Faszination Erstbesteigung

Wortlaut des Vortrages von Kurt Diemberger zum Thema: "Faszination Erstbesteigung", gehalten am 28. September 2006 aus Anlass der Eröffnung der Ausstellung: "50 Jahre Gasherbrum II. Österreicher auf den Achttausendern der Erde" im Bezirksmuseum Wien-Hietzing. © Copyright Kurt Diemberger
28.09.2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Bergfreunde aus Wien! 

Ich hab’ den Fritz schon lange, lange gekannt und war auch oft mit ihm am Mooserboden oben. Ich hab’ sogar meinen Sohn der Bergsteigerschule anvertraut. Bevor ich jetzt über den Gasherbrum II erzähle, von dieser großen Erstbesteigung, möchte ich im Nachhinein noch einmal dem Fritz danken, was er alles erstens für die Jugend getan hat und zweitens was er auch in meinem Leben mitbewirkt hat. 

Ich muss zum Beispiel daran denken, wie wir zum Broad Peak gefahren sind, 1957, da hat er sich über Doktor Georg Weiler um die Medikamente gekümmert, eine Liste mit allen notwendigen Medikamenten, die wir brauchen und beschaffen müssen. Denn nachdem Hermann Buhl mich zum Expeditionsarzt gemacht hat, ich aber bloß Welthandel studiert hab’, hab’ ich ja nicht gewusst, was wir eigentlich brauchen. Ich erinnere mich noch an den freundschaftlichen Rat, die Universalzange fürs Zähnereißen nur im äußersten Notfall zu verwenden. 

Ja, und dann denke ich noch dran, wie wir zum Dhaulagiri gefahren sind, wie der Fritz mit dem Expeditionsleiter Max Eiselin sehr eng zusammengearbeitet hat, selbstlos muss ich sagen, denn die österreichische Expedition zum Dhaulagiri hatte ja eigentlich diesen neuen Weg erschlossen. Wir von der internationalen Schweizer Expedition waren ja bloß die Nachfolger, wir haben einfach das große Glück gehabt, dass bei uns das Wetter oben schön war während bei Karl Prein und Pasang Dawa Lama ein furchtbarer Sturm getobt hat und sie dadurch eben nicht hinauf gekommen sind. Das ist Schicksal am Berg. 

Zuletzt aber möchte ich noch sagen: Sowohl Fritz als auch ich sind Pädagogen gewesen und haben uns um die Jugend gekümmert. Gerade deshalb möchte ich jetzt gerne mit den Worten von Fritz beginnen, wie er der Jugend sagt, Burschen und Madln, ihr dürft nicht sofort auf den Everest rennen, ihr müsst euch zuerst einmal langsam, langsam an die Berge gewöhnen und erst lernen, wie man mit ihnen umgeht.

Ich möchte jetzt mit einigen Dias so ungefähr dem alten Vortrag vom Fritz Moravec folgen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich natürlich damals 1956 nicht dabei war. Zum Glück wird es aber jemanden geben, der mir dann, wenn man die Gesichter der Teilnehmer sieht, helfen kann und mir sagt, das ist der und das ist jener.

Die Österreichische Himalaya Karakorum Expedition 1956 ist von der Österreichischen Himalaya Gesellschaft gestartet worden und Fritz Moravec war der Expeditionsleiter. Es waren außer ihm noch sieben Teilnehmer und ich möchte gleich vorausschicken, am 7. Juli 1956 standen dann drei von ihnen auf dem Gipfel, nämlich Fritz Moravec, Hans Willenpart und Sepp Larch.

Jetzt können wir in den Anmarsch der Expedition übergehen, noch nicht in den wirklichen Anmarsch, sondern wir sind noch in Karachi. Von dort geht es mit dem Punjab-Express Richtung Norden nach Rawalpindi und Islamabad und anschließend mit einer Dakota DC 3 über die Ausläufer des Himalayas am Nanga Parbat vorbei - wenn das Wetter es erlaubt - nach Skardu, dem Hauptort von Baltistan.

Dort zu landen war gar nicht so einfach, ein Jahr später haben wir das auch erlebt. Es war eine Sandpiste, keine asphaltierte Piste und man hat uns gesagt, und es war 1956 sicher genau so, „wenn es geregnet hat, dann stellt es das Flugzeug auf, also müssen wir warten, bis der Sand wieder trocken ist". Ich habe keine Ahnung, wie lange ihr damals gewartet habt, vielleicht habt ihr Glück gehabt, aber ich höre jetzt, 14 Tage habt ihr gewartet.

Von Skardu geht es dann ungefähr 200 Kilometer zu Fuß durch das Karakorumgebirge, durch Baltistan, bis zu den großen Bergen die da stehen. Der K2 ist der höchste, daneben der Broad Peak, dann der Gasherbrum II und der Gasherbrum I, den man auch den Hidden Peak nennt. Es ist ein fantastischer Weg da hinauf. Heutzutage fährt man leider mit dem Jeep an ganz schwierigen Stellen vorbei. Der Jeep, mit dem man bis Askole kommt, ist auch der Grund, dass sich jetzt tausende, zweitausend, dreitausend Menschen in dieses herrliche Hochgebirgstal des Baltorogletschers ergießen. Ich bin eigentlich der Meinung, man sollte die Barriere der Mühe erhalten, es soll nicht gar so einfach sein, dorthin zu kommen.

Damals war es wirklich nicht einfach und hier sehen wir einen dieser mehr als 200 Träger. Sie hatten noch nicht die blauen Plastiktrommeln unserer Tage, sondern hier zum Beispiel eine alte Teekiste.

