Die "Godtinesfeld - Urkunde"

Sie wurde im Jahr 1015 geschrieben und feiert 2015 ihren 1000-jährigen Bestand. Sie ist das älteste Dokument über ein Gebiet im heutigen Wiener Gemeindebezirk Hietzing.
1015

Kaiser Heinrich II schenkte auf Bitten des Dompropstes Poppo dem Domkapitel von Bamberg

„30 königliche Hufen aus seinem Eigentum zu Godtinesfeld im Gaue Osterriche in der Grafschaft des Grafen Heinrich mit allem Zugehörigen, Knechten, Mägden, Hofstätten, bebauten und unbebauten Ländereien, Mühlen, Wasser und Wasserläufen, Weiden, Wäldern, Jagden, Wegen und weglosem Land, Abgaben und Einkünften und allen Nutzungen mit der Bestimmung, dass Propst Poppo und seine Nachfolger darüber zum Nutzen der Brüder frei verfügen können."

Die Schenkung erfolgte am 5. Juli 1014 in Regensburg. Das Jahr der Schenkung liegt nur 18 Jahre nach der Ausfertigung der Ostarrichi-Urkunde von Kaiser Otto III. aus dem Jahr 996. Vergleicht man einzelne Passagen dieser und anderer zeitgenössischer Urkunden, so ist eine gemeinsame Vorlage erkennbar. Nicht nur die Anfangsfloskeln: "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit, Otto (Heinrich) durch göttliche Gnade Kaiser …", sondern auch die Lokalisierung der jeweiligen Schenkungen erfolgt auf gleiche Weise: Nennung des Ortsnamens und den Grad des jeweiligen Landesherren. Ebenso die genaue Beschreibung was zu welchem Nutzen gegeben wird und dass der Empfänger und dessen Nachfolger über das Besitztum frei verfügen können. Damit wurde auch weitgehende rechtliche Klarheit geschaffen.

Die Godtinesfeld-Urkunde ist – wie damals üblich – nicht nur gesiegelt sondern trägt auch das Monogramm des Herrschers. An Stelle der Unterschrift vervollständigte dieser das Monogramm mit einem Zeichen, dem "Schlussstrich". Hier ist es der waagrechte Strich im H und ein Häkchen links unten. Die unterste Zeile beinhaltet das Jahr der Unterzeichnung "1015 im 14. Jahr seiner Regierung und im 2. als Kaiser". Der zeitliche Abstand zwischen Schenkung und Ausfertigung der Urkunde ist nicht außergewöhnlich. Die noch erhaltene und im Staatsarchiv Bamberg verwahrte Urkunde ist der bislang älteste schriftliche Nachweis einer Siedlung im heutigen Hietzing. Eine Farbfotographie in Originalgröße ist im Bezirksmuseum Hietzing ausgestellt.

Bei einer Hufe handelte es sich um ein landwirtschaftliches Gut mit den entsprechenden Äckern, Wiesen, Gewässern und Wald, das so dimensioniert war, dass der Bauer mit seine Familie und wenigem Gesinde davon nicht nur Leben, sondern auch Abgaben zahlen konnte. Obwohl dieser Gedanke allen Hufen zugrunde lag, konnten sie in früheren Zeiten an Größe und Wert sehr unterschiedlich sein. Seit dem Beginn der Kolonisation Karls des Großen wird mit der Hufe aber auch eine bestimmte Größenvorstellung verbunden, und die Grenzen wurden zunehmend nach einem geforderten Maß festgesetzt. Die regional  sehr unterschiedlichen Maßeinheiten führten aber nach wie vor zu erheblich divergierenden Grundgrößen.

Die Königsschenkungen der Kolonisationszeit, deren Ziel es vielfach war, weit entferntes Gebiet aufzuschließen und zu kultivieren, geschahen oft vor jeglichem Augenschein vor Ort. Dafür bedurfte es der Festsetzung einer genau definierten großzügigen Fläche, die dann vom Grafen der Region zugeteilt wurde. Somit handelt es sich dabei um Landschenkungen, die erst auszumessen waren. Konnte das erforderliche Land in der vorgesehenen Örtlichkeit nicht gefunden werden, sollte es an einer anderen Stelle in der Nachbarschaft gesucht und gegeben werden. Eine ausdrückliche Verordnung des Flächenmaßes einer solchen Schenkungseinheit ist nicht bekannt, wird aber in der sogenannten Königshufe (mansus regalis) gesehen, die die gewöhnliche Hufe an Größe übertraf. Die Ermittlung des Ausmaßes dieser Königshufe auf Basis der Erforschung mittelalterlicher Schenkungen ergibt eine Größe von 48 bis 50 Hektar.

Die Lokalisierung der Fläche von 30 Königshufen, also rund 14 bis 15 Quadratkilometern zu Godtinesfeld im Gau Österreich in der Grafschaft des Grafen Heinrich (...in loco qui dicitur Godtinesfeld in pago Ósterriche in comitatu Heinrici ...) war problematisch, weil der Bezugspunkt "Godtinesfeld" nicht existiert. Die Frage ist bis heute nicht endgültig gelöst, doch herrscht in der jüngeren Literatur weitgehendes Einvernehmen, dass es sich bei "Godtinesfeld" um einen abhanden gekommen Ort im Bereich des heutigen Unter St. Veit handelt. Ausschlaggebend für die Lokalisierung ist die Namensgleichheit mit der mittelalterlichen "Mühle im Gottesfeld", die bis heute im Namen der Feldmühlgasse fortlebt. Ein Beweis für die damalige Existenz einer Ortschaft gleichen Namens ist mir nicht bekannt, allerdings gab es Personen, die sich nach Godtinesfeld nannten.

