dasselbe an Pracht gewann, indem die höchstselige Kaiserin den weitläufigen Garten verbessern, die Gemächer des Schlosses schön auszieren, und jene des untern Geschosses durch die Kunsthand des berühmten Thiermahlers Bergel verherrlichen ließ.

Nach 18 Jahren (1780) gelangte Schloß und Herrschaft, durch Wiederkauf, an den vorigen Besitzer, den Cardinal-Erzbischof Migazzy, seit welcher Zeit es dem jeweiligen Fürst-Erzbischof zu seiner Nutznießung bestimmt ist. Gegenwärtiger Besitzer ist der hochw. Fürst-Erzbischof Vinzenz Eduard Milde.

Was die ganze Herrschaft St. Veit betrifft, so besteht solche in den Dörfern Ober- und Unter- St. Veit, Lainz und dem zwischen Speising und Mauer liegenden, aus vier Häusern und einem Ziegelofen bestehenden Gute Rosenberg.

Die Gesammtsumme beträgt 279 Häuser, 546 Familien, 1158 männliche, 1215 weibliche Einwohner, 99 Pferde, 301 Kühe, 6 Joch 1058 Quadrat Klafter Privat-Waldungen, 330¼ Tagwerk Wiesengründe, 179 Joch Ackerland und 200 Viertel Weingärten.

Diese Herrschaft liegt eine Stunde von Wien südwestlich, außer Hietzing auf einer Anhöhe am Fuße des sogenannten Hagenberges nächst dem k. k. Thiergarten. Es herrscht gesundes, jedoch scharfes Klima vor; die Gegend ist den meisten Windfällen ausgesetzt, doch ist aller Orten gutes Wasser vorhanden.

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Die meisten Erzeugnisse sind Wein und Milch, welch‘ letztere die Einwohner täglich zum Verkaufe nach Wien führen, was ihnen den besten Erwerbszweig liefert. Vorzügliches Augenmerk wird auf die Wiesencultur gerichtet. Nach diesem Zweige folgt die Rebenpflege; ganz gering aber ist der Ackerbau, der bloß Korn, Gerste und Hafer liefert. Obst gibt es wenig.

Der Wienfluß begrenzet gegen Westen, der Thiergarten gegen Südwesten, die Herrschaft Mauer gegen Süden und Hietzing gegen Osten die hiesige Herrschaft. Fischerei gibt es keine und die Jagdbarkeit besteht blos in einigen Hasen.

Handel wird keiner getrieben und außer einer Kattundruckfabrik besteht sonst keine Fabrikation.

Die vorzüglichsten Gebäude sind übrigens ohnedieß aus der vorstehenden Darstellung bekannt.

Für den Mineralogen fügen wir noch bei, dass nächst St. Veit im Berge, worauf die ehemalige Einsiedelei stand, wie auch in der Seitengasse, die von der Kirche gegen den Wienfluß führet, eine, theils aschgraue, theils blutrothe, zuweilen leberbraune Steinart zu Tage ausbeißt, die mit häufigen weißen Kalkspathadern in ungewissen Richtungen durchzogen ist, mit Stahl viele Funken schlägt, dem Ansehen nach Hornstein scheint, aber überall mehr oder weniger mit Säuren brauset, und hiermit dem Mittelstein angehört. Seine kaiserliche Hoheit der Erzherzog Rainer, Vicekönig des Lomb. Venez. Königreiches, haben selbst im hiesigen Steinbruche im grauen Sandsteine schöne Ammonshörner (Nautilus Hammonites) entdeckt, und damit die kaiserliche Sammlung bereichert. Auch trifft man zwischen den Klüften dieses Sandsteines zuweilen Drusen von schmutzig weißem Kalksphathe an, wie deren eine in doppelt sechsseitigen Pyramiden, deren Spitzen öfter noch mit drei Flächen zugeschärft sind, in der kaiserlichen Sammlung zu sehen ist.

Eben zu St. Veit werden auch zuweilen Feuersteine in größeren und kleineren, losen, stumpfeckigen Stücken gefunden, die sich dem Hornsteine etwas nähern, und inwendig gegen die Mitte fast schwarz, wenigstens schwarzgrau sind. Gegen den

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Rand ist der Bruch nicht mehr muschelförmig, auch brausen sie da schon schwach mit Säuren. Die Oberfläche selbst ist endlich schon ganz mergelartig.

Quellen:
Schweickhardt Ritter von Sickingen, Franz: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens. Siebenter Band: Viertel unterm Wienerwald. Wien 1833.

übertragen von hojos, ohne Gewähr für die Richtigkeit
im Juli 2009