Und so sind diese Träger losmarschiert. Ich muss Ihnen sagen, man kommt schließlich durch eine Gegend, in der man nichts mehr einkaufen kann und daher müssen die Leute das Mehl für ihr Brot selber mitnehmen. Überlegt: Für das Expeditionsgepäck waren 168 Träger notwendig, die brauchen für soundso viele Tage soundso viel Mehl und das gibt wieder Lasten, große Lasten. Und wenn man glaubt, man kann den Bleistift weglegen, dann stellt sich heraus, die Mehlträger für die Lastenträger, die müssen ja ebenfalls etwas essen, also muss man noch einmal anfangen zu Rechnen. Im ganzen sind dann aus den 168 Trägern 238 geworden. Nur damit ihr wisst, wie das vor sich geht. Das Prinzip ist zwar heute noch dasselbe, aber der Weg ist nicht so lang. Damals waren das ungefähr 200 Kilometer Fußmarsch bis man zum Berg kommt und das hat ungefähr 3 Wochen gedauert.

Hin und wieder hat man unterwegs auch eine Frau mit einer Last getroffen. Ein sehr schönes Bild, das Fritz hier gemacht hat.

Aber hier im Karakorum-Gebirge gibt es nur Träger und keine Trägerinnen, anders als in Nepal, wo die Sherpafrauen ebenfalls tragen. Wenn man daher eine Frau mit Last sieht, dann ist es nur Heu oder Holz für die Familie. 

Wo heute die Brücke über den Indus geht, war damals in Skardu noch keine. Da hat man mit irgendeinem Fahrzeug, einem Boot oder sonst etwas, hinüber fahren müssen. Dafür hat es u. a. diese eigenartigen, sogenannten Zacks gegeben. Man sieht hier aufgeblasene Ziegenhäute unter einen Holzrost gebunden.

Mit diesem Ziegenhautfloß kann man langsam den Fluss überqueren, wobei man natürlich damit rechnen muss, dass man sehr weit abgetrieben wird. Das ganze ist äußerst spannend, ich habe das auch erlebt. Es ist besonders spannend, wenn bei der einen oder anderen Ziegenhaut die Luft ausgeht. Hier ist gerade der Fritz, wie mir scheint, bei einer solchen Querung mit dem Zack.

Diese Zacks gibt es heute noch. Schon in einem kleinen Ort hinter Skardu gibt es Leute, die mit so einem Zack ans andere Ufer fahren. Allerdings nicht mehr mit aufgeblasenen Ziegenhäuten darunter, sondern, Sie können sich vorstellen was sie darunter geben: aufgeblasene Autoschläuche! Aber im Prinzip das gleiche. Für den Lastentransport hinüber ans andere Ufer des Indus hat sich dann vor allem eine Fähre angeboten. Sie wird zwar auch abgetrieben, aber es ist schon eine ganz ordentliche Fähre gewesen. 

So geht es jetzt dahin, immer wieder von Rast zu Rast. Wir haben uns heute den Kopf zerbrochen, was da auf diesem Bild gerade ausgeteilt wird. Es handelt sich um keine Auszahlung, denn das kann nicht sein, so viele Hände auf einmal. Sind da Vitamintabletten ausgeteilt worden oder Zuckerl, könnt ihr euch noch erinnern? Nein. Irgend etwas ist ausgeteilt worden, weil alle so fröhlich ihre Hände hinstrecken. Vielleicht waren es Bonbons.

Es geht weiter, den Weg entlang und während wir zum Beispiel rasten oder diese Zuckerl ausgeteilt werden, schauen uns die Einheimischen zu. Einer, der an einer alten Wasserpfeife saugt, oder ein junges Madl, das vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben europäische Bergsteiger sieht. Und ganz interessant, wir haben damals bei diesem Anmarsch keine verschleierten Frauen gesehen. Jetzt ist es oft anders, aber je höher man kommt umso weniger. Der Weg war nicht leicht, immer wieder muss der Braldufluss durchwatet werden, wir kommen schon zwischen Fünf- und Sechstausender hinein. Manchmal muss man auch über eine Hängebrücke aus zusammengeflochtenen Weidenzweigen. Hier sieht man wie sie von einer Seite des Flusses auf die andere hinübergespannt wird.

Diese Brücken werden von Zeit zu Zeit erneuert. Dazu hat mir Herbert Tichy einmal eine schöne Geschichte erzählt. Er hat einmal den Bürgermeister eines Ortes gefragt, ob denn die Brücke wirklich noch hält. Der Bürgermeister oder wie er auf Balti heißt, der Lambardar, hat gesagt: „Ja, weißt du, immer kurz bevor sie abreißt wird die Brücke erneuert“. Es wird vielleicht woanders gewesen sein, aber so hat es mir der Herbert erzählt. 

Es geht unheimlich mühsam in dieses Tal hinein, immer wieder hinunter und hinauf, man muss zum Teil über steile Schotterhalden klettern und man kommt schließlich auf den gewaltigen, 58 Kilometer langen Baltorogletscher. Das ist ein fortwährendes Auf und Ab, wie über ein gefrorenes Meer aus Stein und Eis. Es geht hinauf und hinunter und mit dieser gewaltigen Trägerkolonne natürlich nicht sehr schnell. Sie rasten immer wieder, schreien „Schabasch“ und dann stehen sie wieder. Ist ja klar, mit dieser schweren Last, 25 Kilo, manche tragen sogar 30 Kilo. Es geht durch eine der schönsten Landschaften der Erde, vielleicht für Bergsteiger die schönste Landschaft. Diese gewaltigen Granittürme, dann wieder Eisgipfel, die aus den Seitentälern herausragen. Dann kommen Siebentausender, wie z.B. der 7821 Meter hohe Masherbrum.

