Erna Reitmeyer

Rede von Herrn Clemens Papak anlässlich der Feier zur Benennung des Erna-Reitmeyer-Parks am 19. Oktober 2007.
12.04.1918

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir sind heute hier zusammengekommen um eine große Persönlichkeit zu ehren und nach ihr diesen Park zu benennen: Frau Erna Reitmeyer! Es ist wunderschön, dass so viele Gäste gekommen sind, und ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen!

Herr Bezirksrat Hochmuth hatte die Idee, diesen Park nach Erna Reitmeyer zu benennen, er brachte diesen Antrag ein, und alle Fraktionen des Bezirkes haben diesen Vorschlag einstimmig angenommen.

Gestatten Sie mir, einen kurzen Rückblick auf das Leben von Erna Reitmeyer:

Erna wurde vor fast 90 Jahren, am 12. April 1918 in Ober St. Veit geboren, der Geburtshelfer war ihr Vater, da die Hebamme nicht mehr zurecht kam. Das bezeugt, dass Erna Reitmeyer schon von Geburt an sehr selbständig war!

Im Alter von nur einem halben Jahr verlor Erna ihre Mutter durch die damals weltweite Lungeninfektion, die spanische Grippe. Ihr Vater heiratete nach zwei Jahren wieder und somit war für Erna wieder eine treu sorgende Mutter da.

Erna besuchte die Volks- und Hauptschule bei den Dominikanerinnen und machte hier auch einen 3-jährigen Fortbildungskurs. Dann wechselte sie in die Lehrerbildungsanstalt in der Kenyongasse und erwarb dort im Jahr 1936 die Befähigung zur Kindergärtnerin.

Erna war als Kindergärtnerin bei den Kindern sehr beliebt: Sie spielte und sang, bastelte und turnte mit ihnen und versuchte, die Kinder auf das Leben vorzubereiten.

Es kam das Jahr 1938: Erna trug immer ein Ketterl mit einem Kreuz um den Hals, sie erzählte den Kindern vom lieben Gott und betete auch mit den Kindern: Bald bekam sie Schwierigkeiten mit ihrer vorgesetzten Behörde: Erna wurde als Kindergärtnerin entlassen und in eine Kartenstelle versetzt. Doch ihre Augen waren für diese Büroarbeit zu schwach.

Daraufhin kam sie in eine Fabrik: Sie arbeitete in der Rohrbacher-Fabrik als Schlosser-Gehilfin und nähte Plachen für Lastautos.

In unserer Pfarre Ober St. Veit waren während des Krieges in der verdunkelten Sakristei jede Woche Jugendstunden mit den Kaplänen. Erna war immer dabei!

Ihr Bruder Günter fiel im Rußlandfeldzug. Der Krieg ging Gott-sei-Dank im Jahr 1945 zu Ende, ihr Vater und der zweite Bruder kamen aus dem Krieg, der Wiederaufbau in Wien und Österreich begann.

Beruflich war Erna Reitmeyer nun im städtischen Kindergarten in Ober St. Veit, wo sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1977 blieb. Sie war natürlich auch hier bei den Kindern als Tante Erna sehr beliebt!

Besonders aktiv war sie in unserer Pfarre Ober St. Veit. Sie spielte Theater in der Katholischen Jugend und in der Marianischen Kongregation, sie entwarf und nähte die Kostüme und führte auch manchmal Regie. Manche erinnern sich vielleicht noch an die wunderbaren Aufführungen im Theatersaal in der Vitusgasse oder später im Theatersaal in der Wittegasse in Unter St. Veit.

Erna war bei allen Festen mit dabei, putzte und wusch, wenn es notwendig war und half oft auch in der Kirche beim Putzen. Sie organisierte in der Pfarre ein wöchentliches Kinderbasteln mit Dutzenden Kindern und kaufte dafür auch einen elektrischen Brennofen. Sie half beim Flohmarkt und beim Weihnachtsmarkt in Ober St. Veit.

Es gab damals, vor fast 35 Jahren in Ober St. Veit noch keinen Seniorenklub. Bei einer Pfarrgemeinderats-Sitzung, es war schon knapp 10 Uhr abends, da hatte ich die Kühnheit auf etwas hinzuweisen. Ich sagte: "Überall in unserer Umgebung in Lainz und auch in Hietzing gibt es schon einen Seniorenklub, nur nicht in Ober St. Veit. Man sollte doch ...."

Unser damaliger Pfarrer, Dechant Hermann Kinzl war über diesen späten Einwurf alles andere als erfreut. Er haut mit der Faust auf den Tisch und sagte: "Redets net so gscheid daher, tuts lieber was! Und schloss mit einem bekannten Zitat. Es war Stille, plötzlich lachte Dechant Kinzl sehr herzlich und meinte: "Kinder, seids net bös, aber es is schon sehr spät". Und Erna Reitmeyer dreht sich zu mir her und sagt: "Clemens, tun wir was ?!" Und das war die Stunde der Entstehung unseres Ober St. Veiter Seniorenklubs.

Um schneller von einem Ort zum anderen zu kommen, lernte Erna noch in reifen Jahren das Radfahren und machte damit Ober St. Veit und Hacking ein bisschen unsicher, doch die damaligen Autofahrer kannten sie und machten - wenn nötig - einen großen Bogen um sie.

Anlässlich ihres 80. Geburtstages im Jahr 1998, den die Pfarre Ober St. Veit mit einer Fahrt nach Mariazell groß feierte, bekam sie auch einen silbernen Radfahrer auf einem Marmorsockel geschenkt.

Bei der Aktion "Helden des Alltags" wurde Erna vom Herrn Bezirksvorsteher Dipl.-Ing. Heinz Gerstbach groß gefeiert, und Erna bekam einen wunderschönen Bergkristall.

Die letzten Jahre ihres Lebens waren von Krankheit und Behinderung gezeichnet. Im Jahr 2001 erlitt Erna Reitmeyer im Krankenhaus eine Gehirnblutung. Sie überlebte diese zwar, konnte aber nicht mehr sprechen und war völlig gelähmt. Sie wurde von ihren beiden Schwestern zuhause (!) rührend gepflegt.

Im Jahr 2002 verstarb Erna. Es war der Pfingssonntag, der 19. Mai. Im Mai, dem Marienmonat, den Erna so gern hatte. Sie starb in ihrem 85. Lebensjahr, sie trug 50 Jahre die Pfarre Ober St. Veit mit.

Ihr letzter Wunsch war: bitte keine Blumen oder Kränze! So wurden die Spenden, die als Kranzablösen eingegangen waren für die Restaurierung des Bildes am Ober St. Veiter Marienaltar verwendet.

Erna Reitmeyer war körperlich nicht sehr groß gewachsen, sie war aber eine große Persönlichkeit, an die, wie ich meine, sich alle sehr gerne erinnern. Sie war ein Mensch mit großem Herzen!

Clemes Papak
19. Oktober 2007