Grundsätzliches zu den Grundherrschaften

Dr. Richard Pelikans Buch über das Realgewerbe entält auch allgemeine Darstellungen zu den Grundherrschaften. Untenstehender Text ist ein Exzerpt aus diesen Darstellungen, mit besonderer Brücksichtigung der für Niederösterreich geltenden Bereiche.
1910

Im späten Mittelalter und in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit bis in das Zeitalter Karls VI., Maria Theresias und Josefs II. stand regelmässig alle Macht und Gewalt über Personen und Grund und Boden auf dem Lande bei den Grundherrschaften, den Besitzern der meist adeligen und die Mitgliedschaft zum Landstande begründenden großen Güter, welche aus einem Komplex von Grund und Boden mit einer Anzahl Dörfer, oft auch untertäniger Städt und Märkte bestanden.
Grundherren waren nur jene Großgrundbesitzer, denen der Besitz von Untertanen und über ihr Gutsgebiet das „dominium directum“ zustand. Grundbesitzer innerhalb dieser Herrschaft hatten nur einen abgeleiteten Grundbesitz und von der Herrschaft überlassene Nutzungsrechte, waren aber selbst – so sie auf dem Grund auch wohnten - Untertan und unter anderem der Gerichtsbarkeit der Herrschaft unterworfen. Ausgenommen von dieser Gerichtsbarkeit des Grundherren waren jede, die aufgrund ihres Standes als Geistlicher oder Adeliger unter einer besonderen Gerichtsbarkeit standen und die sogenannten Freisassen bzw. Freibauern, die Besitzer alten Freihöfe bzw. Edelhöfe waren und ihren Hof schon von den Vorfahren als freies Eigentum übernommen hatten oder selbst von der Herrschaft als freies Eigentum erhalten hatten.
Je nach Eigentumsverhältnis gab es somit den Dominikalgrund, wenn der Besitzer volles Eigentumsrecht hatte und den Rustikalgrund, wenn dem Besitzer nur die bloße Nutzung des Grund und Bodens innerhalb des Obereigentums des Grundherren zustand. Die Gründe konnte gekauft oder überlassen worden sein.
Den größten Teil der angelobten (die Besitzer mussten geloben, dass sie ihr behaustes Gut nur als Untertanen besitzen wollen und sich der persönlichen und dinglichen Gerichtsbarkeit des Grundherren unterwerfen) Untertanen bildete der Bauernstand.
Die Bauerngründe unterschieden sich in
  • behauste Gründe, die einen Teil des Hauses ausmachten, mit dem Haus an einer Gewähr standen (=als eigene Position im Gewährbuch eingetragen waren) und ohne dem Haus nicht veräußert werden konnten,
  • Hausüberlandgründe, die zwar keinen Teil des Hauses bildeten und auch an einer besonderen Gewähr standen, aber ohne Haus nicht verkauft werden durften (um übermäßige Grundzerstückelungen zu vermeiden), sowie
  • Überlandgründe, welche keinen Teil des Hauses bildeten, in einer besonderen Gewähr standen und auch ohne Haus veräußert werden konnten.
Nach dem Umfang des Besitzes wurden Ganzlähner, Halblähner, Viertellähner (Besitzer von 36, 18 oder 9 Joch Ackergrund) und Kleinhäusler oder auch Hofstättler (welche weniger als ein Viertellähner besaßen) unterschieden.
Aus dem Untertänigkeitsverhältnis und dem Obereigentum über allen Grund ergaben sich verschiedene grundherrliche Rechte für die Herrschaft:
  • das Recht auf Leistung des „Robot“ (Arbeitsleistungen),
  • das Recht auf Grunddienst (vertraglich vereinbarte Abgabe an Geld oder Naturalien),
  • das Recht auf das Pfundgeld (ein bestimmter Geldbetrag, der bei Besitzänderungen zu entrichten war),
  • das Recht auf Abfahrtsgeld (eine Zahlung an den bisherigen Grundherren bei Veränderungen in der Grundherrschaft),
  • und in manchen Herrschaften auch das Recht auf Zehent (das Recht auf ein Zehntel der der Ernte an Getreide, Wein etc.).
  • Die persönliche Gerichtsbarkeit gab den Herrschaften die unmittelbare Obrigkeit bei Klagen und Beschwerden gegen ihre Untertanen.
  • Die dingliche Gerichtsbarkeit gab ihnen das Recht, das Grundbuch zu besitzen und zu führen, die Gewähr auszustellen und Sätze auszufertigen, aber auch den Untertanen abzustiften und das behauste gut einzuziehen. Das Grundbuch bestand aus dem Urbarium und dem Urkundenbuch, welches in das Gewährbuch und das Satzbuch geteilt war. Im Urbar waren die untertänigen Gründe mit allem Zugehör, die Besitzer derselben, die Kaufsumme und die jährlich zu leistenden Grunddienste eingetragen. In das Gewährbuch und Satzbuch wurde der Inhalt der die Erwerbung und den Besitz bzw. die bestellten Pfandrechte und die dinglichen Lasten betreffenden Urkunden aufgenommen, wobei die Originalurkunden beim Gewähr- und Satzbuch zurückbehalten und den Parteien nur Abschriften der Urkunden oder Auszüge aus denselben, sogenannte „Gewähren“, ausgefolgt wurden. Eingezogen oder abgestiftet konnte der Grund nur dann werden, wenn der Grundbesitzer ein „unruhiger Mensch, ein Aufwiegler“ war, wenn er den Grund ganz vernachlässigte, wenn er in beträchtliche Schulden verfiel oder wenn er die Abgaben nicht entrichtete. Im Rahmen der Abstiftung musste der Grund geschätzt und versteigerungsweise verkauft und der Erlös nach Abzug er Forderungen des Grundherren dem abgestifteten Untertan ausgefolgt werden.