Schließlich und endlich ist man schon ungefähr zwei Wochen, vielleicht sogar schon länger unterwegs und sitzt mitten am Baltorogletscher; er ist mit Schutt bedeckt, darunter über 1000 Meter Eis. Aber das sieht man natürlich nicht, wohl aber diese herrlichen Gasherbrum-Berge. Gasherbrum heißt: die leuchtende Wand. Diese ganze Gebirgsgruppe hat ihren Namen vom Gasherbrum Nummer 4, einem Fast-Achttausender: Dieser hat wirklich eine fantastisch leuchtende Wand. An solche Besteigungen hat man damals natürlich noch nicht gedacht. Die Gasherbrums sind eine ganze Familie von Bergen, mindestens 12 Gipfel hat diese Gruppe.

Da schaut jetzt das Ziel der Expedition schon heraus, der Gasherbrum II, 8035 Meter hoch. Noch weiter hinten, aber durch eine Wolke verdeckt ist dann der Gasherbrum I, 8068 Meter hoch, und weil er so weit weg und so versteckt ist, hat man ihn den Hidden Peak genannt.

Wenn man jetzt zurückblickt, sieht man diese wilden Türme, die Trangotürme und die der Uli Biaho-Gruppe.

Ja, damals war einem klar: Das ist das Paradies der Kletterer der Zukunft, und so ist es auch. Heute suchen dort die Jungen die wildesten Wege hinauf. Das sind lauter Fünf- und Sechstausender mit ganz ganz wilden und schwierigen Wegen.

Aber damals war die Zeit eben noch anders, man ist an die großen Berge gegangen und hatte die Erstbesteigung der Achttausender im Sinne. 

Während die Expedition nun über die Mittelmoräne in Richtung Gasherbrum weitergeht, ist gerade noch der Gasherbrum IV zu sehen und aus einem Seitental kommt der Godwin-Austen-Gletscher heraus. Man sieht hier auch schon ein späteres Expeditionsziel, den Broad Peak, ebenfalls einen Achttausender und dann den zweithöchsten Berg der Welt, den K2 mit 8611 Metern.

Auf dem Concordia-Platz in ungefähr 4500 Meter Höhe stehend sieht man diesen fantastischen K2. 1954 hatten ihn die Italiener bestiegen.

Es geht also weiter den Gletscher entlang, zunächst an spitzen Bergen vorbei, das ist z.B. die Bischofsmütze, der Mitre Peak, wie er genannt wird, 6010 Meter hoch.

Und dann geht es immer weiter, zwischen wilden Türmen und Wänden und man sieht hier recht gut, wie klein der Mensch ist. Als Kameramann und als Filmemacher ist es fantastisch, mit so einer großen Expedition unterwegs zu sein.

Wenn man nur 4 Leute hat, schaut das im Film nie so eindrucksvoll aus. 

Nach ungefähr 3 Wochen Anmarsch kommt die Expedition endlich zum Gasherbrum II. Das ist diese herrliche Pyramide, 8035 Meter hoch! Der Gasherbrum III daneben schaut lange nicht so schön aus, doch ist er immerhin 7952 Meter hoch.

Wir sind jetzt im Bereich des Basislagers. Und da sitzen sie noch. Wer ist wer?

Ich sehe den Heini Roiss, der am Dhaulagiri geblieben ist, dann der Gattinger, der Geologe, dann Fritz Moravec, rechts hinter ihm ist der Arzt, Georg Weiler, dann der Richard Reinagl, der zuletzt die Träger hinunterbegleitet hat und praktisch auf den Gipfel verzichtet hat (so habe ich im Buch gelesen) und das ist der Sepp Larch. Jetzt fehlen uns der Hans Willenpart und der Hans Ratay, einer hat wahrscheinlich das Foto gemacht. Also da ist diese kleine und entschlossene Expedition jetzt am Fuß des Berges und was ihnen da bevorsteht, das zeigt dieses und noch einige andere Bilder.

Nach dem Basislager wird es wirklich kritisch: Da ist ein Gletscher, der total zerrissen ist, unvorstellbar zerrissen, das habe ich selbst erlebt im Jahre 1979. Du merkst, dass du durch eine Brücke brichst, in dem Moment springst du auch schon vorwärts, und denkst, auf der anderen Seite ist es wohl ok, aber du sinkst du schon wieder mit dem Fuß in eine Spalte und du reißt dich noch einmal nach vorne, schließlich bleibst du der Länge nach liegen, sonst fällst du vielleicht in die dritte Spalte. Es ist eine wilde Gegend und sie haben zum Glück ein paar Leitern gehabt, zwei, und wo es ganz arg war, hat man diese Leitern darübergelegt. Ohne diese Leitern wäre es dort einfach nicht mehr weitergegangen.

Nur damit ihr eine Idee habt, schaut einmal wie viele Gletscherspalten da sind, das ist der reine Wahnsinn, das ist einer der zerrissendsten Gletscher, denen ich in meinem ganzen Leben begegnet bin.

So geht es bis auf 6000 Meter, da ist ein großer Gletscherboden und von dort aus hat man sich natürlich gedacht, was sehr logisch ist, da hinauf zu gehen und dann da hinüber. Eigentlich hielt ich es für logischer, direkt aufzusteigen, aber bei uns hat’s dann einer probiert und ist auf scheußliches Gestein getroffen, das bröselt, also ist man in einer großen Schleife hinauf gestiegen. 

Jetzt war man so weit, dass man bis zur Hochbasis (das ist das Lager 1) gekommen ist und offensichtlich auch schon eine erste Erkundung unternommen hat. Das Lager 1 war in dem Boden auf 6000 Meter, das Lager 2 auf dem Sporn darüber.

Man hat diesen Vorstoß gemacht und dann ging es immer hin und her, auf und ab, zwischen Basislager und dort oben, hin und her, immer wieder durch dieses Spaltengewirr, es war keine Kleinigkeit. Da hinten die Route am Traumberg, es ist ja einer der schönsten Berge der Welt, dieser Gasherbrum II.

