Das Hochwasser vom 29. Juli 1785

Bericht der Wiener Zeitung
29.07.1785

Die Gestern vielmal wiederholten und anhaltenden Regengüsse, und ein, dem Vernehmen nach, unferne Burkersdorf niedergegangener gewaltsamer Wolkenbruch, hat den allhier vorüberströmenden Wien-Fluß so sehr und so plötzlich überladen, daß er des Nachmittags nach 3 Uhr ganz unvermutet so hoch über seine Ufer empor stieg, als es seit Menschen Gedenken nie geschehen war. Alle Gegenden an beiden Seiten dieses Flusses, besonders die hiesigen nahe daran gelegenen Vorstädte, wurden davon auf eine Höhe von 8 bis 9 Schuhen überdeckt, daß also das Wasser in alle Häuser und Buden bey Fenstern und Thüren eindrang. Erst ungefähr nach 6 Stunden nahm es wieder ab, und ist nun beynahe allenthalben in die Ufern zurückgetretten; aber in den Häusern sind noch alle Keller davon erfüllt.

Es ist unbeschreiblich, mit welcher Gewalt das Wasser einherströmte; es glich einem Ocean, so hoch waren die Wellen, die es warf. Sein Lauf war Verwüstung auf beyden Seiten. Alle Blanken, Zäune, Bäume, Gärten, Stege, Brücken, Hüten, und selbst gemauerte Häuser, besonders am Magdalenengrund, die nahe am Ufer sich befanden, wurden mitfortgerissen. Balken von ungeheurer Grösse, Brunnröhren :e. schwemmte es hinweg, die Wehren rieß es in Stücken, von den Ufern nahm es beträchtliche Erdstücke, und allenthalben durchwühlte es den Boden. Man kann hieraus urtheilen, wie groß der angerichtete Schade sey; denkt man aber noch hinzu, was in Häusern und Gewölben verdorben worden ist, so scheint derselbe unermeßlich; denn niemand war eines solchen Unglückes sich vermuthend. Man sah auf dem Wasser häufig Fässer, Waaren, Geräthschaften, leider aber auch verunglückte Menschen und Kinder, nebst Pferden und anderem Vieh, davon eine bertächtliche Anzahl umgekommen ist.

Auch der Alserbach ist zur nämlichen Zeit so gäh und hoh angewachsen, daß er die an seinem Ufer liegenden Orte und Vorstädte dergestalt überschwemmte, daß das Wasser in niedrigen Häusern im Lichtenthale bis an die Dächer stieg, Mauern einstürzte, und gleichfals überal solche Verwüstungen wie der Wienfluß verbreitete.

Die Donau ist dadurch ebenfals aus ihrem Ufer getreten, ohne jedoch beträchtlichen Schaden zu verursachen.

Des Kaisers Maj. hatten nicht sobald von diesem Unglücke gehört, als Sie zu Pferde in die der Gefahr ausgesetzten Gegenden sich begaben, und durch Ihre Gegenwart die zur Rettung und Hilfe getroffenen Anstalten beseelten.

Quellen:
Wiener Zeitung vom 30. Juli 1785

Übertragen von hojos
im März 2014