Vom Herzog von Braunschweig zu Charles Sealsfield

Eine etwas eigenwilliger Bogen durch die Regionalgeschichte von Alt-Hietzing
25.04.2015

Mit dem Ausbau Schönbrunns und der Nähe des kaiserlichen Hofes änderte sich die soziale und wirtschaftliche Struktur Alt-Hietzings grundlegend. Dazu gehörte auch der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzende Bauboom. In eine frühe Phase dieses Strukturwandels fällt die Kultivierung und Verbauung des bis 1796 zur Herrschaft St. Veit gehörenden untersten Streifens zwischen der heutigen Auhofstraße und der damals angelegten heutigen Hietzinger Hauptstraße. Zu den in diesem Gebiet um 1776 vergebenen Baustellen zählt auch das für diese Betrachtung wichtige Haus mit der damaligen Konskriptionsnummer 25. Der Franziszeische Katasterplan 1819 zeigt dieses Wohn- und Wirtschaftsgebäude samt Hofraum auf der Hausparzelle 32, Besitzer war der in Wien wohnende Doktor Juris Joseph Uebel.

Das Gebiet nördlich der Hietzinger Mühle im Brequin-Plan 1755. Der Vorläufer der heutigen Auhofstraße, die damalige Hauptverbindung zwischen St. Veit und Hietzing, war noch recht ursprünglich und die heutige Hietzinger Hauptstraße noch nicht angelegt. Ein großer Teil des Geländes gehörte noch zur Herrschaft St. Veit und wurde erst 1796 vom Stift Klosterneuburg gekauft. Dazu zählte auch die am unteren (südlichen) Rand des Planausschnittes zu sehende Hietzinger Mühle (Mühle im Gern, Faistmühle etc.) und der nordöstlich gelegene "Schwarze Hahn". Der Bereich um die spätere Hügel-Villa bzw. Wust-Villa (später Auhofstraße 13–15) ist noch völlig unverbaut. © Archiv 1133.at
<p><b>Das Gebiet nördlich der Hietzinger Mühle im Brequin-Plan 1755</b></p><p>Der Vorläufer der heutigen Auhofstraße, die damalige Hauptverbindung zwischen St. Veit und Hietzing, war noch recht ursprünglich und die heutige Hietzinger Hauptstraße noch nicht angelegt. Ein großer Teil des Geländes gehörte noch zur Herrschaft St. Veit und wurde erst 1796 vom Stift Klosterneuburg gekauft. Dazu zählte auch die am unteren (südlichen) Rand des Planausschnittes zu sehende Hietzinger Mühle (Mühle im Gern, Faistmühle etc.) und der nordöstlich gelegene "Schwarze Hahn". Der Bereich um die spätere Hügel-Villa bzw. Wust-Villa (später Auhofstraße 13–15) ist noch völlig unverbaut.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
Das Gebiet von der Heutigen Dommayergasse bis zur Fleschgasse im Franziszeischen Katasterplan 1819. Die heutige Auhofstraße und die südlich verlaufende heutige Hietzinger Hauptstraße nehmen ihren Ausgang bei den damaligen Gebäuden des "Schwarzen Hahn" (später Ottakringer Bräu). Das westlichste, L-förmige Gebäude zwischen Auhofstraße und Hietzinger Hauptstraße schon in der Nähe des Mühlbaches trägt die schwarze Parzellennummer 32 und war der Vorgänger der späteren Villa Hügel. Die Parzellennummer 32 entsprach damals der Konskriptionsnummer 25, die später zu Konskriptionsnummer 27 (Auhofstraße 13–15) wurde. Das parkähnlich ausgestaltete Grundstück reichte von der heutigen Braunschweiggasse nach Westen vom Mühlbach begrenzt bis zur heutigen Fleschgasse. © Archiv 1133.at
<p><b>Das Gebiet von der Heutigen Dommayergasse bis zur Fleschgasse im Franziszeischen Katasterplan 1819</b></p><p>Die heutige Auhofstraße und die südlich verlaufende heutige Hietzinger Hauptstraße nehmen ihren Ausgang bei den damaligen Gebäuden des "Schwarzen Hahn" (später Ottakringer Bräu). Das westlichste, L-förmige Gebäude zwischen Auhofstraße und Hietzinger Hauptstraße schon in der Nähe des Mühlbaches trägt die schwarze Parzellennummer 32 und war der Vorgänger der späteren Villa Hügel. Die Parzellennummer 32 entsprach damals der Konskriptionsnummer 25, die später zu Konskriptionsnummer 27 (Auhofstraße 13–15) wurde. Das parkähnlich ausgestaltete Grundstück reichte von der heutigen Braunschweiggasse nach Westen vom Mühlbach begrenzt bis zur heutigen Fleschgasse.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Die weitere Besitzerkette ist Teil der glamourösen Alt-Hietzinger Sozial- und Baugeschichte und reicht von Karl Alexander Anselm Freiherr von Hügel über Herzog August Ludwig Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel bis zu Richard Wustl und seinen Erben.

Im 1870/71 neu angelegten Grundbuch der KG Hietzing ist diese Liegenschaft als separater Teil der EZ 24 eingetragen. Die beiden anderen Teile sind zu dieser Zeit ebenfalls bebaut und ragen nach Norden über die Auhofstraße (möglicherweise war das die Folge einer früheren Liegenschaftsteilung). Alle drei Teile wurden von 1854 bis 1871 vom Herzog von Braunschweig erworben und bestanden neben umfangreichen Grundstücken aus folgenden Häusern:

Teil 1: Das Stammhaus (ehem. Villa Hügel, jetzt CNr. 27, Auhofstraße 13–15 und Hietzinger Hauptstraße 40
Teil 2: Die Häuser CNr. 212, 213 und 214
Teil 3: Das Haus CNr. 222.