So haben sie sich damals 1956 die Besteigung vorgestellt, das ist das Lager 1, das eine Art Hochbasislager war, und von dort aus hat man gedacht, man wird noch ein Lager 2, ein Lager 3 und ein Lager 4 einrichten, und zuletzt, über diese ganz pomali aussehende Querung hinübersteigen und von hinten her wird es dann schon irgendwie zum Gipfel gehen. 

Aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Also es ist anders gekommen. Zunächst ist zwar alles nach Plan gelaufen. Immer wieder gibt es Vorstöße nach oben, auch mit den Hochträgern. Da sehen wir gerade einen Hochträger, und da ist der Reinagl mit prüfendem Blick nach oben, wie es wohl weiter gehen soll.

Zu einem gewissen Zeitpunkt ist jedoch eine Schnee- oder Eislawine von oben herabgekommen. Diese selbst hat wahrscheinlich niemand fotografiert, in solchen Augenblicken fotografiert man meistens nicht, denn eine solche Lawine kann wirklich furchtbar weit hinausgehen. Die Lawine, die hier abging, hat am Wandfuß ungefähr 20 ganz wichtige Lasten verschüttet. Jetzt hat sich die Expedition plötzlich in einem kritischen Zustand befunden: Was in den 20 Kisten oder Lasten drinnen ist, das haben wir nicht mehr! Was machen wir jetzt? Den Monsun ahnte man schon ganz nahe. Das war jetzt wirklich ein ganz kritischer Punkt, man war schon ziemlich hoch am Berg. Drüben hat man den Hidden Peak, den "versteckten" Achttausender, 8068 Meter hoch, schon ganz gut erkennen können.

Die Burschen haben kurzerhand beschlossen, das letzte Hochlager nicht mehr zu machen, sondern oben zu biwakieren. Statt Lager 4 wird es also ein Biwak geben und von dort auf der vorgesehenen Route weiter. Von dem Biwak habe ich kein Bild, es war einfach zu kalt; es gibt Momente im Leben, wo man keine Freude am fotografieren hat. Wenn man zähnescheppernd auf ungefähr 7500 Meter sitzt, da sagt man sich, die Kamera ist ohnehin eingefroren. Sie haben folglich kein Bild gemacht, sind weiter und haben nach der langen Querung, die sehr erschöpfend ist, einen Felsriegel überwinden müssen. Jetzt ging es um die "Wurscht". Werden sie es noch schaffen, zum Gipfel hinaufzukommen oder nicht? Hier sind sie gerade dabei, den Felsriegel zu überwinden, und jetzt blicken sie erstmals auf die andere Seite hinüber, auf die China-Seite!

Ich kenne diesen Blick, weil ich 1979 denselben Weg gegangen bin. Da unten ist das Shaksgamtal, in dem war ich siebenmal; es ist ein Paradies, eine fantastische Gegend. Da drunten geht der Gasherbrumgletscher hinaus, von dieser Seite ist bis heute der Gasherbrum II noch nie bestiegen worden. Es gibt an ihm noch genug Probleme, aber 1956 ist es ja um die erste Besteigung gegangen. 

Die Drei steigen weiter und kommen schließlich nach einem harten, harten Aufstieg, der im Buch "Weiße Berge, schwarze Menschen" beschrieben ist, zum Gipfel des Gasherbrum II. Oben stellen sie fest, dass alle Gipfelzacken seltsamerweise aus Kalk sind, hier war also vor Millionen von Jahren das Meer. Hinter Willenpart sieht man den K2 herausschauen, den zweithöchsten Berg der Welt, und da drüben den Broad Peak. Von dem sieht man nur 2 Gipfel, der 3. ist verdeckt – der ist auch nicht so hoch.

Als sie sich dort oben herumdrehten, blickten sie in westlicher Richtung weit, weit hinaus, etwa zum Masherbrum, 7821, oder in der Tiefe zum über 50 Kilometer langen Baltorogletscher.

Es war ganz bestimmt ein fantastischer Augenblick, als die Drei da oben standen und man kann sich vorstellen, wie sie dann hundemüde aber glücklich heruntergekommen sind.

Da ist jetzt im Foto (der Rückkehrenden) der Fritz voraus, die anderen kann ich nicht erkennen. Und hier ist die große Wiedersehensfeier zu Hause, ich erkenne da sofort den Fritz, der Lange muss der Weiler sein - der Arzt - und der Willenpart, der Larch, der Roiss und Hans Ratay.

Und so kommen wir nun zu einem Berg, an dem ich mit Fritz viel zu tun hatte. Max Eiselin, unser Expeditionsleiter mit dem ich die Fahrt organisierte, gab sehr viel auf die Informationen der Österreicher, mit denen er in bestem Einvernehmen stand. Die österreichische Expedition hat ja den Nordostsporn des Dhaulagiri als erste erschlossen, und hat erst hoch oben wegen der furchtbaren Stürme aufgeben müssen. Dieses Lager dort oben hat übrigens der Hans Ratay errichtet. Dort oben hat er umdrehen müssen wie schließlich auch Karl Prein und Pasang Dawa Lama. Jetzt möchte ich mit ein paar Bilder zurückgehen – es ist ja insgesamt gesehen auch eine Erstbesteigung gewesen, ohne Gipfel halt, es war praktisch eine völlig neue Route. Ich muss aber gestehen, nicht alle Farbfilme behalten die Farbe, manche werden rot wie eine Himbeersauce und das ist so einer. Auf alle Fälle sehen wir in diesem Bild die riesige, über 3000 Meter hohe Nordwand des Dhaulagiri, links ist der Nordostsporn, über den die Österreicher vorgedrungen sind, ungefähr bis da hinauf...

