Umzug im Dezember 1939

30.12.1939

Die älteste Meierei Wiens, so erfuhr ich einst von einem älteren Herrn aus der Auhofstraße, dessen Name mir leider entfallen ist, war der Glasauer. Die Gründung soll angeblich auf 1727 zurück gehen. Auf jeden Fall waren diese Glasauer ein bekanntes Geschlecht in Ober St. Veit, denn einer aus dieser Dynastie bekleidete ein wichtiges Amt im Gemeinderat des damaligen Heurigendorfes.

Zu diesem wichtigen und bekannten Personenkreis zählten auch die Wimpissingers in Ober St. Veit. Diese Meierei bestand auch noch nach dem 2. Weltkrieg wenn auch etwas eingeschränkt.

In der Glasauergasse waren die „Singers“ ein Fuhrwerkbetrieb mit „Streifwagen und Pferden“ daheim. Mit den Singers waren wir besonders „verbunden“, weil es im Dezember des Jahres 1939 für mich und meine Familie den großen Umzug von unserem geliebten Ober St. Veit ins fremde und unbekannte Lainz gab. Und dieser Winter 1939 hatte es in sich: klirrende Kälte und jede Menge Schnee. Die Fahrt mit dem großen langen Streifwagen und den 2 Pferden führte von unserem Haus in der Amalienstraße über die Testarellogasse  und die Hietzinger Hauptstraße zur Stuttgarterstraße (heute Münichreitergasse) wo dann die beiden Pferde im tiefen Schnee stecken blieben. Das war genau vor der „Villa Marianne“, die Paul Hörbiger, dem beliebten Wiener Schauspieler, gehörte. Da es ob des tiefen Schnees kein Weiterkommen gab, mussten wir in unser Haus in der Amalienstraße zurücklaufen, um von dort die von unserem Vater selbst gebaute schwere Eisenrodel zu holen. Ein wahres Monstrum von über 2 m Länge und einer Breite von über einem halben Meter mit Kufen aus Winkeleisen, die vorne aufgebogen waren wie die Hornschlitten bei den Bergbauern in den Alpen zum Holztransport. Die Kufen waren jedoch blank geschliffen, um ein gutes Vorwärtskommen zu ermöglichen. Auf diese Rodel wurden bei der Rückkehr zum Pferdegespann des Herrn Singer die schweren Eichenkästen geladen und in unsere neue Wohnung in der Siedlung Lockerwiese gebracht.

Dort harrte unserer eine neuerliche Katastrophe: Die beiden Eichenkästen (nicht zerlegbar) gingen nicht durch die zwei Eingangstüren der Siedlung, weil sich unmittelbar hinter den Türen (Winter + Sommertür) sofort der Stiegenaufgang in die oberen Räume befand und diese Öffnung war zu schmal und zu nieder, um mit den Kästen hineinzukommen. Die einzige Möglichkeit waren die zwei dreiflügeligen Fenster im Parterre und im Stock. Dazu mussten aber die Holme der Fenster entfernt werden. Sie waren Gott sei Dank mit Winkeln befestigt und konnten herausgeschraubt werden. Erst als dies geschehen war, konnten die zwei schweren Dinge mittels Stricken und Stangen hochgezogen und durch das offene Fenster in das Zimmer gehievt werden.

In der Zwischenzeit, es waren bestimmt 2–3 Stunden vergangen, konnte Herr Singer das Gespann von der Münichreitergasse bis hinauf in die ebenfalls tief verschneite, jedoch einigermaßen geräumte Wilhelm Leiblgasse unserer Siedlung bringen und den Rest des Hausrates abladen.

Das alles spielte sich am Geburtstag meines Vaters, am 30.12.1939 ab. Dieser Tag war auch einer der kältesten dieses Winters. Es hatte zirka 15–16° minus wie überhaupt die gesamten Kriegswinter bis 1945 grimmig kalt waren.

Meine gesamte Familie, insgesamt 10 Personen einschließlich meiner Eltern, versammelte sich in der kleinen Küche wo ein 4-flammiger Gasherd mit Backrohr eine halbwegs verträgliche Temperatur schuf. Die übrigen Räume waren an diesen Tag und auch an den folgenden Tagen noch eisig kalt. Der von meinem Vater selbst gemachte Sparherd war noch nicht in Betrieb, es fehlten die nötigen Rauchrohre und die Knie. Die Rohre aus der alten Wohnung konnten hier nicht verwendet werden da sie eine viel größere Dimension hatten, nämlich einen Durchmesser 120 mm. Die in der Siedlung waren jedoch nur 99er Rohrabzüge. Es dauerte noch Tage, bis wir solche Rohre zu kaufen bekamen. Außerdem musste Vater einen Reduzierstutzen für den Herd basteln, der genau passen musste. In der Waschküche stand ein Waschkessel, wo wir wenigstens heißes Wasser zum Waschen erhielten. Der Kessel musste aber tagsüber stets beheizt werden.

Quellen:
Niedergeschrieben von Alois Ribisch im Jänner 2008

Übertragen von hojos
im Jänner 2008