Eine Klärung könnte die genauere Betrachtung der lateinischen Originalbeschreibung der Lage des Schenkungsgegenstandes sein: "... XXX regales mansos nostrae proprietatis in loco qui dicitur Godtinesfeld in pago Ósterriche ...". Dr. Johann Weißensteiner, mit dem alten Latein bestens vertrauter Leiter des Diözesanarchives Wien, gibt dazu auf Anfrage vom 6. Mai 2015 folgende Übersetzung: "30 Könighufen aus unserem Besitz an einem Platz, der Godtinesfeld heißt, im Gau Ostarrichi“ und ergänzt dies mit folgender Erläuterung: 

"Das lateinische 'locus' kann Ort oder Platz, auch Gegend heißen. Wenn man mit 'Ort' übersetzt, denkt jeder gleich an einen hier schon bestehenden Ort. Übersetzt man mit 'Platz', wird einfach die Gegend, in der die Schenkung erfolgte, bezeichnet; diese Übersetzung sagt nichts darüber aus, ob dort schon eine Siedlung bestand. Vor allem der Bestandteil '-feld' spricht dafür, dass man den Schenkungsplatz nur nach seiner besonderen Lage bezeichnete. Hätte es schon eine Siedlung 'Godtinesfeld' gegeben, hätte man diese vielleicht schon als 'Villa' oder 'vicus' (= Dorf) bezeichnet."

Zeitlich erfolgte die Schenkung wenige Jahre nach der Inbesitznahme des Wienerwaldes, und es wäre naheliegend, dass die Urbarmachung erst bevorstand. Andererseits bedeutet die Bezeichnung "-feld" offenes, nicht bewaldetes Land und gemäß Urkunde gehören auch bereits bestehende Gehöfte und sogar Mühlen zum Gegenstand der Schenkung (nicht aber eine Ortschaft). Kaiser Heinrich schenkte somit bereits aufgeschlossenes Land, das dem Empfänger sofortige Einkünfte zusicherte.

Welche konkrete Fläche dieser Landschenkung zugeordnet worden war, muss wegen der verloren gegangenen weiteren Besitzgeschichte dieses Schenkungsgegenstandes im Dunklen bleiben, doch bieten die Ausführungen Wilhelm Twerdys in seinem Buch über den Wienerwald einen interessanten Zusammenhang mit den Formbacher Besitzungen im Wiental. Demnach enthielt die Schenkung über das die ehemalige Feldmühle umgebende historische "Veitinger Feld" (zwischen Hietzing und St. Veit an der Wien) hinaus auch Flächen nördlich des Wienflusses. Godtinesfeld, soweit es nördlich der Wien lag, wurde später Formbacher Besitz, und südlich der Wien wurde es zu St. Veit, das zum ersten Mal in einer Urkunde aus dem Jahr 1195 genannt wird.

Das weitere Schicksal einer eventuellen Siedlung im Godtinesfeld ist unbekannt, Überschwemmungen durch die Wien oder Kriegsfolgen sind naheliegende Ursachen für das Verschwinden. Personen, die sich als „de Goutinesvelde, Gotensfelde“ und ähnlich geschrieben haben, treten noch im 13. Jahrhundert auf, und dann nicht mehr.

Poppo von Bamberg (986–1047), Sohn des Markgrafen Leopold I. (erster fassbarer Herrscher des österreichschen Kernlandes), Bruder des in der Urkunde genannten Markgrafen Heinrichs war vertrauter Berater Kaiser Heinrichs II. und wurde von ihm 1007 als Dompropst nach Bamberg entsandt. Später wurde Poppo Erzbischof von Trier.

Insgesamt waren die Schenkungen Heinrichs II. an das Domkapitel bzw. an die Bamberger Domkanoniker weit geringer als seine umfangreichen Besitzübertragungen an die Domkirche selbst. Der Kaiser hatte mit einem ausgedehnten Schenkungskonzept nicht nur das Bistum Bamberg massiv gestärkt sondern auch die politischen Gewichte Süddeutschlands verändert.

Zu Dr. Wilhelm Twerdys Beitrag zum Godtinesfeld gelangen Sie HIER.
Zur aktuellsten und umfangreichsten Arbeit über das Godtinesfeld kommen Sie HIER.

Quellen:
Csendes, Peter; Opll, Ferdinand (Hrsg.): Wien – Geschichte einer Stadt. Band 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung. Wien: Böhlau Verlag 2001
Meitzen, August: Volkshufe und Königshufe in ihren alten Massverhältnissen, in: Festgabe für Georg Hanssen zum 31. Mai 1889. Tübingen, Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung, 1889
Twerdy, Wilhelm: Beiträge zur Geschichte des Wienerwaldes. Budapest; Schwarzach; Bruck a.d. Leitha: Heimat-Verlag, 1998. – 2 Bände

hojos
2002–2015