Wie schützen wir Ober St. Veit?

Friedrich Nikolaus Ebert ist seit nunmehr 21 Jahren Bezirksrat und seit 4 Jahren Vorsitzender des Hietzinger Bauausschusses. Der Bauausschuss ist ein in allen Wiener Gemeindebezirken eingerichtetes Gremium mit Mitgliedern aus allen politischen Fraktionen. Seine Hauptaufgabe ist es, über Abweichungen von den Vorgaben der Wiener Bauordnung und den Bebauungsbestimmungen vor allem nach Paragraf 69 der Wiener Bauordnung zu entscheiden. In diesen Angelegenheiten entscheidet er als Behörde 1. Instanz. In allen anderen Fällen, wie zum Beispiel den von der MA 21b dem Bezirk vorgelegten Flächenwidmungen, hat er keine Entscheidungsbefugnis (auch kein Vetorecht), sondern kann nur Eingaben an das Rathaus senden, worüber dann der Gemeinderat beschließt. Natürlich haben die Beiträge des Bauausschusses Gewicht und werden dementsprechend gewürdigt.
16.04.2009

Ober St. Veiter Blatt’l: Früher war die Bauklasse I als ebenerdig oder einstöckig bebaubar beschrieben. Gilt diese Begrenzung auch noch in der heutigen Wiener Bauordnung?
Niki Ebert: Nein. Die Geschoßhöhen haben sich deutlich verändert und es wurde daher sinnvoller, nur mehr die Gebäudehöhe zu beschränken. In Einzelfällen können sich die Bebauungsbestimmungen natürlich auch auf die Zahl der Geschoße beziehen.

Ober St. Veiter Blatt’l: In den aktuellen Plandokumenten sind viele Bauflächen in Ober St. Veit als Bauklasse WI mit einer Bauhöhe von max. 6,5 gewidmet. Diese oft über den Bestand hinausgehende Widmung war und ist eine der Hauptursachen für den Zerstörungsdruck auf die historische Bausubstanz. Aus welcher Zeit stammen diese Widmungen?
Niki Ebert: Einige dieser Widmungen stammen aus den 70er wie auch 80er Jahren; mittlerweile haben wir aber in den letzten ca. 14 Jahren einen großen Teil von Hietzing - gemeinsam mit der MA 21b - neu überarbeitet. Der Bestand bei diversen auch alten Häusern liegt aber auch bei 6,50m. Unterschiede gibt es zeitweise bei Dachgestaltungen; früher wurden teilweise Flachdächer errichtet – heute bei einer Dachneigung bis zu 45° – Dachhöhen bis zu 7,50 m. Dies verändert das Ortsbild ebenfalls.

Ober St. Veiter Blatt’l: Gibt es eine Möglichkeit, den aus diesen großzügigen Widmungen resultierenden Spekulationsdruck zu mildern?
Niki Ebert: Ich würde gerne über das ganze Gebiet Ober St. Veit und speziell um den Wolfrathplatz eine neue Flächenwidmung gestalten. Darin sollen alle alten Häuser, die noch bestehen, mit einer Bestandswidmung versehen werden. Das kommt natürlich einer gewissen Rückzonung gleich. Außerdem wollen wir eine Vergrößerung der Schutzzone um beide Seiten der Hietzinger Hauptstraße bis hinunter zur Bossigasse durchsetzen.

Ober St. Veiter Blatt’l: Wie definiert man die im § 69 der Wiener Bauordnung genannte „Unwesentlichkeit“, durch die Überschreitungen vor allem der Bauhöhe immer wieder gebilligt werden?
Niki Ebert: Normalerweise mit einer Überschreitung von maximal 10% der Vorgabe. Der Leiter der Behörde (MA 37, Baupolizei) weist mittlerweile seit 2 Jahren diverse Neubauprojekte im Bezirk an die Bauwerber mit dem Einwurf zurück, dass Neubauten ohne Überschreitungen auskommen sollen. Daher habe ich die Hoffnung, dass sich solche Überschreitungen zukünftig auf ein Minimum reduzieren werden.

Ober St. Veiter Blatt’l: Wie kommt es beim aktuellen Projekt Einsiedeleigasse 4 – 6 zur heutigen Bauhöhe von 11m als oberster Abschluss und wie ist dieser zu sehen: Gemessen an der höchsten Stelle vom Gelände aus und inklusiver aller technischen Aufbauten wie Aufzugschächten etc.?
Niki Ebert: Es ist Bauklasse WI (Bauhöhe 6,5m plus Dach) mit oberster Firstkante 11m. Die Baufluchtlinie ist zurückgesetzt und die historischen Bauten werden teilweise erhalten. Dieser Kompromiss wurde in einer Sitzung der Bezirksvertretung im Jahre 2007 einstimmig beschlossen. Die bewilligten 11m als oberste Firstkante sind wesentlich niedriger als die zuvor gültige Widmung und verstehen sich inklusive Aufzugsschächten und anderen technischen Einrichtungen.

Ober St. Veiter Blatt’l: Ist die Gestaltung und Verwendung der verbleibenden Streckhöfe (nunmehr eigentlich „Stutzhöfe“) vorgegeben?
Niki Ebert: Das Projekt wurde mit der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) akkordiert. Die äußere Hülle der "Streckhöfe" ist mit der MA 19 abzustimmen, die neuen Fenster und Vitrinen im Altbau sind aus Holz herzustellen.
Die Verwendung der Flächen kann kaum beeinflusst werden. Nach heutiger Planung wird der rechte Streckhof mit Holzportal, in dem der Optiker Prior war, Wohnraum in Verbindung mit dem dahinterliegenden Wohnbereich. Der mittlere Bereich soll ein Müllraum werden und der linke Streckhof ebenfalls Wohnraum.

