Der Weinbau

Ein paar Worte zur Kulturgeschichte des Weinbaus und zum Weinbau in der Region

Die Flusstäler Vorderasiens sollen die Wiege der Weinkultur gewesen sein; Assyrer und Ägypter haben die Zubereitung von Wein schon sehr früh gekannt. In weiten Teilen Europas hat sich zunächst der Weinbau griechischer Herkunft etabliert, und auch unsere keltischen Vorfahren haben Wein getrunken. Die Römer verfeinerten die Weinbaukultur und trugen sie noch weiter. Die merowingischen und die karolingischen Könige haben den Weinbau vor allem durch die Förderung der Klöster und der Kirchen gepflegt.

Um 1400 fand der Weinbau seine größte Ausdehnung. In unserer Region war zum Beispiel das Jahr 1442 ein reiches Weinjahr, leere Krüge oder Fässer erzielten damals Wucherpreise. Der Wein aus dem Wiener Raum wurde großteils exportiert, etwa nach Salzburg und Bayern. Um den Bedarf zu decken, wurden immer größere Flächen dem Weinbau gewidmet, natürlich nicht ganz ohne Risiko: 1500 sinkt der Weinpreis auf 2 Pfennig pro Eimer, und „viele sterben, weil sie sich zu Tode gesoffen haben“.

Klimaschwankungen, Konkurrenz durch andere Produkte bzw. Importe schwächten in der Folge den Weinbau; der 30-jährige Krieg vernichtete ihn fast vollständig. Allmählich kam er wieder zur Blüte, aber Trockenheit, Krankheiten und schwerer Frost lösten im 19. Jahrhundert den Rückgang auf die heutigen Gebiete aus.

In seiner langen Geschichte war der Wein nicht nur Ergänzung des Speisezettels, sondern er hatte und hat auch hohe Bedeutung in religiösen und kultischen Handlungen, war wertvoll und – gleich dem Wachs – oft Teil der Entlohnung oder der Abgaben an die Grundherrschaft. Wein war fast die einzige Flüssigkeit, die zu Mahlzeiten eingenommen wurde. Der Weinbau fand meist Wohlwollen und Schutz des Landes- bzw. Grundherrn.

St. Veit war viele Jahrhunderte (wahrscheinlich seit seinem Bestand) Weinbauort, und daher ist auch seine Geschichte über lange Zeiträume vom Weinbau begleitet. Die meisten mittelalterlichen Urkunden besitzrechtlichen Inhalts mit St.-Veit-Bezug erwähnen Weingärten. Besitzrechtlich hatten Weingärten einen besonderen Status. Während Äcker fest zu den Höfen gehörten und nur gemeinsam den Besitzer wechselten oder genossenschaftlich genutzt wurden, konnte man Weingärten frei verkaufen, tauschen oder vererben. In guten Lagen waren sie eine lukrative Geldanlage für Bürger, Geistliche und Institutionen auch außerhalb der Region. Daher war nur ein Teil der St. Veiter Weingärten im Besitz lokaler Bauern. Auch leiten sich einige regionale Ortsbezeichnungen vom Weinbau ab, etwa Winzerstraße und Neukräftengasse.

Für die Menschen war der Weinbau wesentlicher Teil des Einkommens; die Verdienstkette zog sich vom Grundherrn über den Weingartenbesitzer und die Zulieferer (Stecken, Fässer etc.) bis zum ärmsten Taglöhner, der in den Weingärten Arbeit fand. Letztere wurden an den „Mietstätten“ für jeweils eine Saison zu einem von den Amtsleuten der betreffenden Dörfer einheitlich festgelegten Lohn verpflichtet. Im alten St. Veit war der Platz vor der Kirche eine derartige Mietstätte. Natürlich mussten die Weingärten während der Traubenreife, von etwa Mitte August bis Ende Oktober, auch geschützt werden, das war Aufgabe der von den Dörfern bestellten Weinhüter.

Das ehemalige Weinhüterhaus an der Adolfstorgasse. Das Kreuz gegenüber steht heute noch, die Weingärten hinter dem Kreuz schon lange nicht mehr. © Bezirksmuseum Hietzing
<p>Das ehemalige Weinhüterhaus an der Adolfstorgasse. Das Kreuz gegenüber steht heute noch, die Weingärten hinter dem Kreuz schon lange nicht mehr.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Verkaufte ein Winzer Maische oder Most, so musste sofort eine Abgabe geleistet werden. Etwa ab Martini (11. 11.) kamen die „Weinschreiber“ in die Keller, erhoben die Menge des gekelterten Weines und setzten die Abgabe fest. So wurde beispielsweise 1738 für jeden Eimer (56 l) Wein, der für den Verkauf bestimmt war, 1 Gulden Steuer eingehoben; wenn er für die Familie bzw. für den Haushalt des Winzers bestimmt war, reduzierte sich der Steuerbetrag auf 40 Kreuzer je Eimer. Der Erlös für einen Eimer St. Veiter Weines betrug damals 3 Gulden 50 Kreuzer, die Steuer betrug also mehr als 25%.

Der Wein St. Veits war von mittlerer Qualität unter denen im Viertel unter dem Wienerwald (Unter-Oesterreichischer Landkompass des Stefan Sixsey von 1637). In guten Jahren soll er ein „wohlschmeckender Gebirgswein“ gewesen sein (Schweickhardt: Erzherzogthum Österreich, 7. Bd. S. 55). Offensichtlich war er aber nicht gut genug, um wie in anderen Orten der Region den hiesigen Weinbau die Fährnisse des 19. Jahrhunderts überleben zu lassen. Trockenheit, die aus Amerika eingeschleppten Pilzkrankheiten und schließlich das Auftreten der Reblaus 1872 vernichteten die Altkulturen. Nur wenige Rieden wurden neu bepflanzt. Die Flächen wurden lieber verbaut oder zur Futtergewinnung für Kühe verwendet, da die Milchnachfrage aus der wachsenden Stadt enorm war.

Wurden 1819 noch 120 Joch Weingärten gemessen, so waren es 1891 nur mehr 20 Joch. Waren 1819 noch 92 von 101 landwirtschaftlich tätigen Hausbesitzern Weinbauern, so gab es 1880 nur mehr 6 Weinhauerfamilien: Kuster, Pohl, Purraner, Mohsbacher, Höflinger, Reigl und Riel. Die letzten Weingärten am südlichen Hang des Gemeindeberges und in der Adolfstorgasse verschwanden um 1925, ein ganz kleiner unterhalb der „Schönen Aussicht“ zur Wlassakstraße gelegener nach dem 2. Weltkrieg.

Quellen:
Schweickhardt, Franz: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens. 7. Band, 1833.
Sixsey, Stefan: Unter-Oesterreichischer Land Compass, 1673.
Platt, Margarete, Fenster in die Vergangenheit, die Flurnamen von Ober St. Veit und Hacking. Wien, 1999.
Twaroch, Franz: Auch Grundbücher schreiben Geschichte, Ober St. Veit. In: Fenster in die Vergangenheit, Lokalgeschichtliche Schriftenreihe des 13. Wiener Gemeindebezirks, Heft 1/2000.
Holzapfel, Josef: Historisches Ober St. Veit. Handwerks-, Gewerbe- und Vereinsgeschichte. Wien, Interessensgemeinschaft Kaufleute Ober St. Veit, 2009

Übertragen von hojos
im August 2019