Rechts sieht man in der Nordflanke eine langgezogene Felsbirne, die ist wohl an die 1000 Meter hoch. In diesem Bereich hängen lauter solche Birnen in der Wand, wie man sieht, Riesendinger und sehr unangenehm zu gehen. Alle anderen vor den Österreichern haben es dort probiert. Hier ist ein historisches Bild von so einem Versuch, so sehen diese Birnenwände aus.

Es ist ein Bild von einer deutsch-Schweizerischen Expedition aus dem Jahre 1958, so also hat es im schwierigen oberen Teil der Birne ausgesehen. Es war wirklich eine geschickte Lösung dieser Moravec-Expedition 1959, nicht mehr dort zu gehen, sondern hinauf zum Nordostsattel. Hier im Bild ist erst das Basislager und von dort geht es unter den gewaltigen Eisabbrüchen des Dhaulagiri auf einer völlig neuen Route durch ein Gewirr von Gletscherspalten durch, immer wieder im Zickzack ... denn man muss ja erst den Nordostsattel erreichen.

Da ist er nun, der Nordostsattel (ungefähr 5800 Meter) unterhalb des gewaltigen Nordostsporns.

Alles war in bestem Vorrücken, da passiert etwas ganz Schlimmes: Heini Roiss fällt nicht weit vom Lager entfernt in eine Spalte! Das hat man wahrscheinlich nicht sofort bemerkt. Als man ihn endlich gefunden und wieder herauf gebracht hatte, war er tot. Er wurde schließlich in der Nähe des Franzosenpasses begraben, hier steht ein einfaches Kreuz.

Ich habe dann im 60er Jahr versucht, Heimaterde, die mir die Mutter mitgegeben hat, dorthin zu bringen, aber ich habe das Grab nicht mehr gefunden. 

Ein schwerer Schlag war das 1959 für die Expedition. Aber man hat gedacht, der Wunsch von Heini Roiss wäre es gewesen, dass die Expedition den Gipfel erreicht. Man ist also wieder hinauf und über diesen Nordostsporn höher gestiegen. In diesem Bild sind sie schon ziemlich hoch, das könnte das erste oder schon das zweite Hochlager über dem großen Schneesattel des Nordost-Cols sein.

Da unten ist also dieser Sattel, wo wir später – ich geniere mich ja – mit dem Flugzeug gelandet sind. Das war im 60er Jahr. Damals - 1959 - sind sie noch richtig, ordentlich zu Fuß gegangen. Da hinten ist die Anapurna, der erste Achttausender der bestiegen wurde, 1950 von den Franzosen. Jetzt ist es um den Gipfel gegangen. Ungefähr dort oben, wo du (Hans Ratay) das Lager aufgestellt hast, war Karl Prein mit Pasang Dawa Lama, dem berühmten Sherpa, ein Gefährte von Tichy. Mit diesem Pasang Dawa Lama hat er zwei oder dreimal versucht, trotz des Sturms den Gipfel zu erreichen. Es ist ihm aber nicht gelungen. Das Zelt war zerfetzt und sie mussten aufgeben. Pasang war schon zum dritten Mal am Dhaulagiri unterwegs und hat gesagt, die Götter wollen nicht, dass wir den Gipfel erreichen, wir haben keinen Schlüssel für diesen Berg (we have no key). Aber diese Erstbesteigungsleistung des Nordostsporns, hat natürlich der nächsten Expedition den Weg geebnet. 

So bin ich jetzt bei den Göttern gelandet, die wahrscheinlich nicht gerade glücklich sind, wenn man auf ihre Gipfel hinaufsteigt. Es gibt Menschen, die beschäftigen sich mit diesen Geistern, Göttern, Dämonen usw., nämlich Ethnologen wie meine Tochter. Auch Fritz Moravec hat sich sehr dafür interessiert und ebenso Herbert Tichy.

Es ist mir klar, dass sich auf dem hier gezeigten Bild aus meinem Buch "Der siebente Sinn" kaum ein Mensch auskennen wird, ich habe es vielleicht auch deshalb gebracht – außer dass man drei Gipfel sieht, ist das Gemälde verwirrend. Das hier ist ein Gott auf einem schwarzen Pferd, er heißt – das weiß ich von meiner Tochter – Surra Rakye und ist in der Früh ein gütiger Gott, zu Mittag wird er ein mächtiger Zen und am Abend wird er ein blutrünstiger Dämon. Ein solcher Glaube kann dazu führen, dass Sherpas sagen, jetzt kommt der Abend, schaun wir, dass wir hinabsteigen, bevor die Dämonen wach werden. So etwas ist ja angeblich Fritz Wiessner mit Pasang Dawa Lama am K2 passiert. Als einziger Fixpunkt für jeden: Diese drei Gipfel sind der Makalu, der Lhotse und der Everest. Das ist übrigens ein sehr seltenes Bild: Ein Ölbild, das noch heute kaum aufzufinden ist im Khartatal. 

Ja, und ich habe schon von Herbert Tichy gesprochen, hier ist er mit Pasang Dawa Lama auf dem Gipfelschnee des Cho Oyu. Er hat in seinem Buch "Cho Oyu - Gnade der Götter" diesen Blick von da oben, hinaus in die Weite von Tibet, wunderbar geschildert, man sieht es direkt in sein Gesicht geschrieben.

Fritz Moravec und Herbert Tichy waren eng befreundet. So sehr, dass eines Tages Herbert zu Fritz gesagt hat: "Du, wenn ich einmal tot bin, möchte ich, dass etwas von mir in Tibet begraben wird." Herbert besaß ja einen amputierten, erfrorenen Finger und diesen hat dann Fritz Moravec hinüber nach Tibet gebracht und angesichts des Kailash, des heiligen Berges, an einem verschwiegenen Ort begraben und eine Steinpyramide darüber errichtet.

