Alexander (Sándor) Ungar

09.05.1882

Sándor Ungar erlernte das Fassbinderhandwerk bei Herrn Lischka in Ober St. Veit, Rohrbacherstraße 31. Anschließend verpflichtete er sich zum Militärdienst und wurde Wachtmeister in der k&k Traindivision Nr. 2.

Er wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Künstlernamen "Sandor Bacsi" bekannt, war Verfasser und Herausgeber des Werkes "Rund um Wien", die Wienerstadt in Wort und Bild. Von 1910 bis 1912 schrieb er auch für die Kronenzeitung.

1910 veröffentlichte er in der Unteroffizierszeitung (Selbstverlag) ein Theatralisches Quodlibet aus 50 Theaterstück-Titeln.

Aber er war nicht nur in der Fachwelt bekannt, sondern auch unter den einfachen Leuten. Herr Johann Brennig kann sich noch lebhaft an seine Auftritte im Ober St. Veiter Casino erinnern, in deren Rahmen er mit seinen erstaunlichen Fähigkeiten beeindruckte. Er kannte sämmtliche Straßen, Gassen und Plätze der damals 21 Bezirke Wiens und er konnte jede Opernmelodie pfeifen.

Eines der Zeitdokumente über ihn ist der Abdruck eines Marschliedes, das ihm aus Anlass seines 20jährigen Militärdienstjubiläums von Rudolf Kronberger (Musik) und Friedrich Fischer (Text) gewidmet wurde:
Der vollständige Text dieses Liedes "Vom braven Mann" lautet:

1.
Heut' gilt das Lied dem Mann,
Den jeder loben kann,
Den man in Ottakring,
Kennt g'rad so wie am Ring,
Ob Meidling, ob Hernals,
Den Bácsi den kennt all's.
Er ist heut Jubilar,
Denn er dient zwanzig Jahr.
Wachtmeister Ungar war,
Infanterist, Husar,
Zuletzt nun noch beim Train,
Musst in den Krieg er geh'n.
Weil er fünf Sprachen spricht,
Man nicht auf ihn verzicht.
Als echter Ungarsohn
Ist Pflicht ihm mehr als Lohn.

Refrain.
Das ist der Bácsi, den jeder kennt,
Der Sándor Ungar vom Regiment!
In allen Kreisen wird er genannt,
Als Sándor Bácsi weltbekannt.

2.
Genie-Universell,
War einst Fassbinderg'sell,
Er dichtet, deklamiert,
Er pfeift und musiziert.
Viel Ehre machte ihm,
Sein "Grand Werk: Rund um Wien"
Dreitausend Bilder stark,
Zeigt Straßen, Platz und Park.
Als Lebensretter noch,
Zu preisen wär er hoch!
Er fing auf, hilfsbereit
Vom dritten Stock ein Weib'
Und sieh', seit dieser Zeit
Folg nach ihm manche Maid.
Doch er im Kopfe hell
Ist heut' noch Junggesell.

Refrain.
Das ist der Bácsi, den jeder kennt,
Der Sándor Bácsi ist konsequent,
Er weiß jed's Platzerl,
Auch jedes Schatzerl,
D'rumm man ihn auch der Lehmann nennt.

3.
Die Rettungs'gsellschaft hat
A G'frett in uns'rer Stadt,
Ihr großes Defizit
Zwingt sie zu jener Bitt'
An alle reichen Leut'
Zu helfen z'rechter Zeit.
Das hat, wiewohl nicht reich
Der Bácsi aufg'fasst gleich.
Setzt schnell in die Lotterie
Und richtig kommen sie
Die Nummern alle drei,
Was tut der Bácsi glei':
Er tragt den ganzen G'winn
Der Rettungsg'sellschaft hin.
D'rumm sei für alle Zeit
Ihm dieses Lied geweiht!

Refrain.
Ja, unser Bácsi, den jeder kennt,
Denn Sándor Bácsi mit sein Talent,
Der weiß jed's Gasserl,
Und kennt jed's Platzerl,
D'rumm Wien ihn Straßenkönig nennt.

Bis 1937 besuchte er regelmäßig am 8. Dezember seinen Lehrherrn in Ober St. Veit. Er wohnte zu dieser Zeit im 2. Bezirk in der Heinestr. 37 (Lehmann 1929, 1932). Laut Israelitischer Kultusgemeinde war Sandor Ungar zuletzt auf der Sammeladresse Wien 2., Ferdinandstraße 22, gemeldet. Am 27.5.1942 wurde er ins Ghetto Minsk (Ukraine) deportiert und kehrte nicht mehr zurück. Er war jüdischer Abstammung.

Quellen:
Bild und Unterlagen: Johann Brennig, hojos

hojos