Das Landesgericht St. Veit

Von Theodor Perhab

Zur Babenbergerzeit gab es in Niederösterreich 12 Landesgerichte. Ob nun der Ort Godtinesfeld die Blutgerichtsbarkeit besaß oder sie erst St. Veit erhielt, ist vorerst noch unbekannt. Da jedoch im Mittelalter die Landesgerichtsbarkeit stets als unmittelbarer Ausfluss der landesfürstlichen Gewalt galt und den geistlichen und weltlichen Patrimonialherren verliehen wurde, so ist anzunehmen, dass bereits der bischöfliche Besitz Godtinesfeld im Besitz der Blutgerichtsbarkeit war.

Nachdem Wien 1468 Bischofsstuhl wurde, wird in einem von der Herrschaft Penzing über die Gerichtstagung (Banntaiding, auch Panthading) zu Penzing im Jahre 1538 verfassten Bericht der Bischof von Wien als Inhaber des Landesgerichtes zu St. Veit genannt. Nur das Landesgericht hatte das Recht Todesurteile zu vollstrecken, bzw. auf seinen eigenen Grund und Boden einen Galgen zu errichten.

Zum Landesgericht St. Veit gehörten die Herrschaften (Orte bzw. Ortsgerichte) Baumgarten, Hacking, Hütteldorf, Lainz, Penzing, Purkersdorf und Speising. Der ältere Ortsteil Rosenhügel gehörte zum Landesgericht Wien.

Wurde ein Verbrecher, auf dessen Tat die Todesstrafe stand, aufgegriffen, so musste er von den erwähnten Orten an das Landesgericht St. Veit ausgeliefert werden. Dabei fiel aber oft Landesgericht und Burgfrieden zusammen, das heißt, es konnte ihm die Möglichkeit zum Entweichen gegeben werden (Albertium von 1296).

In der Ordnung und Banntaidinge des Wienerwaldes vom 18. 9. 1601 heißt es: Das Gericht soll nicht in die Dörfer gehen um einen Dieb zu holen, sondern er soll an der Ortsgrenze übergeben werden. Dort soll der Dorfrichter dreimal rufen, kommt aber das Landesgericht nicht, so soll „in der Dorfrichter anbinden an ainen zwiernsfarn (Zwirnfaden) oder ruckhalm (Gürtel).“ Befreit sich der Täter, so ist er nicht weiter zu ver­folgen. Für Penzing war zum Beispiel im 15. Jhdt. nach überliefertem Recht der Übergabeort eines Täters die Mitte des Wienflusses.

Die verschiedenen Todesstrafen waren damals für unser heutiges Empfinden sehr makaber. So heißt es in einem Akt aus dem Jahre 1529 „Hals abstoßen mit einem Laden aus der Diele“, oder 1577 „Gedärme aus dem Leib winden“ bei Raub. In der Regel war jedoch die Todesstrafe „stock und galgen“.

Wo sich die Richtstätte in Ober St. Veit befand, konnte bis heute noch nicht festgestellt werden. Da heißt es z. B. im Jahre 1602: Wer einer richterlichen Aufforderung nicht Folge leistet, soll „tag und nacht im stock sitzen“, oder ein Gotteslästerer soll „3 tag im stock ligen“ (Stock, cypus = Block zur Festhaltung Gefangener). 1414 heißt es, dass über das Blutgericht mit „stokch und galigen“ zu richten ist.

Da Jahrhunderte hindurch „Stock und Gericht“ (1528 hieß es „mit stock und Gericht und umb all tod, wie die verschuldet werden, zu richten) in der Rechtsprechung eine große Rolle spielten, so neige ich dazu, den „Stock im Weg“ in Ober St. Veit mit der Landesgerichtsbarkeit des Ortes in Verbindung zu bringen.

Das Hietzinger Heimatbuch 1925 bezeichnet den „Stock im Weg“ als „alte volkstümliche Ortsbezeichnung, Flurname“.

Ludwig Rossa schreibt 1945: Nach einer Sage geht die Gründung St. Veits auf einen alten Baumstamm, den „Stock im Weg“ zurück.

Ich finde, man hat die Gerichtsakten für die Heimatforschung zu wenig herangezogen. Dabei sind sie die reinsten Fundquellen, hier einige Auszüge:

Im Jahre 1253 vertauscht Ortolf von Traiskirchen seinen „Maierhof in Hiecing“ an das

Stift Klosterneuburg.

 

„Rudlo der Hietzinger“ gibt 1263 einen Teil seines Erbes an das Stift Klosterneuburg.

 

Über die Besitzverhältnisse von Speising und Lainz wird in den Banntaiding und Rechte zu Atzgersdorf aus dem Jahre 1450 berichtet.

 

Wie klein Hietzing war, ersieht man aus dem Meidlinger Banntaiding (Gerichtstag) im Jahre 1516, wo es heißt: Alle Hietzinger müssen zu dem Meidlinger Gerichtstag kommen „sind der Hietzinger alle nur 16“.

 

Köstlich ist jedoch der Vermerk von 1730 in der Kalksburger Bann- und Bergtaiding (Punkt 22): ...man soll das Brot „von den Speisinger pöckchen“ nehmen.

Die wesentlichsten Änderungen der Gerichtsverhältnisse brachte:

1656 die Landgerichtsordnung Ferdinand III.

1781 die allgemeine Gerichtsordnung Josef II.

27.9.1783 das niederösterr. Jurisdiktionsnorm

2.4.1802 nichtadelige kathol. Klerus Hofdekret.

Erst mit der politischen Forderung des Revolutionsjahres 1848 wurde die Patrimonialgerichtsbarkeit abgeschafft und der letzte Rest der Feudalität beseitigt, was im § 100 der Reichsverfassung vom 4. März 1849 seinen Ausdruck fand.

Die 208 Landesgerichte in Niederösterreich wurden mit dem ersten konstitutionellen Gesetz Österreichs vom 7. 9. 1848 aufgehoben und an dessen Stelle fünf Gerichtshöfe eingesetzt (Landesgericht Wien, Kreisgericht zu Wr. Neustadt, St. Polten, Krems und Korneuburg).

Mit Entschließung vom 26. 6. 1849 über die Gerichtseinteilung für Niederösterreich wurde Hietzing als Bezirksgericht Nr. 9 dem Kreisgericht Wr. Neustadt eingeordnet. Dem Bezirkssprengel Hietzing wurden 17 Ortsgemeinden zugeteilt und in jedem Dorf ein Ortsrichter bestellt.

Das 1849 gegründete Bezirksgericht Hietzing wurde, nachdem man das Gebäude des 1816/17 errichteten „Theater in Hietzing“ mit einem zweiten Stockwerk versehen hatte, in der Trauttmannsdorffgasse (damals Alleegasse) untergebracht. Nach Vollendung des Zubaues am Amtshaus am Hietzinger Kai (ca. 1977) wurde seine Standort dorthin verlegt.

Quellen:
Dollinger, Erhard; Perhab, Theodor: Hietzing – Vergangenheit und Gegenwart. Herausgegeben von der Bezirksvorstehung für den 13. Bezirk, Wien in den 1970er-Jahren.

Übertragen von hojos
im März 2013