Helene Gössl

Gastwirtin in der Firmiangasse, geboren am 10. Juni 1911 gestorben am 30. Juni 2006.
10.06.1911

Meine Eltern waren Gastwirte in Payerbach. Damals wurde viel musiziert und oft Karten gespielt, wir Kinder waren interessierte Zaungäste und hatten viel Spaß. 1914 brach der erste Weltkrieg aus. Erzherzog Carl und Zita samt Kindern kamen zu Besuch und wir durften mit den Kindern des Thronfolgers spielen.

Weihnachten in den Kriegsjahren gab‘s nichts zu Essen, am Christbaum hingen kleine Krügerl mit Marmelade gefüllt.

Später dann die Lehrzeit bei einem Bäcker in Wr. Neustadt: 12 Stunden Arbeit pro Tag und nur einen Tag frei. 1934 eröffnete der Onkel eine Weinhalle in Wien. Die Geschäfte gingen gut und ich lernte viel über die Gastronomie.

Als ersten Schritt in die Selbständigkeit eröffnete ich gemeinsam mit einem Kompagnon ein Wirtshaus beim Nordwestbahnhof; in den Kriegsjahren waren die Essensmarken das Hauptgeschäft. Bomben trafen das Nachbarhaus, Schutt bedeckte unseren Apfelstrudel. „Abstauben“, sagte der Luftschutzwart, denn die Soldaten hatten Hunger. Zermürbend dann der tägliche Rhythmus: Kochen, Fliegeralarm, stundenlanges Warten im Keller auf die Entwarnung. Nach Kriegsende Ziegelschupfen und alles wieder aufbauen.

1948 gründeten wir unsere Familie, 1953 folgte der Schritt nach Ober St. Veit: Wir kauften den Traditionsheurigen „Döltl“ in der Firmiangasse und machten ihn zum „Gössl“. Arbeiten, arbeiten, arbeiten, 1977 dann übernahm unsere Tochter Magdalena den Heurigen.

Auf Mallorca traf ich Dr. Bruno Kreisky. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch gab ich ihm mein Votivbild vom Ableben der Kaiserin Zita mit dem Vers: „Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich“. Nach dem Tod Kreiskys bekam ich es von seiner Köchin Roberta zurück, er hatte es an einer besonderen Stelle aufbewahrt.

Ich hatte ein erfülltes Leben, erlebte zwei Weltkriege, zwei Kaiser, fünf Währungen, Auto, Flugzeug, Radio, Photographie, Computer, Fernsehen und den Wiederaufbau ganzer Nationen.

Quellen:
Aus den Aufzeichnungen von Helene Gössl