Der Tod des Herzogs im Jahr 1884 führte zu einer grundlegenden Veränderung. Der 1885 erbende Ernst August Herzog von Cumberland und Braunschweig-Lüneburg ließ Teil 2 und 3 der EZ 24 in neu eröffnete Einlagen übertragen (EZ 311 und 312) und verkaufte sie an verschiedene Personen. Er selbst übersiedelte in das Penzinger Palais Cumberland. Die ursprünglich seinem Vater, dem entthronten König Georg V. von Hannover (1819–78) als Wohnsitz überlassene ehem. Villa Hügel ging über Dr. Adolf Ehrenfeld und Erben 1911 an den für die 1912–14 neuerbaute Villa namengebenden Richard Wustl.

In der Folge wird ausschließlich das weitere Schicksal der EZ 312 mit dem Haus Konskriptionsnummer 222, später Steckhovengasse 9a, betrachtet: Erste Eigentümer der neuen Parzelle waren gemäß Kaufvertrag vom 28. Mai 1885 Rudolf und Ernestine Rupp. Damit betritt eine neue Familie diesen speziellen Geschichtsbogen. Rudolf war Apotheker und Ernestine (*1843 †1911) war eine geborene Brandner und die Tochter von Anna Maria Brandner, geb. Postl (*1803 †1864), der Schwester eines gewissen in Poppitz in Südmähren geborenen Karl Postl (*1793 †1864). Dieser war ein untergetauchter und für tot gehaltener Geistlicher, der unerkannt und unter dem Pseudonym Charles Sealsfield in Amerika und Europa ein schillerndes Leben als zeitkritischer Schriftsteller und offensichtlich geschickter Börsenspekulant führte. Er starb in Solothurn in der Schweiz und hinterließ seinen Nichten und Neffen (lt. Testament „den ehelichen Nachkommen des Anton Postl und seiner Ehefrau Juliana, geb. Rabl“, das waren die Eltern Karl Postls) aus heiterem Himmel ein beträchtliches Erbe, das den oben genannten Liegenschaftskauf mitfinanziert haben könnte. Näheres zu Karl Postl enthält der Bericht von einer Veranstaltung anlässlich seines 222. Geburtstages.

Charles Sealsfield (Karl Postl). Der Dichter beider Hemisphären 1793–1864. Begründer des ethnographischen Kulturromans. Bis vor kurzem einzige Aufnahme aus dem Jahre 1863. © Archiv 1133.at
<p><b>Charles Sealsfield (Karl Postl)</b></p><p>Der Dichter beider Hemisphären 1793–1864. Begründer des ethnographischen Kulturromans. Bis vor kurzem einzige Aufnahme aus dem Jahre 1863.</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Die Grundstücksteilungen, die letztendlich zu Hietzings heutiger Siedlungsstruktur führten, gingen natürlich weiter: Rudolf und Ernestine Rupp teilten eine Gartenparzelle ihrer EZ 312 gemäß Teilungsplan vom 25.5.1901 und übertrugen die beiden neuen Teile in die EZ 470 und 471.

Die verbliebene EZ 312 mit dem Haus CNr. 222 (Steckhovengasse 9a) verkauften sie mit Kaufvertrag vom 29. Jänner 1902 an einen Herrn Anton Moritz, Hausbesitzer in der Auhofstraße 58, um 43.800 Kronen. Die beiden neuen EZ 470 und 471 behielten sie und bauten auf letzterer ein neues Haus. Der Neubau wurde mit der Konskriptionsnummer 364 am 11. Jänner 1902 im Grundbuch angemerkt. Heute ist es die Adresse Steckhovengasse 13.

Das Haus Steckhovengasse 9a. Rudolf und Ernestine Rupp verkauften es im Jahr 1902. Fotografiert am 2. April 2015 © Archiv 1133.at
<p><b>Das Haus Steckhovengasse 9a</b></p><p>Rudolf und Ernestine Rupp verkauften es im Jahr 1902. Fotografiert am 2. April 2015</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
Das Haus Steckhovengasse 13. Es wurde im Jahre 1902 von Rudolf und Ernestine Rupp erbaut. Fotografiert am 2. April 2015 © Archiv 1133.at
<p><b>Das Haus Steckhovengasse 13</b></p><p>Es wurde im Jahre 1902 von Rudolf und Ernestine Rupp erbaut. Fotografiert am 2. April 2015</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
Das Haus Steckhovengasse 13. Das Relief unter der Fensterverdachung zeigt den Buchstaben "R" für Rupp. Fotografiert am 2. April 2015 © Archiv 1133.at
<p><b>Das Haus Steckhovengasse 13</b></p><p>Das Relief unter der Fensterverdachung zeigt den Buchstaben "R" für Rupp. Fotografiert am 2. April 2015</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>
Porträts im Haus Steckhovengasse 13. Fotografiert am 2. April 2015 © Archiv 1133.at
<p><b>Porträts im Haus Steckhovengasse 13</b></p><p>Fotografiert am 2. April 2015</p><p><i>&copy; Archiv 1133.at</i></p>

Das Haus Steckhovengasse 13 blieb im Familienbesitz. Die heute dort wohnende Frau Mag. Dr. Helga Löber ist eine Nachfahrin des geheimnisvollen Karl Postl alias Charles Sealsfield und Präsidentin der hier angesiedelten Internationalen Charles-Sealsfield-Gesellschaft.

Quellen:
Weinzettl, Walter: Hietzing. Seine siedlungs- und sozialgeschichtliche Entwicklung bis 1820. In: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, Band 10 (1952/53)
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band I 1996 ISBN 3-85493-004-6 und Band II 1998 ISBN 3-900518-93-9
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im April 2015