Die Korrespondenzkarte

01.11.1869

Im Jahre 1865 schlug der Geheime Postrat Heinrich Stephan in Karlsruhe die Einführung eines "Postblattes" zur raschen Übermittlung von Nachrichten vor. Der Vorschlag stieß auf Ablehnung: "Es sei beleidigend und unmoralisch Nachrichten offen zu verschicken". Die Anregung wurde zu den Akten gelegt.

Ohne von dieser Idee zu Wissen, veröffentlichte der Professor für Nationalökonomie und Enzyklopädie an der Militärakademie in Wiener Neustadt, Dr. Emmanuel Hermann am 26.1.1869 in der "Neuen Freien Presse" einen Artikel "Über eine neue Art der Correspondenz mittels der Post". Er schlug eine zu besonders niedriger Gebühr zu befördernde Art von "Posttelegramm" vor. Der Text der Karte sollte auf 20 Worte beschränkt bleiben.

Die Idee fand im K.K. Handelsministerium günstige Aufnahme und wurde mit 1.11.1869 verwirklicht. Ab diesem Tag lagen auf allen Postämtern der Monarchie "Correspondenzkarten" auf. Es waren Ganzsachen, d.h. die Briefmarke war eingedruckt. Es wurde das Markenbild der damaligen Freimarkenserie, die ohne Landesbezeichnung den Kopf des Kaisers zeigte, verwendet (siehe das Bild rechts). Das Porto betrug 2 Kreuzer, heute etwa 20 Cent; der Tarif blieb bis 1.1.1900 gleich. Bis 1875 galt dieser Tarif auch für Auslandssendungen, nachher kosteten diese 5 Kreuzer. Die Textbeschränkung unterblieb, der Absender durfte nur die Rückseite beschreiben.

Die Neueinführung führte zu einer riesigen Steigerung der Postsendungen. Ihr Vorteil lag darin, dass eine bis 9 Uhr im Wiener Stadtgebiet und in den Vororten aufgegebene Karte an eine Adresse in diesem Gebiet noch am gleichen Tag zugestellt wurde. Dies zeigen uns die Abstempelungen am Ankunftspostamt. In großen Teilen der Monarchie erfolgte die Zustellung am nächsten Tag.

Von der Korrespondenzkarte zur Ansichtskarte war es nur ein kurzer Schritt. Noch 1869 erschien die erste Ansichtskarte der Welt! Es war eine Zeichnung des Klosters Melk mit etwas Raum für einen Grußtext. In rascher Folge entwickelten sich Ansichtskarten und Grußkarten – damals vor allem für Namenstags- und Neujahrswünsche. Die Ansichtskarten haben bei all jenen, die sich mit Heimatkunde und Zeitgeschichte befassen, als unverzichtbare Unterlage einen hohen Stellenwert und wurden zu begehrten Sammelobjekten.

Die Korrespondenzkarte wurde vor allem im Wirtschafts- und Amtsverkehr auf Jahrzehnte zum wichtigsten Nachrichtenübermittler. Es wurde auch eine Karte mit anhängender Antwortkarte um 5 Kreuzer in den Verkehr gebracht. Kartenbriefe und ähnliches folgten. Österreich war in diesen Dingen bahnbrechend, wurde aber leider zu Unrecht vergessen. Die Frage nach dem „Erfinder“ der Korrespondenzkarten wird (fast) immer mit der Nennung des deutschen Heinrich Stephan beantwortet.
<p>Die oben abgebildete Correspondenz-Karte mit aufgedruckter 2 Kreuzer-Marke aus dem Jahr 1881 ist ein gutes Beispiel für die rasche Zustellung: Sie wurde am 26.8. um 3 Uhr Nachmittag im Postamt Alsergrund aufgeben und um 7 Uhr Abend des selben Tages zugestellt. </p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
<p>Vor 100 Jahren war man von der gnadenlosen Mozart-Vermarktung, wie sie heute vorherrscht, natürlich weit entfernt. Eine Jubiläumspostkarte von der Salzburger Mozart-Gemeinde aus Anlass der 150. Wiederkehr seines Geburtstages gab es aber schon. </p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Prof. Felix Steinwandtner, Bezirksmuseum Hietzing
22.2.2006