Herbert Tichy mit seinen Freunden Sepp Jöchler und Pasang Dawa Lama, im Hintergrund der Cho Oyu. Ein wunderbarer Berg. Ich habe jetzt leider keine Aufnahme aus der Nähe, aber sie brauchen bloß in sein Buch hineinzuschauen, dort ist der Berg ja zu sehen. Hier stehen sie, es war eine Herbstexpedition mit fürchterlicher Kälte und in der hat sich Herbert 1954 die Finger erfroren, als er sich auf ein Zelt geworfen hat, das sonst im Sturm davongeflogen wäre. Da genügen ein paar Augenblicke, um sich die Finger zu erfrieren. Er ist aber trotzdem zum Gipfel hinaufgegangen, und dort oben grüßt jetzt Pasang Dawa Lama die Götter.

Ganz kurz als Abschluss zum Dhaulagiri, aber noch nicht als Ende des Vortrages, denn wir haben noch ein paar Achttausender vor uns, ein paar Worte zur Lösung der modernen Zeit: Dem Gletscherflugzeug. Es wurde "Yeti" getauft, weil man 1960 dachte, mit diesem Langsamflieger, es war ein PilatusPorter, vielleicht irgendwo den Yeti aufspüren zu können. Naja, den Yeti hat man nicht gefunden, aber das Flugzeug ist oben im Sattel gelandet, in 5800 Meter Höhe, und praktisch hat der Aufstieg erst von dort über den Nordostsporn begonnen. Später sind alle zu Fuß von unten gegangen, denn inzwischen waren - wenn man es so sehen will - die Berggötter derartig erzürnt, dass dem Piloten bei einem Start im Dapa Col die Gummihaube vom Steuerknüppel rutschte. Ehe er nachfassen konnte, hatte der Flügel schon den Hang berührt und man kann sich vorstellen, wie es dann dahingegangen ist. Wenn heute jemand dorthin kommt, dann sieht er dieses Flugzeug noch dort liegen, in 5200 Meter Höhe.

Die Insassen haben ein Riesenglück gehabt, es ist ihnen nichts weiter passiert als ein paar blaue Flecken. Ernst Saxer und Emil Wick sind von dort rund 3000 Meter ins Tal abgestiegen und haben in für Piloten recht ungewohnter Weise den Flugplatz erreicht.
 
Nun kommen wir zu Hermann. Hermann Buhl, der Erstbesteiger des Nanga Parbat im Alleingang. Hier ist ein Bild von ihm am Broad Peak, so wie ich ihn gekannt hab, man sieht es: Unerschütterlich, er, der Mann, der die Idee vom Westalpenstil prägte.

Aber soweit sind wir noch nicht. Wir sind am Fuß des Nanga Parbat auf der Märchenwiese. Dieser Berg ist ja als einer der schwierigsten Achttausender in die Geschichte eingegangen. Der nackte Berg wird er auch genannt, wegen der vielen Lawinen, die die Flanken hinabfegen und den Schnee dann unten zu gewaltigen Wällen auftürmen. Sie lagern den Schnee aber nicht immer ab, oft sind es einfach riesige Staubwolken die kilometerweit hinausziehen.

Eine dieser Lawinen ist ja im Jahre 1937 einer großen Expedition aus Deutschland zum Verhängnis geworden. 16 Mann sind unter dieser Lawine begraben worden und waren tot. Fast die ganze Expedition mit nur einer Ausnahme. Schon vorher hat der Berg Opfer gefordert, 1934 bei der Nanga Parbat Expedition, die Willi Merkel leitete, gab es zehn Tote.

Ich kann auf diesem Gruppenbild von 1934 jetzt nicht alle Teilnehmer vorstellen, aber man sieht einen herausragen, den großen Eismeister der Alpen, Willo Welzenbach. Es gibt so viel fantastische Routen von ihm, wir haben immer gesagt, ein Welzenbach-Weg bürgt für Qualität. Dort, in dieser ganz großen Höhe, war er nicht so gut beinandner wie die zniachten Mandln, die kleinen, wie etwa Peter Aschenbrenner und Erwin Schneider. Die beiden waren schon bis zum Vorgipfel des Nanga Parbat vorgedrungen und wenn sie weiter gegangen wären, hätten sie wahrscheinlich die Erstbesteigung des Nanga Parbat schon 1934 geschafft. Aber aus Kameradschaft haben sie auf die anderen gewartet und inzwischen war es zu spät, daher sind sie zurück. Dann ist über die Expedition ein fürchterlicher Sturm hereingebrochen, der neun Opfer forderte. Unter ihnen Willi Merkel, Willo Welzenbach, Ulrich Wieland und sechs Sherpas. Alfred Drexel war schon vorher einer Lungenentzündung erlegen. Eine Katastrophe.

1953 – eine neue Mannschaft, die den Nanga Parbat angreift, kommt mit dem jungen Hermann Buhl daher. Er hat bereits in den Alpen wilde Touren hinter sich – man braucht ja nur sein Buch "Achttausend, drüber und drunter" lesen. Es fehlt hier die Zeit, alle übrigen zu nennen. Aber einen will ich noch zeigen, Buhls Gegenpol, Karl Maria Herrligkoffer, der Expeditionsleiter. Die beiden haben nach dem Nanga Parbat fürchterlich gestritten, doch so etwas soll bei Expeditionen ja vorkommen.

