Vom Trübsinn zum Frohsinn des Lebens
Ein Buch für alle Stimmungen
12.02.2024
Der „Fernsehdoktor“ ist in Hietzing ein Begriff. Der mittlerweile im Ruhestand befindliche Gründer dieses Unternehmens – Herr Ing. Johann Schwarz – hatte einen markanten Teil seines Lebens der Reparatur von Radios und Fernsehgeräten gewidmet, und das seit dem Beginn des Siegeszuges der Unterhaltungselektronik in den Wohnungen der Menschen. Natürlich hatte Ing. Schwarz auch andere Interessen, eine dieser Neigungen hat ebenfalls mit Unterhaltung und Reparatur zu tun: Sein lyrisches Schaffen. Er hat Menschen zugehört und versucht, ihre Gefühle und Stimmungen in Gedichten zu beschreiben. In den unzähligen Gedichten, die so entstanden sind, kann jeder etwas finden, das seine Stimmung zu verbessern imstande ist.
Seinen Drang, Dinge für andere in Ordnung zu bringen, verspürte er schon in frühester Jugend. Diese spezielle lyrische Facette blieb allerdings tief in seinem Inneren verborgen. Ein desaströser Spanien-Urlaub (Auto gestohlen etc.) sollte dies ändern. Die psychosomatische Nachwirkung dieses Traumas führte zu einem schweren, von den Ärzten zunächst nicht erkannten Nervenleiden. Erst die Erkenntnis und verschiedene Behandlungen des Speisinger Homöopathen Dr. Thomas Kroiss führten zur Gesundung. Doch mit der Gesundung brach die oben genannte lyrische Neigung hervor und wurde zu einer Besessenheit, erlebte und geträumte Dinge in Gedichtform „los zu werden“. In jeder Lebenslage zu Hause, im Auto, im Beruf hinter dem Fernseher oder sonst wo war jedes Papier, auch der Parkschein, recht, um den augenblicklichen Einfall festzuhalten. Besonders wichtig waren Papier und Stift auf dem Nachtkastl, um den oft skurrilen Traum festzuhalten, ehe die Erinnerung daran entschwand. In Stunden der Muße wurden die Notizen dann zu fertigen Gedichten vollendet. Diese Phase währte allerdings nur rund zwei Jahre, von 1981 bis 1982, in den Jahren darnach kamen nur einige Gedichte dazu. Die von Freundinnen mit Schreibmaschine getippten 183 A4-Seiten wurden 1983 zu einem Gedichtband gebunden: „Menschen, ihre Gefühle und ihre Gedanken in Gedichten“ war der Titel. 1986 wurde auf dieser Basis ein kleines Büchlein herausgegeben: „Lyrisch durch’s Leben – Aus der Schmunzelküche“. Es war mit Zeichnungen von Hannes Margreiter illustriert und wurde im Geschäft um jeweils 100 Schilling an Kunden verkauft.
Für Lesungen wurden 16-Seitige Broschüren im Din-A5-Format hergestellt und um 25 Schilling verkauft. Einige dieser Broschüren hatten Titelbilder von Gerhard Förster, der in den 1980er-Jahren bereits ein bekannter Comic-Zeichner war und heute ein bekannter Comic-Fachmann sowie Mit-Herausgeber und Redakteur der bekannten Comic-Fachzeitschrift „Sprechblase“ ist. In diesem Zusammenhang darf der Verein „Lyrik und Co und so“ nicht unerwähnt bleiben. Das war eine Gemeinschaft von Autoren und Musikern, die mit ihrer Kunst andere Menschen erfreuen wollten. Sie veranstalteten Lesungen in sozialen Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen. Mitglieder waren unter anderem Johann Schwarz selbst, Hannes Margreiters Frau Margit Margreiter, Gerhard Försters Bruder Walter Förster und Reinhard Mut, der damals als „Erster Wiener Sagenerzähler“ von sich reden machte. Heute bezeichnet er sich in seiner Biografie als „bunter Hund“ (vom Hundeflüsterer zum Theaterintendanten und noch immer Wiens Sagen- und Märchenerzähler WIENY). Hannes Margreiter und Gerhard Förster förderten den Verein, indem sie kostenlos Titelbilder und sonstige Grafiken zeichneten, auch für Johann Schwarz. Der Verein „Lyrik und Co und so“ wurde um das Jahr 1985 wieder gelöscht.
