Was passiert mit dem Krankenhaus Hietzing?

Gemäß Regionalem Strukturplan Gesundheit (RSG) Wien sollen im Krankenhauses Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel mehr Abteilungen geschlossen werden als befürchtet!
12.09.2012

Das von der Beraterfirma EBNER HOHENAUER HC CONSULT (EHC) GmbH im Rahmen des Regionalen Strukturplans Gesundheit (RSG) Wien erstellte Planungskonzept für die stationäre Versorgung (Stand Juni 2012) folgt den Vorgaben des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) und nutzt verschiedene aktuelle und prognostische Daten die Bevölkerung, die Spitäler und die Spitalsleistungen betreffend. Von der Planung betroffen sind alle über den Wiener Gesundheitsfonds (teil-)finanzierten Wiener Spitäler, die von der Stadt Wien oder diversen kirchlichen Orden etc. geführt werden.

Doch schon der Umstand, dass die EHC erst vor einigen Jahren aus der Firmengruppe HCC Health Care Company GmbH des Christian Köck herausgelöst wurde, wirft Fragen auf. Denn die HCC, die neben der Beratungstätigkeit Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser besitzen und betreiben will, ist ein potentieller privater Konkurrent des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), dem nun möglicherweise viele Kennzahlen des Wiener Gesundheitsbereiches zur Verfügung stehen. Dazu kommt, dass Christian Köck neuerdings auch im Aufsichtsgremium des KAV vertreten ist.

In der Darstellung zur Ermittlung der Planungsgrößen fällt auf, dass wohl eine Abstimmung mit Experten und Trägervertretern, aber nicht mit den betroffenen Abteilungen vorgesehen ist. Eine tatsächliche Nachvollziehbarkeit der Planungsergebnisse ist nur für die Psychiatrie gegeben.

Kritisch hervorzuheben ist auch die auf eine Anpassung der Verweildauer zurückgehende Reduktion der Betten bis 2020 um insgesamt rd. 15% (!). Vor allem diese geforderte Effizienzsteigerung führt für alle betrachteten Spitäler zusammen zu einer bis 2020 angepeilten Bettenreduktion von dzt. 10.487 auf 9.843, alle sonstigen Veränderungen und insbesondere die Bevölkerungszunahme eingerechnet.

Den Gutteil dieser Reduktion haben die Wiener Städtischen Krankenhäuser und nicht die anderen Krankenhäuser und Ordensspitäler zu tragen. Für die Versorgungsregion VR 92 (die Bezirke 12–19 und 23) wird sogar eine Reduktion der Betten von 4776 auf 3411 geplant. Bei aller denkbaren demografischen Begründbarkeit lässt dies für unsere Region und auch für das Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel (KHR) Schlimmes erwarten.

Bestätigt werden diese Erwartungen durch die Kapazitätsplanung 2020 für das KHR. Hier die Planungen für die einzelnen Bereiche:

  1. Die zentrale Erstversorgung bleibt bestehen.
  2. Chirurgie: Die Bettenanzahl soll von 135 auf 56 reduziert werden. Dabei soll es offenbar neben der Absiedelung der Herzchirurgie zu einer Verkleinerung der dzt. 71 Betten zählenden Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) kommen.
  3. Innere Medizin: Die Bettenreduktion von 333 auf 260 wird teilweise mit der Absiedelung der Kardiologie begründet. Ohne interventionelle Kardiologie (Notfallversorgung von akuten Herzerkrankungen, Herzkatheterinterventionen) können die derzeit aufeinander abgestimmten fünf internistischen Abteilungen jedoch kein komplettes medizinisches Spektrum mehr anbieten!
  4. Die Onkologie (internistische Krebsbehandlung, 76 Betten) und die darin integrierte Palliativmedizin sollen geschlossen werden.
  5. Die Sonderabteilung für Strahlentherapie mit derzeit 22 Betten wird geschlossen. Die für die Onkologie wichtige Bestrahlung ist vor Ort nicht mehr möglich; die vorhandenen Einbauten aus meterdickem Schwerbeton und Stahl müssen aufwändig abgebrochen werden.
  6. Gynäkologie und Geburtshilfe: Die bestehenden 52 Betten sollen durch 9 als Wochenklinik geführte Betten ersetzt werden. Damit wird die Effizienzgrenze unterschritten. Grundsätzlich bedeutet das eine Verlagerung der Kapazitäten in das St. Josef-Krankenhaus in der Auhofstraße 189, dessen Geburtshilfe von 41 auf 78 Betten erhöht wird.
  7. Die neurologischen Abteilungen werden von dzt. 194 auf 128 Betten ebenfalls überdurchschnittlich reduziert. Dabei soll das KHR ein Zentrum für Schlaganfälle werden.
  8. Unfall- und Kinderabteilungen gibt es im Südwesten Wiens jetzt nicht und soll es auch in Zukunft nicht geben.
  9. Die neu adaptierte Dermatologie (Behandlung von Hautkrankheiten) mit derzeit 32 Betten soll geschlossen werden.
  10. Die Augenabteilung mit 15 wochenklinischen Betten wird auf eine Tagesklinik mit 10 Betten reduziert. Augenpatienten werden als sehr mobil eingeschätzt.
  11. Die soeben komplett renovierte HNO-Abteilung mit derzeit 31 Betten soll geschlossen werden.
  12. Die Urologie mit derzeit 37 Betten wird auf eine Wochenklinik mit 16 Betten reduziert. Erstaunlich ist die Forderung, die Urologien im Hanusch Krankenhaus und im Krankenhaus Göttlicher Heiland „in enger Kooperation“ zu führen.
  13. Die Pulmologie (Lungenheilkunde) wird von 77 auf 68 Betten reduziert.
  14. Orthopädie: Wegen der Schließung des Otto-Wagner-Spitals sollen 75 Orthopädie-Betten in das KHR verlagert werden. Damit tritt das KHR in Konkurrenz zum nahe gelegenen Orthopädischen Spital Speising.
  15. Die Psychiatrie, die teilweise vom Otto Wagner Spital ins KHR verlagert wird, soll 158 Betten bekommen.
  16. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie wird ins Wilhelminenspital verlegt.
  17. Die Behindertenpsychiatrie für Erwachsene wird nach derzeitigem Planungsstand im Krankenhaus Hietzing verbleiben und im Sinne des „Wiener Psychiatriekonzeptes der Regionalisierung“ einer der Psychiatrischen Abteilungen angeschlossen werden.
  18. Die Akutgeriatrie wird von 24 auf 72 Betten ausgebaut.
  19. Die Intensivbetten sollen von 54 auf 30 reduziert werden.