Das Leben bei solch einer Unternehmung ist hart und schwierig und die Charaktere der Bergsteiger sind meist stark ausgeprägt und laufen nicht immer auf einer Schiene. Jedenfalls sind die Tagebücher Hermann Buhls, vom Nanga Parbat, vom Broad Peak, von der Chogolisa vor kurzer Zeit veröffentlicht worden, nämlich in einer Neuausgabe von „Achttausend drüber und drunter“, und wer da einmal drinnen lesen will, naja, der sieht ja dann, was los war. 

Zurück zum Gipfel: Vom letzten Hochlager geht Hermann Buhl im Alleingang seinen legendären Weg, zwischen den Silberzacken durch, über das Hochplateau ... 41 Stunden ist er unterwegs zum Gipfel des Nanga Parbat und wieder zurück. In die Geschichte des Himalaya geht dieses einzige Gipfelbild ein, das uns erhalten ist, der Tiroler Wimpel an seinem Pickel, unten das Hochplateau und die Silberzacken, in der Ferne die Gipfel des Karakorum.

1957 hat Hermann Buhl sich gesagt, eine so große Expedition auf den Nanga Parbat mit so vielen Leuten „brauch ma net“, zu guter Letzt bleiben doch immer bloß ein paar Kameraden über, auf die kann man sich total verlassen. Ich gehe lieber mit einer ganz kleinen Expedition ohne Hochträger, ohne Sauerstoffgeräte. Später haben wir das den Westalpenstil genannt.

Hier in dieser Aufnahme von uns Vieren steht rechts Hermann, der bergsteigerische Leiter, Markus Schmuck, ihm gegenüber, ist der allgemeine Expeditionsleiter, Fritz Wintersteller, ein ganz starker Bergsteiger, man sieht das schon am Brustkorb, steht ganz oben und ich ein bissel zniacht, wie man sieht, dazwischen. Ich war 25 Jahre alt, ich bin als letzter dazugekommen. Man wird sich vielleicht wundern, wieso bin ich als letzter dort hingekommen? Der Hermann Buhl hat mich über Empfehlung von Kurt Maix, den Bergschriftsteller, eingeladen, aber die Empfehlung alleine hätte auch nichts genützt, hätte ich nicht als Erster die Schaumrolle der Königsspitze bewältigt. 

Das war jedenfalls das umwerfend Neue an dem Plan, den Hermann gehabt hat: Wir müssen die Lasten selber schleppen! Hier im Bild waren uns die Träger schon davongelaufen, da hat der Hermann bloß gesagt: "Burschen das ist ein gutes Training für das, was wir am Berg vorhaben". Eigentlich wollten wir die Lasten erst am Berg selber schleppen! 

Ja, aber eigentlich hat mich Hermann mitgenommen, weil ich kurz vorher im September 1956 gemeinsam mit Albert Morocutti und später mit dem Hannes Unterweger und Herbert Knapp – es ist auf zwei Raten gelaufen – die Erstdurchsteigung der Direttissima bis zum Gipfel der Königsspitze geschafft hatte. Im unteren Teil ist es die Ertlroute von Hans Ertl und Hans Brehm aus den 1930er-Jahren, aber Ertl hat ja nur 4 Eishaken gehabt, da ist er über die Eisbollwerke nicht hinaufgekommen, er ist dann schräg hinaus. Ich habe ein Dutzend Eishaken mitgehabt. Das war eine ganz, ganz wilde Sache, die wildeste meines Lebens, hier über diese Überhänge hinaufzukommen. Dort unten waren noch Herbert Knapp und Hannes Unterweger. Wir hätten uns eigentlich heraußen auf dem Grat zum Gipfel treffen sollen, aber in der Nacht haben sie es sich anders überlegt. Ich habe das ja in meinen Büchern beschrieben, sowohl in „Gipfel und Gefährten“ als auch in meinem letzten „Aufbruch ins Ungewisse“. Zu guter Letzt ist ihnen noch ein Eisbeil kaputt gegangen und ich habe 12 Haken und die wichtigen Steigbrettln dabei gehabt. Wir haben uns wieder geeinigt, so wie die Russen und die Amerikaner manchesmal. Meine Bedingung war, die Rolle zu führen und ich habe sie dann auch tatsächlich geführt. Es war die riskanteste, gefährlichste und auch schwierigste Bergfahrt in den Alpen, die ich je durchgeführt habe.

Damit kommen wir jetzt zu bewegten Bildern, nämlich der DVD vom Start zum Broadpeak. Die Daunenjacken habe ich in Wien anfertigen lassen, die Daunen gebettelt, den Stoff und das alles zusammen. Alles war viel schwerer als heute! 

Teile des Textes aus dem Video:

"Hermann Buhl muss Vertrauen zu mir gehabt haben. Einen Monat vor der Abreise sagte er: ‚Kurt, du bist unser Expeditionsarzt’. Auf meine erstaunte Frage warum, sagte er: ‚Du hast studiert’. ‚Aber Hermann, ich habe doch Welthandel studiert!’ ‚Das macht nichts, du kannst das schon’".

"Am 9. Juni gelingt uns allen Vieren die Erstbesteigung des Broad Peaks, wird sind überglücklich" ...

