Interview mit Univ.Prof. Dr. Johannes Mlczoch

Anlass für dieses Interview sind die geplanten medizinischen und baulichen Änderungen vor allem rund um das Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel.
13.08.2013

Univ.-Prof. Dr. Johannes Mlczoch war von 1991 bis zu seiner Pensionierung im April 2010 Vorstand der 4. Medizinische Abteilung mit Kardiologie im Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel (kurz: KHR). Von 1996 bis 2010 war er medizinisch-wissenschaftlicher Leiter der Krankenpflegeschule im Krankenhaus Hietzing. Am 2. Mai 2011 wurde ihm das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen.

1. Kennen Sie eine namhafte wissenschaftliche Studie, auf der die geplanten Änderungen im Wiener Gesundheitswesen (Regionaler Strukturplan Gesundheit – RSG 2020 und Spitalskonzept 2030) aufbauen?

Dr. Mlczoch: Mir sind keine wissenschaftlichen Studien zur geplanten Änderung im Wiener Gesundheitswesen bekannt. Ich kann daher auch nicht beurteilen, welche Überlegungen und Konzepte in den neuen Gesundheitsplan samt regionalem Strukturplan eingeflossen sind.

2. Der RSG sieht eine Reduktion der Betten bis 2020 um 15% vor allem durch Reduktion der Verweildauer vor. Die Betten in den Bezirken 12–19 sollen sogar von 4776 auf 3411 reduziert werden. Halten Sie das für möglich und sinnvoll?

Dr. Mlczoch: Die Reduktion von Betten ist sicher notwendig und eine Reduktion der Verweildauer ist unter Schaffung der entsprechenden Strukturen für Pflegeeinheiten sicherlich erreichbar. In Wien ist ein ausreichendes soziales Netz vorhanden, um auch eine mobile Patientenbetreuung zu Hause zu gewährleisten. Die im Westen Wiens vorhandene Bettenkapazität kann sicherlich reduziert werden, da einerseits im Norden ein 800 Betten-Spital eröffnet sein wird und andererseits in vielen Bereichen eine tagesklinische Behandlung möglich ist.

3. Wie beurteilen Sie die Schließung von Abteilungen in Hietzing, wodurch hier kein komplettes medizinisches Spektrum mehr angeboten werden kann (Absiedelung Herzchirurgie, Onkologie inkl. Strahlentherapie und Palliativmedizin, Dermatologie, HNO-Abteilung, Verkleinerung interner bzw. chirurgischer Abteilungen etc.)?

Dr. Mlczoch: Eine Schließung von Abteilungen ist für ein Krankenhaus natürlich schmerzlich, aber durch ein komplettes Angebot im Wiener Bereich durchaus nachzuvollziehen. Z.B. ist für den Standort einer Herzchirurgie die Nähe zur Kardiologie sehr wichtig und diese wird im neuen Krankenhaus Nord entsprechend gegeben sein und damit eine weitere Verbesserung der Versorgung in der Herzchirurgie bringen. Der Standort selbst ist zweitrangig, da diese nicht zur Routineversorgung gehört. Auch die interventionelle Kardiologie ist in Wien sehr gut geregelt, und vor allem für die Versorgung von Herzinfarktpatienten ist genau vorgesehen, in welchem Spital an welchem Tag ein 24 Stunden-Dienst besteht. Die Diskussion um die Strahlentherapie besteht am Krankenhaus Hietzing schon sehr lange, und es war schon vor Jahren klar, dass diese nicht unbegrenzt weiter bestehen kann, da das nötige Equipment nicht vorhanden ist. Bezüglich der kleineren chirurgischen und nicht chirurgischen Abteilungen ist die Versorgung im Westen Wien absolut ausreichend gegeben und daher eine Konzentration dieser Abteilungen sinnvoll.

4. Die 52 Betten der Gynäkologie und Geburtshilfe sollen durch 9 Wochenklinik-Betten ersetzt werden. Kann so eine kleine Einheit effizient geführt werden?

Dr. Mlczoch: Inwieweit die Gynäkologie und Geburtshilfe für diesen Bereich besser strukturiert wird, kann ich nicht beurteilen; es ist nur sinnvoll, eine Geburtenstation zu führen, die eine entsprechende Zahl von Geburten aufweist, und diese wurde mit dem Krankenhaus St. Josef vereinbart.

5. Können Tages- und Wochenkliniken ohne Primararzt die gleiche Kompetenz wie stationäre Abteilungen aufrechterhalten?

Dr. Mlczoch: Mit dieser Frage schneiden Sie ein schwieriges Thema an, da weder eine Tages- noch eine Wochenklinik ohne entsprechend eingesetzte Führung und Verantwortlichkeit gut bestehen kann. Inwieweit dies organisatorisch gewährleistet ist, kann ich nicht beurteilen.

6. Kommunizieren die Wiener Entscheidungsträger Ihrer Information nach ausreichend mit den betroffenen medizinischen Abteilungen?

Dr. Mlczoch: Diese Frage kann ich schwer beantworten, da mir die entsprechenden Informationen nicht vorliegen. Sicher ist die Kommunikation immer zu wenig und natürlich auch manchmal für den Betroffenen unbefriedigend, wenn eine Entscheidung einmal getroffen wurde.

7. Sind die Modernisierungen, die seit 2001 im Rahmen der Prämisse „Architektur und Heilung" umgesetzt wurden (modernster OP-Saal 2010, fast alle OP- und Intensivbereiche auf modernste Standards angehoben), ein zusätzliches Argument für den Erhalt historischer Strukturen?

Dr. Mlczoch: Sicherlich lassen sich manche alten Pavillons sehr gut modernisieren, es geht nur nicht bei allen. Zum Beispiel ließe sich der Pav. 8 nur sehr schwer auf modernen Hotel-Komfort bringen, ähnliche Probleme hörte ich vom Pav 5. des (ehemaligen) Geriatriezentrums, indem dort die bestehenden Fensterachsen einen sinnvollen Umbau nicht effizient ermöglichen.

8. Ist das bestehende Dienstrecht zeitgemäß und wenn nicht, in welcher Weise soll es geändert werden?

Dr. Mlczoch: Das bestehende Dienstrecht ist sicherlich nicht zeitgemäß, aber sehr schwierig zu ändern. Es wurden in den letzten Jahren schon sehr viele Versuche unternommen, die aber zum Teil noch immer in Erprobung sind.

9. Wie beurteilen Sie die Absiedelung der Krankenpflegeschule in der Jagdschloßgasse?

Dr. Mlczoch: Die Absiedelung der Krankenpflegeschule in der Jagdschloßgasse war sicherlich notwendig, da eine Insellösung für die Krankenpflegeschule zu teuer war und die Eingliederung in die neugebaute Schule im Kaiser Franz Josef Spital wesentlich effizienter ist. Leider ist damit natürlich die schönste Krankenpflegeschule Wiens geschlossen worden.

Das Interview wurde von hojos geführt.
Wien, am 13. August 2013