Insgesamt unterscheiden sich die Vorhaben gemäß dieses Strukturplanes massiv von den bisherigen Aussagen, wonach das Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel ein Schwerpunktspital mit dem Erhalt aller bisherigen Leistungen, mit Ausnahme der Kardiologie und Herzchirurgie, werden soll. Heute wird von einer Teilversorgung mit Schwerpunkten für Rheuma, Diabetes, Neurologie, Orthopädie und Psychiatrie gesprochen und von kleinen Tages- oder Wochenkliniken für Augenheilkunde, Urologie und Gynäkologie.

Bisher große Bereiche sollen radikal reduziert und wichtige Abteilungen geschlossen oder auf Miniabteilungen ohne Primararzt vor Ort verkleinert werden. Insgesamt entsteht ein Bild, wonach sich die Hauptaufgaben des Spitals zu weniger operativen Eingriffen und zu weniger wertvollen Leistungen im Sinne des Punktesystems der Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF-System) verlagern sollen. Jedenfalls wird das KHR nur mehr ein Schatten seiner einstigen Größe und Bedeutung sein, die es sich trotz aller Widrigkeiten bis heute erhalten konnte. Das könnte langfristig den Kompetenzerhalt und die Qualitätssicherung in einigen der verbliebenen Bereiche erschweren.

Darüberhinaus bedingt dies auch entsprechende Anpassungen im Bereich der Ambulanzen. Immer wieder zu hören aber noch in keiner konkreten Planung enthalten ist die Nutzung eventuell frei werdender Flächen als privates Medizinzentrum. Der Pavillon 8 wird jedenfalls nicht mehr zum Kernbereich des Krankenhauses gehören und soll eine widmungsgemäße Nachnutzung erfahren.

Mit dem medizinischen Kahlschlag geht auch eine Vernichtung von Kulturgütern einher. Nach derzeitigem Planungsstand soll nämlich das Krankenhaus neu errichtet werden und ein Großteil des Kulturerbes der Spitzhacke zum Opfer fallen. Dabei ist freilich das Denkmalschutzgesetz zu beachten, denn an der bauhistorischen und medizinischen Bedeutung dieses 1913 als Kaiser-Jubiläums-Spital eröffneten Krankenhauses besteht kein Zweifel. Es ist das erste von der Gemeinde Wien errichtete Krankenhaus und setzte einen Meilenstein in der medizinischen Versorgung der Wiener Bevölkerung.

Doch bei genauerer Nachforschung (hier ist der Initiative Denkmalschutz zu danken) zeigt sich, dass dem Vorhaben bereits durch die 2. Nachtragsverordnung vom 15.12.2009 der Weg geebnet wurde: Vom Denkmalschutz sind nur mehr das Verwaltungsgebäude (Direktion, A-, B-Gebäude), das ehemalige Schwesternheim (Pavillon IV), der ehemalige Tuberkulosepavillon (Pavillon VIII), der Rolandsbrunnen, die Umfriedung und die gestalteten Freiflächen erfasst.

hojos
Im September 2012