Nach diesen Aktivitäten verschwand alles für rund 40 Jahre in einer Lade, abgesehen von der Verwendung einzelner Gedichte für die Firmenwerbung, für einen Beitrag in der Bezirkszeitung, für ein paar Lesungen in Heimen oder Clublokalen, einmal sogar für den Seniorenclub des ORF.
Mich hat die nun erfolgte Neuauflage der Gedichte veranlasst, ein Gespräch mit dem Autor zu führen. Das Ergebnis ist die folgende kurze Biografie.
Am 28. Juli 1948 in Deutsch Wagram geboren wurde er auf die Namen Johann Paul Karl getauft. Paul und Karl hießen die im Krieg gefallenen Brüder seiner Mutter Franziska, geborene Lehner. Sein Vater Johann war Amtsrat im Zentralen Passamt in der Wiener Postgasse. Er soll an den damaligen Passgesetzen mitgearbeitet haben. Die tägliche Reise von Deutsch Wagram zu seinem Arbeitsplatz war entsprechend zeitraubend, die Schnellbahn fuhr nur bis nach Floridsdorf, dann waren der 31er bzw. die Straßenbahnlinien A oder B zu nehmen.
Der junge Johann besuchte die Volksschule in Deutsch Wagram und die Unterstufe des Gymnasiums in Gänserndorf. Dort sollte er dem Wunsch seiner Eltern nach auch bleiben, doch Johann wollte etwas „Technisches“. Schon als Kind hatte der dafür eine Leidenschaft entwickelt, die sich in der Reparatur von Spielzeugen und mit zwölf Jahren sogar in der Instandsetzung von Radiogeräten offenbart hatte. Letztere begann allerdings mit einer glücklichen Fügung: Als er den kaputten Radioapparat des Großvaters in Augenschein nahm, vermutete er eine blau leuchtende Röhre als Schadensursache. Johann zog sie heraus, setzten die ähnlich aussehende eines anderen kaputten Gerätes ein und siehe da, das Radio funktionierte wieder. Großvater war begeistert und erzählte es allen: „Der Bub ist ein Genie und muss was technisches werden!“
Die in einfachen Verhältnissen lebenden Eltern waren allerdings weniger begeistert, denn zu einer technischen Ausbildung gehörten ein Zeichenbrett mit Lineal, Zirkel, Rotringfeder etc. zur Grundausstattung und das war teuer. Für das Gymnasium in Gänserndorf hätte man das alles nicht gebraucht. Doch schließlich wurde dem Wunsch Johanns entsprochen und er durfte Nachrichtentechnik und Elektronik am TGM in der Währinger Straße lernen. Bis dahin hatte er sich bereits autodidaktisch weiter gebildet und so manches Radio- und Fernsehgeräte befreundeter Familien repariert.
Auch hier hatte er Glück. Johann war ein guter Schüler, vor allem Mathematik war seine Stärke und ein nicht so lernfreudiger Schulkamerad bedurfte seiner Nachhilfe. Dessen Vater sagte zu Johann: „Horch’ zu, ich kann dir nicht viel bezahlen, aber es soll trotzdem nicht zu deinem Schaden sein. Ich bringe dir bei, wie man Fernseher repariert.“ Sein Name war Ernst Fegerl, er war Fernsehtechniker und hatte einen eigenen Betrieb, den „Austria Fernsehdienst“. Sein Nachhilfebedürftiger Sohn hieß Johannes. Am Ende der Schulzeit war Johann ausgebildeter Elektroniker und auch Fernsehtechniker.
Das sollte sich auch finanziell als sehr vorteilhaft erweisen, denn Herr Fegerl war die Reparaturfirma für Möbel Ludwig in Floridsdorf. Diese hatte viele Kunden in Straßhof, Deutsch Wagram und Umgebung und Herr Fegerl begann, Johann mit Fernsehreparaturen in dessen heimatlicher Umgebung einzusetzen. Das Material musste Johann bezahlen, den Lohn durfte er behalten.
