Villa Miller

Schweizertalstraße 36

Baugeschichte

Vor dem Bau der Villa stand an ihrer Stelle bereits ein dreigeschoßiges Wohnhaus, das 1877 für Amalie Brix nach Plänen von Alexander Kaiser errichtet wurde. Der im Heimatstil gehaltene Bau mit Aussichtszimmer in einem turmartigen Dachaufsatz wies im ersten und zweiten Stock idente Grundrisse mit je einer Küche und somit zwei getrennte Wohnungen auf. Das damals noch sehr dünn besiedelte, sog. „Schweizertal“ (die Bezeichnung stammt von den volkstümlich so benannten Milchmeiern) durchfloss in diesem Bereich in offenem Verlauf der Marienbach.

Schweizertalstraße. Rechts der Vorgängerbau der Villa Miller unmittelbar vor dem Abriss im Jahr 1913 © Archiv 1133.at
<p><b>Schweizertalstraße</b></p><p>Rechts der Vorgängerbau der Villa Miller unmittelbar vor dem Abriss im Jahr 1913</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Dieser Bau sowie das im „Schweizer Stil“ 1880 von dem Ober St. Veiter Zimmermeister Johann Glasauer gebaute Stallgebäude und auch das Gärtnerhäuschen mit anschließender Kegelbahn mussten 1913 dem Neubau der Villa für Lorenz Miller, den Heereslieferanten und Besitzer einer Strumpffabrik, weichen. Die neue, von der Architektengemeinschaft Ferdinand Glaser und Ludwig Kloos entworfene Villa für gehobene Ansprüche wurde von dem Stadtbaumeister Franz Wawrla ausgeführt. Schon während der Bauzeit wechselten die Besitzer mehrmals, später, 1917, besaß den Neubau Egon Frankl, ab 1923 Olga Weigner (ab 1936 verehelichte Woller); sie wurde 1938 enteignet. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme war die Villa ein Erholungsheim, von 1945 bis 1955 Sitz der britischen Besatzungsmacht.

Villa Miller. Nordansicht. 1913 © MA37, Baupolizei
<p><b>Villa Miller</b></p><p>Nordansicht. 1913</p><p><i>&copy; MA37, Baupolizei</i></p>
Schweizertalstraße. Rechts die Villa Miller im Jahr 1920 © Archiv 1133.at
<p><b>Schweizertalstraße</b></p><p>Rechts die Villa Miller im Jahr 1920</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

1956 kaufte die Republik Österreich das gesamte Anwesen von der letzten rechtmäßigen Eigentümerin, Olga Woller. Ab 1957 ist das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Grundbuch als Eigentümer eingetragen; einige Zeit war in dem Bau das Institut für Agrarwirtschaft untergebracht.

Im ersten, 1913 erstellten Ansuchen um Baubewilligung ist neben der Villa ein Portierhaus mit angebautem Glashaus angegeben. Letzteres wurde zu dieser Zeit nicht ausgeführt; erst 1924 kam es nach Plänen von Franz Oppolzer zu seiner Errichtung. An der Ecke Schweizertalstraße/Winzerstraße steht ein offener, polygonaler Gartenpavillon mit Schindelwalmdach, der 1913 ausgeführt wurde.

1979 erfolgte durch Viktor Kraft ein Zubau für das agrarwirtschaftliche Institut.

Baubeschreibung

Der an einem Hang gelegene, kompakte Baukörper mit drei Geschoßen und ausgebautem Dach wird mit Ausnahme der Westseite an allen Fassaden durch das Ansetzen von Gebäudeteilen wie Erker oder Terrassen aufgelockert. Das hohe, bestimmende Mansardwalmdach ist von einer mittig eingesetzten, blechgedeckten Laterne gekrönt, durch die der obere Teil des Dachgeschoßes belichtet wird. Das deutlich vorspringende Dachgesims ist gestuft ausgebildet.