Ihre grundherrlichen Rechte haben die Herrschaften durch ihre Wirtschaftsämter (Wirtschaftsamt, Rentamt, herrschaftlicher Amtmann, Verwalter, Burggraf, Rentmeister) ausgeübt. Für die Ausübung der Gerichtsbarkeit wurden von den Herrschaften qualifizierte Rechtspfleger (Justitiäre, Ortsrichter Dorfrichter) bestimmt. Später, als einzelne Herrschaften zu Ortsobrigkeiten (Dorfobrigkeiten), das heißt zu förmlichen Behörden erster Instanz für ein bestimmtes Gebiet bestellt worden waren, wurden bei diesen besondere Ortsgerichte eingerichtet.
Bei Städten und Märkten gab es solche, die einer Herrschaft untertänig waren und andere, die unmittelbar dem Landesfürsten unterstanden. Untertänige Städte und Märkte, die vermögend genug waren, konnten einen eigenen Magistrat errichten, dem dann die Polizeigewalt und die Gerichtsbarkeit zustand. Der Magistrat bestand aus dem Bürgermeister und gewöhnlich drei Ratsmännern, die vom Grundherren zu bestätigen waren. Die grundherrlichen Rechte blieben aber bei der Grundherrschaft. In den landesfürstlichen Städten und Märkten hatte der Magistrat auch die Grundherrlichkeit. Ein Untertänigkeitsverhältnis der Bewohner zum Magistrat bestand aber nicht, sie waren unmittelbar dem Landesherrn untertan. Der Wirkungsbereich des Magistrats wurde Burgfried genannt, die ihm unterstehenden Güter waren die bürgerlichen Güter.
Auch das Recht, Gewerbe zu verleihen, war ursprünglich ein Grundherrliches, d.h. ein jeder Grundherrschaft zustehendes Recht. In den frühen Zeiten hatte jede Grundherrschaft sowohl auf dem Lande wie in den untertänigen Städten schon kraft ihrer grundobrigkeitlichen Gewalt das Recht, die Untertanen vom Betriebe von Gewerben auszuschließen und nur jenen, welchen sie den Betrieb eines Gewerbes gestatten wollte, ein Gewerberecht zu verleihen. In den landesfürstlichen Städten haben die Magistrate Gewerbe verliehen. Dass jeder Gewerbebetrieb von der Gnade der Grundherrschaft abhängig war, geht schon aus dem Erfordernis hervor das z.B. der Untertan für das Erlernen eines Handwerks, für eine Wanderung oder die Übersiedlung in einen andern Ort (etwa um dort die Meisterprüfung zu machen) den obrigkeitlichen Konsens benötigte.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte dann ein Prozess ein, der – ausgehend von Regelungen zu den Oberbehörden – die Gewerbekompetenzen von den Grundherren zu politischen Instanzen lenkte. Sukzessive wurden politische Stellen auch in den unteren Instanzen für die Gewerbeangelegenheiten zuständig und die Grundherren konnten keine Gewerbe mehr verleihen, außer sie waren als Ortsobrigkeit (Dorfobrigkeit) auch zur förmlichen Behörde erster Instanz bestellt. Im Hofbescheid vom 22. April 1775 (Originalakt des Archivs des M.d.I., Sign. 308 ex Aprili 1775) wurde der niederösterreichischen Regierung eröffnet, „dass den Magistraten und auf dem Lande den Dominien (Anm.: Ortsobrigkeiten) sowohl die Ersetzung der alten und Erteilung neuer Meisterstellen, außer bei Kommerzialprofessionen, nicht minder die Verleihung der Fragnerei, Greislerei, Branntwenschank u. dgl. vollkommen eingeräumt und überlassen sein soll“. 1776 wurde dann den Magistraten und Ortsobrigkeiten auch die Aufnahme der Kommerzialprofessionisten, Fabrikanten und Manufakturisten, dann die Bewilligung der Handlungsfreiheiten und Kramladen eingeräumt. Den gewöhnlichen Grundherrschaften blieb ein Einspruchsrecht. Die Verleihung bestimmter Gewerbe, wie Landesfabriksbefugnisse, Apotheker- und chirurgische Gewerbe, Buchhandlungen, Kaffeehäuser standen aufgrund verschiedener Vorschriften den Landesstellen zu. Für andere Gewerbe wiederum, wie z.B. Bierbrauereien und Großhandelsbefugnisse waren die obersten Instanzen (Hofkanzlei für Polizeigewerbe und Hofkammer für Kommerzialgewerbe) sogar die Verleihungsbehörde.

Quellen:
Pelikan, Dr. Richard: Die Realgewerbe. Nach amtlichen Quellen im Auftrage des k. k. Handelsministeriums verfasst von Dr. Richard Pelikan k. k. Ministerialsekretär. Verlag von Moritz Perles, k. u. k. Hofbuchhändler
I., Seilergasse 4. Wien 1910.

Exzerpiert von hojos ohne Gewähr für die Richtigkeit
im Juni 2009