Die wurde zu einer einträglichen Nebenbeschäftigung Johanns, der diese Aufträge nach dem Ende der Unterrichtsstunde um drei oder vier Uhr erledigen konnte. Seine Kundenkartei enthielt am Ende der TGM-Zeit im Jahr 1968 bereits rund 500 Adressen. Nach der Matura verpflichtete er sich für ein Jahr freiwillig beim Bundesheer. Statt der üblichen Grundausbildung in Langenlebarn saß er bald in einem Lehrsaal, um zu einem Radartechniker ausgebildet zu werden. Im Speziellen stand ein analoges Flakradar zur Verfügung. Seine Vorgesetzten dachten wohl, er würde sich länger verpflichten. Johanns Hauptinteresse waren aber die freien Wochenenden zur Erledigung der zahlreichen Reparaturaufträge.
Die Voraussetzung für die Gründung einer eigenen Firma war die Meisterprüfung. Dank seiner TGM-Ausbildung benötigte er zur Prüfungszulassung bloß den Nachweis einer einjährigen Praxis. Diese hatte er im Austria Fernsehdienst, in dem er ab Mai 1970 angestellt war, bald absolviert. Die Gewerbeberechtigung für das Radiomechanikergewerbe trägt das Datum 28. Februar 1972. Der Titel Ingenieur wird fünf Jahre nach dem TGM-Abschluss zuerkannt. Bei Johann war dies der 15. September 1973.
Herr Fegerl war zudem froh, in Johann einen Nachfolger gefunden zu haben, denn sein Sohn hatte kein Interesse an der Firma. Johann kaufte Fegers nicht protokolliertes Einzelunternehmen mit der Werkstatt in der Andreasgasse im 7. Wiener Gemeindebezirk und gab ihm einen neuen Firmennamen: „Fernsehdoktor Schwarz“. Diesen Titel hatte nicht er selbst erfunden, sondern einer seiner zufriedenen Kunden in Deutsch Wagram: „Du bist unser Fernsehdoktor!“, sagte dieser. Ein wesentlicher Grund für die rasche Änderung des Firmennamens „Austria Fernsehdienst“ waren die häufigen Anrufe mit Beschwerden über das Fernsehprogramm.
Ab und zu besuchte Johann Tanzveranstaltungen im Mariahilfer Kolpinghaus. Dort lernte er Brigitte kennen und lieben. Am 29. Juni 1978 heirateten sie standesamtlich, am 1. Juli kirchlich. Im Jahr 1982 wurde Sohn Christoph geboren. Brigitte war Volksschullehrerin, wohnte in der Lockerwiesen-Siedlung und damit wurde Johann zum Hietzinger. Er mietete eine Wohnung in der Auhofstraße 134, damals gab es in diesem Haus noch das Oeser-Kino.
In diesem Zusammenhang verlegte sich auch der Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit nach Hietzing. Sein erstes Lokal war ein 1972 gemietetes Zimmer neben der „Rast am Roten Berg“, Bossigasse 57, und hatte 16 Quadratmeter. Das erlaubte noch keinen Handel, sondern nur das Abstellen der Werkzeuge. Repariert wurde ja beim Kunden.
Dieses Lokal wurde 1976 wieder aufgegeben und stattdessen eine leerstehende Wohnung im Haus Hietzinger Hauptstraße 94 in Unter St. Veit gemietet und als Geschäftslokal adaptiert. Die Fenster wurden zu Auslagen erweitert und der Eingang an die Ecke zur Bossigasse verlegt.
Das Geschäft florierte, auch die Reihe der prominenten Kunden wurde immer länger. Wesentlicher Treiber war die Mundpropaganda zufriedener ORF-Mitarbeiter vom Küniglberg. Technische Probleme waren unbekannt, sie ergaben sich erst mit dem Aufkommen der nur schwer reparablen Flachbildschirme. Natürlich war auch die zunehmende Wegwerfkultur dem Reparaturgeschäft abträglich.
Zu Spitzenzeiten waren insgesamt 13 Mitarbeiter im Unternehmen. Mit der Übersiedlung in die Hietzinger Hauptstraße kam zur Reparatur von Geräten auch dessen Verkauf hinzu. Die Enge des Lokals, es hatte nur 60 m2, wurde mit weiteren Mietflächen in unmittelbarer Umgebung ausgeglichen. Dazu zählte eine ehemalige Wäscherei schräg vis-vis als Werkstatt, ein ehemaliges Zuckerlgeschäft auf der Hietzinger Hauptstraße 98 als Lager und später das ehemalige Lebensmittelgeschäft Simroth als Werkstätte statt dem wieder aufgegebenen dunklen Kellerlokal der ehemaligen Wäscherei. Früher soll es im Bereich Bossigasse auch eine Tankstelle gegeben haben.
