Zur Wildsau
Früher das Café Tiergarten, heute eine Heurigenschenke mit schattigem Gastgarten und schöner Aussicht über Wien
2009
Chronologie und Beschreibung
1914 –1918
Während des Ersten Weltkrieges wird die Baracke für den Zweck eines Tierlazaretts errichtet, dann aber als Lazarett für Soldaten eingerichtet. Das Grundstück gehört der Baumeisterfamilie Trillsam.
1927
Mit Kaufvertrag vom 14. Juli 1927 erwerben Karl und Albertine Hauer den aus den Besitzungen Baumeister Anton Trillsams herausgelösten Grund mit der Parzellennummer 772 in der Größe von 4.463 m² samt darauf stehender „Hubertusbaracke“ um 17.852 Schilling Gold. Dem Schilling-Gold war der gesetzliche Feingoldgehalt von 21,172086 Gramm für 100 Schilling zugrundegelegt.
Zu diesem Zeitpunkt betreiben sie bereits eine „Kaffeeschank“ in dieser Baracke und wohnen darin. Im Laufe der Zeit wird das Lokal als Hauerhütte oder als Café Hauer bekannt. Von der Ghelengasse hinauf führte eine Gasse mit Hohlwegcharakter. Der Name der Hütte überträgt sich auf die nebenliegende Gartenanlage. Die Ehe von Karl und Albertine bleibt kinderlos.
1939
Am 12. März stirbt Karl Hauer, und die Witwe Albertine, „Kaffeeschänkerin“ im Stock im Weg, Parzelle 772, Hubertusbaracke erbt seinen Liegenschaftsanteil. Eine Konskriptionsnummer wurde der Baracke nie zuerkannt.
1952
Am 29. Februar stirbt Hauer Albertine. In ihren Testamenten bestimmt sie Frau Marie Neulinger, geb. Franschitz, zur Universalerbin. Sie ist eine Nichte des Karl Hauer und dürfte schon lange, möglicherweise vor dem 2. Weltkrieg, aus dem Burgenland hierher gezogen sein, um im Betrieb zu helfen. Ihr Mann fiel im 2. Weltkrieg.
Frau Neulinger nennt den Betrieb „Cafe Tiergarten“. Sie erweitert das Lokal sukzessive um eine verglaste Veranda, Schuppen und Toiletten (Plumpsklos). Die Bänke und Tische sind gehobelte Bretter auf in die Erde geschlagenen Holzpfosten. Über lange Zeit werden sie von Herrn Richard Mühlberger (er ist Tischler und hat im Hauerweg einen Garten) montiert. Vermutlich hat sich so mancher Gast einen Holzspan eingezogen.
Das angebotene Essen ist auf Schmalzbrote, Schinken mit Ei und Mehlspeisen (Gugelhupf, Buchteln, Strudel) beschränkt. Frau Neulinger bäckt die Mehlspeisen selbst, schon um 4 Uhr in der Früh steht sie in der Küche. Der Obstbelag auf den Mehlspeisen ist je nach Jahreszeit unterschiedlich. Zu den Mehlspeisen gibt’s Häferlkaffee, ansonsten Bier, Rot- und Weißwein von hervorragender Qualität zu trinken; und nicht zu vergessen: Ribiselwein aus Kritzendorf. Der ist wegen seiner Süße vor allem bei den Damen sehr beliebt, aber gefährlich! So mancher Gast geht vermutlich seinetwegen beschwingt nach Hause.
Frau Neulinger wohnt und arbeitet in der Hütte unter sehr einfachen Umständen. Das Fließwasser kommt aus einer Zisterne im Lainzer Tiergarten, das Licht aus Petroleumlampen, das Abwasser fließt in eine Senkgrube. Der Strom wird erst 1968 eingeleitet, der Anschluss an die öffentliche Kanalisation erfolgt 1987. Mit der Einleitung des „Winterwassers“ in die Siedlung Hauerweg im Jahr 1997 bekommt sie auch Leitungswasser. Die Lebensmittel werden geliefert; die Backwaren von der Bäckerei Schwarz, die Fleischwaren von Wiesbauer (Auhofstraße) und Greger (Nisselgasse). Die Getränke werden vom jeweiligen Produzenten geliefert.
Die Gäste sind Spaziergänger und Wanderer, die auf eine Jause kommen und sich erholen wollen. Sie sind meist gutbürgerlich, viele von ihnen gut situiert. Sie fühlen sich wohl und genießen die schöne Aussicht. Die große Wiese neben den Sitzplätzen wird auch als Liegewiese genutzt, an Samstagen und Sonntagen ist sie voll mit Liegestühlen. Die Liegestühle können aus einer eigenen Hütte gemietet werden; in dieser Hütte befindet sich auch ein Kessel, in dem Frau Neulinger ihre Wäsche wäscht.
An schönen Tagen führt eine regelrechte Völkerwanderung hinauf, viele wählen wegen des angebotenen Obstes den Weg durch die Gartenanlage. Gesperrt wird in den Sommermonaten zwischen 21 und 22 Uhr, im Winter früher.
1963
verkauft Frau Neulinger, bezeichnet als Kaffeesiederin in Wien 13., Stockimweg No. 772, das untere Drittel des Grundstückes. Die Käufer, die darauf sukzessive Gartenhäuser errichten, sind Stammgäste wie Herr Zucker, ihr Steuerberater, Frau Hein, Geschäftsfrau in der Neue-Welt-Gasse und Frau Launer, ihre Tabakwaren-Lieferantin.
1982
Marie Neulinger stirbt am 18. März. Obwohl das Lokal eine Goldgrube ist und sie sparsam gelebt hat, hinterlässt sie – von dem verbliebenen Teil der Liegenschaft abgesehen – kein nennenswertes Vermögen. Von einem weiblichen Gast hatte sie sogar Geld ausgeborgt und einen Teil des Grundstückes verpfändet.
Die Liegenschaft geht an die beiden Nichten Resi Fischer und Gerti Hussek. Sie hatten schon mehrere Jahre mitgearbeitet und betreiben das Lokal weiter. Es gibt zahlreiche Bewerber, die ein Gebäude (mit Gastronomie) errichten wollen. Aufgrund der Widmung ist das aber nicht möglich.
1984
Vermutlich werden die Auflagen zu teuer, und die Damen verkaufen nach zwei Jahren die Grundstücke und Objekte an Herrn Peter Feigl, der Teile weiterverkauft.
1985
wird das Lokal an die Familie Krommer (Martin Krommer Ges.m.b.H.) vermietet. Unter dem Namen „Zur Wildsau“ entwickelt es sich zum In-Lokal mit entsprechendem Gästemix.
Zur Zeit des Redaktionsschlusses im Jahr 2009 wird das Lokal als Heurigenschenke geführt und bietet ein reichhaltiges Buffet mit Gesurtem, Gebackenem, Vegetarischem, Salaten, Käse vom Brett, hausgemachten Mehlspeisen etc. und reichhaltiger Getränkeauswahl. Der Ribiselwein darf natürlich nicht fehlen.
Album Zur Wildsau und den Vorgängerbetrieben
Slatingasse 22
Tel.: 0664/325 84 88
Homepage: www.wildsau.at
E-Mail: info@wildsau.at