Umgebungsraubbau

Interview mit Eduard Issel, Immoinvest
21.02.2009

Blatt’l: Vor kurzem habe ich in einem Ihrer Statements das Wort Umgebungsraubbau gehört. Was meinen Sie damit?

Eduard Issel: Dieser Begriff ist eine Wortschöpfung von mir. Er ist eine konzentrierte Beschreibung einer Kette von Handlungen und Unterlassungen, die ich als Sünden gegen die Interessen einer Landschaft oder eines Wohngebietes ansehe.

Blatt’l: Was meinen Sie damit konkret?

Eduard Issel: Man suche in einer möglichst schönen Wohngegend eine Liegenschaft. Sie sollte am besten in einer Schutzzone liegen, das hat zwei Vorteile: Einerseits ist sie in eine attraktive Umgebung eingebettet und andererseits ist sie wegen der eingeschränkten Bebaubarkeit üblicherweise billiger. Zumindest lässt sich der Preis gegenüber dem Verkäufer besser verhandeln.

Blatt’l: Wie geht’s dann weiter?

Eduard Issel: Das hängt von der Zielsetzung des Käufers ab. Im Idealfall wird die Liegenschaft liebevoll restauriert, adaptiert und erhalten. Damit werden das Ensemble und das Ortsbild aufgewertet. Auch der Wohnwert ist in sanierten alten Gemäuern wesentlich höher. Leider ist das aber nur der kleinere Teil der Realität. Oftmals ist die Zielsetzung eine rein finanziell-spekulative, die sich in folgender manchmal dreisten Vorgangsweise manifestiert: Zunächst wird der bewusste Verfall der Liegenschaft mit dem Ziel einer technischen und wirtschaftlichen Abbruchreife gefördert. Diese erreicht man einfach durch Vernachlässigung (ignorierte Dachschäden, Wasserschäden, offenstehende Türen, schadhafte Verblechungen usw.). Dann wird ein Projekt unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten und „geringfügigen“ Überschreitungen der Flächenwidmungen und nachträglicher Planabänderungen durchgezogen. Natürlich unter Ausnutzung aller wirtschaftlichen und politischen Lobbyingmöglichkeiten (vornehm ausgedrückt). Klarerweise führt die Maximierung der verkaufbaren Fläche zu unästhetischen Ergebnissen, die den eigentlichen Umgebungsraubbau darstellen. Der Investor verlässt mit hohem Gewinn möglichst rasch den Ort des Geschehens. Die Rechnung bezahlen die Anrainer mit dem Wertverlust ihrer eigenen Liegenschaft und der Ort verliert an Attraktivität.

Blatt’l: Wie erklären Sie die erwähnten Unterlassungen als weitere Ursache für den Umgebungsraubbau?

Eduard Issel: Das ist ein weites Feld. Es beginnt schon mit der privaten Unterlassung von notwendigen Erhaltungsarbeiten und sachgerechten Verschönerungsmaßnahmen (neben unästhetischen Maßnahmen wie blickdichte Zäune, schlimmstenfalls sogar mit unschönen Kunststoffelementen oder Planken). Dies ist ebenfalls als Angriff auf das Ortsbild zu sehen. Noch schlimmer ist die öffentliche Unterlassung, die als Pendant zu den blickdichten Zäunen zu einer gewissen Narrenfreiheit der Werbefirmen mit ihren Plakatwänden führt. Die Untätigkeit der Behörden sogar bei offensichtlich bewusst gesetzten Verfallsmaßnahmen kann exemplarisch an den Häusern Hietzinger Hauptstraße 170 sowie Einsiedeleigasse 4 und 6 eindrucksvoll beobachtet werden. Auch der katastrophale Zustand der Straßen in den Schutzzonen speziell im Vergleich zu kleinen Orten am Lande, die ihre Zonen meist liebevoll pflegen, ist ein Beispiel für den Raubbau durch Unterlassung. Mit diesen Beispielen könnte man ein Buch füllen. Leider.

hojos
Ober St. Veit, am 21. Feber 2009