Ende der 1980er-Jahre wurde das nicht protokollierte Einzelunternehmen in eine GmbH umgewandelt und im Zuge dessen drei Viertelanteile an Mitarbeiter verkauft. Ing. Johann Schwarz blieb gewerberechtlicher Geschäftsführer und wartete mit dem Verkauf des vierten 25%-Anteils, bis einer der Kollegen seine Meisterprüfung abgelegt hatte. Auch dann blieb Ing. Johann Schwarz noch ein paar Jahre für das Unternehmen tätig: Er inspizierte Örtlichkeiten für Satellitenantennen, legte Anbote und schloss Kaufverträge ab.
Frühe Schlaganfälle wegen einer geerbten Bluterkrankung zusammen mit einem spät erkannten Vorhofflimmern erschwerten ihm seine Tätigkeit, aber auch seine Hobbys. Eines der Hobbys ist die Elektronik in verschiedenen Anwendungen, zuletzt baute er an einer quarzgetriebenen Uhr mit einer effektvollen Anzeige aus unzähligen LEDs. Ein lebenslang erhaltenes Kindheitshobby war der mit sechs Jahren erhaltene und ständig erweiterte Märklin-Metallbaukasten. Dazu gibt es eine ausgeprägte Fangemeinde mit Internetforen, Jahrestreffen und Vereinszeitschriften. Den bis vor etwa zwei Jahren benutzen umfangreichen Baukasten erwarb Johann auf „Willhaben“. Die gebauten und dann bald wieder zerlegten Modelle großer Bagger oder Lokomotiven etc. erreichten höchste Komplexität. Das nach den Schlaganfällen verlorene Feingefühl in den Fingern machte dem eine Ende.
Das 2021 erkannte Krebsleiden kostete weitere Lebensqualität. An die Stelle der Hobbys trat die Neuauflage des Gedichtbandes. Das 1983 herausgegebene Skriptum wurde um stimmungsvolle Bilder und spätere Gedichte ergänzt und hochwertig produziert. In dieser Form möchte er der Nachwelt Großteile seines lyrischen Schaffens hinterlassen und ein wenig Trost spenden. Seinen Künstlernamen hatte er schon 1983 von „Johann Paul Karl Schwarz“ auf „Johann Maria Schwarz“ geändert. Maria ist der zweite Vorname seiner Mutter und schließlich ist jeder Mensch eine Mischung des Erbgutes beider Elternteile.
Das Buch ist im Eigenverlag (ISBN 978-3-200-09633-2, A4, Hardcover gebunden, 504 Seiten) erschienen und um € 49,50 erhältlich. Die besondere Note des Buches ist die Reihung seiner Gedichte: Sie beginnen mit Tod und traurigen Dingen und werden dann immer fröhlicher. Der von Trübsinn befallene Leser kann somit an einer passenden Stelle beginnen und seine Stimmung in der Folge sukzessive verbessern.
Zum Abschluss und als Kostprobe ein Mundartgedicht mit Bezug auf das ehemalige Oeser-Kino:
Das letzte Kino
Des letzte Kino habn's heit gspead
des, glei bei uns um's Eck.
Vielleicht machn's an Großmarkt auf
oda a Diskothek.
Des letzte Kino habn's heit gspead
wo i als Kind scho woa
in dem i gwand hob und a glocht
wann bledl'd hot a Noa.
Der Charlie Chaplin hot do gspült
da Dick und a da Doof
und monchmal hob i's miterlebt
des vurnehm Lebn zu Hof.
Des letzte Kino hobn's heit gspead,
da Vurhong fallt, s'is aus
vurbei die große Illusion
vum Liabschmerz, Tod und Mickymaus
Da Herr Direktor schließt sei Buach
sogt Leit, da Tog is do
Dann nimmt er miad sein Huad in'd Hond
und spead die Kassa o!
Guad Nocht, sogt er zum letztn Gost
geht longsam zu da Tia
de spead er surgsam ohne Host
voi Rua, so kummt ma fia.
Wannst du mi frogst, was i denn wü
wos denn jetzt andas ist
i was net, ob du mi vastehst
doch antwort i do gwiß.
S' is ollas so wia jeden Tog
andas is ans blos nua
wonn'd Leit a jetzt drum zauna wern
muagn bleibt des Kino zua.