"Kurz darauf, am 27. Juni sind Hermann Buhl und ich im Aufstieg an der Chogolisa. Nur zu zweit. Der Berg ist 7654 Meter hoch. Wir geraten in einen Sturm und drehen um. Ich war voraus und habe fast nichts gesehen, es war oben ein bisschen dunkler, unten ein bisschen heller. Zur Linken, da war der Wächtenrand, das wusste ich, auf der rechten Seite, da war die Wand, in der die Schneebretter hingen. Dazwischen irgendwo musste man durch. Noch sah ich dann und wann ein Pickelloch, und plötzlich da mitten drin auf einmal geht ein Schlag durch die Schneefläche. Ich spring’ entsetzt in den Hang hinein, gehe noch ein paar Schritte bergab, bleib’ stehen, dreh mich um, will Hermann Buhl fragen, was da war – und ich seh’ ihn nicht. Aber da war eine Wölbung im Hang und so wart’ ich einen Augenblick, er muss ja gleich kommen. Er kommt nicht. Plötzlich kommt mir eine böse Ahnung – ist da etwas passiert? Ich keuch’ den Hang zurück hinauf und bin jetzt auf der Wölbung, aber Hermann Buhl ist verschwunden, er ist nicht mehr da. Entsetzt gehe ich zurück, bis ich an die Stelle komme, und ich seh’ das noch deutlich vor mir, diese paar Fußstapfen von Hermann, die da hinaus führen, auf den Wächtenrand und dort ist der zackige Rand eines Wächtenbruchs, da ist die ganze Riesenwächte abgebrochen und der Hermann ist in die Nordwand abgestürzt." 

Ja, liebe Berggefährten, liebe Bergfreunde aus Wien. Eigentlich mit den Achttausendern, mit den Erstbesteigungen wären wir jetzt am Ende. Aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass nur die Erstbesteigungen wirklich das Herz eines Menschen erfüllen können. Wenn heute jemand wieder zu den Gipfeln, auch zu den hohen, hinaufsteigt, dann kann er genauso glücklich sein, auch wenn es keine Erstbesteigung ist. Ich habe ihnen deshalb noch ein paar Minuten Film gebracht von einer Fahrt, die mich auf den Gipfel des Everest gebracht hat. Es war auch irgendwie eine "Erste", zwar keine Erstbesteigung aber eine Erstfilmerei. Ich hab’ dort droben mit der Kamera die Franzosen festgehalten, wie sie auf dem höchsten Punkt des Everest, das ist nämlich hier, wie sie dort droben stehen und sich freuen und wie Pierre Mazeaud sogar eine Rede an sein Vaterland hält, die über Satellit übertragen wurde.

Ich muss dazu sagen, natürlich in der Rede wurde unheimlich viel gehustet, das haben die in Paris natürlich alles rausgeschnitten, denn die ersten Franzosen auf dem Gipfel des Everest dürfen natürlich nicht husten. Ich will kurz erklären, bevor wir den Film sehen, wieso die dort oben immer so weit ausholende Bewegungen wie im Freistilringen machen. Wir haben noch keine Videokamera gehabt, und damit das Filmbild mit dem Ton zusammenpasst, haben wir mit den Händen zusammenschlagend einen "Klatscher" tun müssen. Die Franzosen dort oben wollten aber wegen der Kälte die Handschuhe nicht ausziehen. Es waren dauengefütterte Handschuhe, da hätte man das Zusammenschlagen nicht gehört. Wir hätten somit keinen Synchronpunkt gehabt. Daher habe ich gesagt, ihr macht eine weit ausholende Handbewegung, so mit dem ganzen Arm und in dem Moment, wo die Hand am Auge vorbekommt, schreit’s laut "Tschack". Das hat nicht ganz genau gestimmt, aber ungefähr. Und inzwischen habe ich auch noch das Panorama gefilmt, ich habe mich auf meinem Schuhabsatz herumgedreht, 360 Grad, und habe darauf geachtet, dass der Horizont ungefähr passt, damit ich nicht tiefer ankomme als ich angefangen habe. Das ist x-mal dupliziert worden und wurde, wenn Bild und Ton nicht mehr synchron waren, hineingeschnitten und dann war alles wieder syncron. 

Ich zeige euch ein paar Minuten davon, weil es einfach nett ist. Die Franzosen reden natürlich französich, ich kann euch nicht alles übersetzen, aber ich werde hin und wieder hineinrufen, was los ist. Ihr werdet natürlich immer wieder Pierre Mazeaud, den Ex-Sportminister von Frankreich sehen, denn er war in dem Film mein Darsteller. Die beiden Jungen haben nicht gewartet, die sind vorausgelaufen, ist eh klar, aber den armen Pierre habe ich auf 8500 Meter noch so hin und hergehetzt und habe gesagt, das war nicht gut, du musst jetzt noch einmal von links nach rechts. Auf diese Weise haben wir zwei Tage gebraucht, wir sind inzwischen wieder zum Südsattel, auf 8000 Meter abgestiegen, und das, was wir hier sehen, ist erst der zweite Tag, an dem wir den Gipfel des Everest wirklich erreicht haben, am 15. Oktober 1978. Bitte, die DVD. 

Wir sind jetzt wieder im Südsattel, es geht los. Jetzt setzt er sich einmal hin. Im Basislager wird das mit Begeisterung verfolgt. Die Franzosen weinen, die ersten Franzosen sind am Gipfel des Everest angekommen! Ich steige weiter mit Pierre. Wir haben eine Kamera gehabt, die Jungen waren schon oben, haben natürlich auf uns gewartet. Der Pierre muss wieder einmal über mich drüberklettern, er war ein geduldiger Mensch. Jetzt sind wir alle vier oben. Die ganze Welt ist unter uns, der Makalu, das Basislager, die tibetische Hochfläche, die Berge Nepals, der Lhotse, 8500 m. Die französische Flagge erstmals auf dem Dach der Welt, sagt er ...

Ja, liebe Damen und Herren, jetzt sind wir am Ende meines Vortrages angekommen. Es ist nicht das Ende dieses Abends, wir werden noch, soviel ich weiß, ein schönes Musikstück hören und wer sich dann interessiert, es gibt Bücher, die die Frau Eva Moravec mitgebracht hat, ich habe auch Bücher mitgebracht und Sie sind sehr herzlich eingeladen, wenn Sie unterwegs zum Bufett sind, vielleicht einmal einen Stopp zu machen. 

© Copyright by Kurt Diemberger