In gewissen Gestaltungsdetails erinnert das Äußere des Baues an 1912–15 gebaute Villen Josef Hoffmanns, so die auf durchgehende Horizontallinien von Gesimsen oder Sockeln unmittelbar anschließenden Fensterzonen wie auch der Kontrast der eher strengen, orthogonalen Gliederung der glatt verputzten Mauerflächen zu den detailreich geformten Gesimsen oder zur figürlichen Ausgestaltung. Nur diese Einzelheiten lassen beispielsweise an die zur gleichen Zeit von J. Hoffmann in der Gloriettegasse errichtete Villa Skywa-Primavesi denken.

Die Fassaden des Tiefparterres bzw. Souterrains sind rustiziert ausgebildet; an der Straßenseite befinden sich über den Erdgeschoßfenstern vertieft gesetzte Reliefs mit Puttidarstellungen (Wegbewegen eines Steines, Tanz, Spiel mit Truthenne). Auffallend sind die in Abständen vorspringenden Quader, welche zwischen diesen Reliefs und dem in der Art eines jonischen Kyma gebildeten Fensterbankgesimses liegen. Die Mansardfenster sind mit Giebeln abgeschlossen, in den oberen Dachflächen liegen Fledermausgauben.

An der Eingangsseite wurde im Zuge verschiedener, 1918 von Hubert Gangl ausgeführter Adaptierungen (Bau einer Garage mit Benzinlager und Ladestation für Akkumulatoren, Waschküchenanbau an das Pförtnerhaus) die freie Terrasse geschlossen und zu dem auf diese Weise erhaltenen Wintergarten eine Freitreppe gebaut. Auf den gemauerten Pfeilern dieses Aufganges befinden sich Putti mit Blumen und Früchten. Ihr Schöpfer ist ebensowenig bekannt wie der Künstler der Reliefs.

Inneres (Originalzustand)

Der heute noch erhaltene ursprüngliche Haupteingang mit Überdachung führt in die im Souterrain gelegene Garderobe mit WC, an die ein Vestibül mit gerader, zweiläufiger Treppe in das Parterre anschließt. Vom Vestibül ist auch ein Gang erreichbar, an dem die Portierloge, die ausgedehnte Küche, der Kohlenkeller und ein Zugang zum Heizungsraum liegen. An die Küche schließt eine Anrichte mit Aufgang zu dem im Parterre gelegenen Speisezimmer an.

Im Erdgeschoß gelangt man von der Stiege in ein weiteres Vestibül mit WC und dann in die Halle mit integriertem, erhöhtem Klavierzimmer, Kaminsitz und Aufgang in den ersten Stock. Das Herrenzimmer ist sowohl vom Vestibül als auch von der Halle aus erreichbar. Halle und Herrenzimmer haben einen Zugang zum Speisezimmer mit Frühstückserker und Ausgang auf eine Terrasse.

Ein zweiter, gedeckter Eingang in das Stiegenhaus besteht vom Garten aus; diesem Eingang ist gegen Osten eine Terrasse vorgelagert.

Im ersten Stock liegen ein Vorraum, zwei Wohnräume, zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, Garderobe, ein Sitzerker mit Terrasse, zwei weitere Terrassen sowie ein Dienerzimmer. Im Dachgeschoß (Mansarde) sind ein Bodenraum mit Holzstiege zum Oberboden, ein Arbeitszimmer mit Laboratorium, ein Fremdenzimmer, zwei Dienerzimmer und ein WC untergebracht.

Die zum Teil noch im Originalzustand erhaltene, von hohem handwerklichen Können zeugende Innenraumausstattung weist neben Elementen der Secession vor allem dem Historismus verpflichtete Gestaltungsdetails auf, wie dies z. B. in der Halle, aber auch im Speisezimmer erkennbar ist.

Villa Miller. Fotografiert am 27. August 2021 © Archiv 1133.at
<p><b>Villa Miller</b></p><p>Fotografiert am 27. August 2021</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Quellen:
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band II 1998 ISBN 3-900518-93-9

hojos
Übertragen im August 2021