Ober St. Veiter Blatt’l: Schade, Geschäfte wären für die Region vorteilhafter und eher im Sinne der Schutzzone gewesen. In welcher Weise wird sichergestellt, dass der Bau in die Region passt (Fassade, Fenster, Dachform etc.)?
Niki Ebert: Vor dem Baubeginn für den hinter den Streckhöfen angesiedelten Neubau sind die Farb- und Fassadengestaltung und die Materialwahl mit der MA 19 zu koordinieren. Sie sehen, insgesamt eine starke Kontrolle.

Ober St. Veiter Blatt’l: Schon, aber die Entscheidung über die Konformität mit dem Ortsbild ist dann sehr subjektiv und das Ergebnis oft enttäuschend. Gibt es ein (Grundsatz-)Konzept für die Gestaltung und Entwicklung der Schutzzone in Ober St. Veit, welches festlegt was geschehen soll/darf und was nicht?
Niki Ebert: Ein festgeschriebenes Konzept gibt es nicht. Aber ich sehe die Frage als eine gute Anregung und werde trachten, dies in den nächsten Monaten umzusetzen.
Grundsätzlich möchte ich zu den „Enttäuschungen“ doch sagen, dass wir heute in einem schwierigen Kreislauf leben. Viele Grundstücke wurden in den letzten Jahren – speziell in Ober St. Veit – für eine villenartige Privatnutzung viel zu teuer verkauft oder weiter verkauft. Die logische Rechnung für den auf den Plan getretenen Bauträger ist die Schaffung von möglichst viel Wohnraum, um wirtschaftlich positiv bleiben zu können.

Ober St. Veiter Blatt’l: Die Preisspirale kann sich nur deshalb drehen, weil viele Widmungen den an sich geschützten Bestand übertreffen und alle Beteiligten in der „Handelskette“ auf „günstige Umstände“ hoffen. Das Argument „Schutzzone“ dient zum Drücken des Preises und wird dann ausgehöhlt. Manchmal hat der Betrachter dann dass Gefühl, dass falsche Kaufentscheidungen durch entgegenkommende Widmungen oder das Wegschauen bei der Zerstörung des alten Bestandes „subventioniert“ werden. Sind wir da nicht wieder bei der schon vorhin diskutierten Dringlichkeit, dem Spekulationsdruck entgegenzutreten?
Niki Ebert: Das Wort Wegschauen möchte ich gar nicht hören; dies trifft sicher nicht auf die derzeitige politische Vertretung zu und auch nicht auf die Leitung der Behörde MA 37; vielmehr sind wir uns dieser Verantwortung bewusst. Hierzu kommt noch das intensiver wahrgenommene Einspruchsrecht der unmittelbaren Anrainer bei allen Bauverhandlungen. Wir haben als Hietzinger Bezirksvertretung unter der Führung des Bezirksvorstehers DI Heinz Gerstbach (seit mehr als 18 Jahren) viele Gebiete in Hietzing „heruntergezont“; auch im Fall Einsiedeleigasse 4 hat Hietzing eine alte Widmung von 10,50m (70er Jahre), auf heute 6,50m verringert. Die Stadt Wien schlägt uns auch heute noch Veränderungen bei neuen Flächenwidmungsplänen vor; erst in den letzten Tagen hatten wir z.B. im Gebiet Lainz, bei der Hochwiese, einen Erfolg. Keine Widmungsausweitung bei der Dachgestaltung.
Die Devise heißt, schöne bestehende Strukturen sinnvoll erhalten und sichern, aber keine Menschen ungerecht enteignen. Ich bin für Mitteilungen über Bausünden an meine Mailadresse niki.ebert@gmx.at oder an die Gruppe „Wohnbau in Hietzing“ auf www.hietzing.at stets dankbar.

Ober St. Veiter Blatt’l: Ist ein Abbruch des Hauses Hietzinger Hauptstraße 170 (Ecke Glasauergasse/Hietzinger Hauptstraße) für Sie denkbar?
Niki Ebert: Nein, und das sage ich auch allen. Es wird im Mai ein Treffen mit dem Hausbesitzer, der MA 37 (Baupolizei) und mir geben, bei dem das komplette Thema (Zustand des Hauses, Leerstehung, Vorhaben etc.) besprochen wird.

Ober St. Veiter Blatt’l: Was kann gegen die Verwahrlosung der Häuser Firmiangasse 21, Glasauergasse 15 und Rohrbacherstraße 29 getan werden?
Niki Ebert: Auf das Haus Firmiangasse 21 wurde ich schon mehrmals angesprochen und ich werde mich demnächst mit dem neuen Hausbesitzer treffen, um seine Zukunftspläne zu eruieren. Über die beiden anderen Häuser werde ich mich informieren.

Ober St. Veiter Blatt’l: Wie wird mit dem in der Bauordnung festgelegten Verbot von blickdichten Zäunen umgegangen?
Niki Ebert: Im Rahmen von Neubauten soll die Durchsicht gewahrt bleiben. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Hietzinger Hausbesitzer an diese Vorgabe auch halten.

hojos
16. April 2009