Das Speiseeis

Chronik einer kulinarischen Entwicklung
18.04.2018

11. Jahrhundert v. Chr.

Zunächst wird Natureis oder Schnee zur Kühlung von Getränken verwendet. In China war zu dieser Zeit die Lagerung von Natureis während der Sommermonate in speziellen Eiskellern üblich, wie das kanonische Liederbuch Shih Ching dokumentiert.

1000 v. Chr.

Altes Testament, Sprüche 25, 13. „Wie kühler Schnee zur heissen Erntezeit, so ist ein treuer Bote dem, der ihn gesandt, er wird die Seele seines Herrn erquicken.“

Um 500 v. Chr.

Auch in Griechenland sind eisgekühlte Getränke als Erfrischung bekannt. Simonides von Keos (556–468 v. Chr.) soll bei einem Festmahl mit folgenden Worten nach einer Erfrischung verlangt haben: „Der Schnee, mit dem der flinke Boreas, der in Thrakien aufsteigt, den Olympus bedeckt, an dem Geist der Menschen nagt und wie ein weisser Gürtel piräisches Land umhüllt – von diesem Schnee lasse man auch mir einen Teil in den Becher füllen.“

Um 400 v. Chr.

Gekühltes wird als gesund gelobt. Hippokrates (ca. 460–375 v. Chr.) empfiehlt Gefrorenes, da es «die Säfte belebt und das Wohlbefinden hebt»; er verordnet Eis auch als Medizin und schmerzstillendes Mittel. Ungefähr dreihundert Jahre später allerdings wird der Römer Seneca (4 v. Chr. Bis 65 n. Chr.) mahnen, auf das Eisessen zu verzichten, um nicht „körperlich und geistig zu entkräften.

401 v. Chr.

Xenophon (426 bis ca. 355 v. Chr.) nimmt an der Schlacht gegen Artaxerxes teil; nach der Niederlage bei Kunaxa fuhrt er das griechische Söldnerheer an – als Erfrischung lässt er ihnen, wie er in der Anabasis berichtet, Schnee mit Honig und Fruchtsäften zubereiten.

329 v. Chr.

Während der Belagerung von Aornos lässt Alexander der Grosse dreissig Erdlöcher ausheben, in denen er Schnee und Eis aus den umliegenden Bergen lagert. An die Offiziere wird dann eine Erfrischung aus Schnee und Wein oder aus Schnee, Milch, Honig und Fruchtsaft verteilt, um sie bei Laune zu halten und zu stärken.

54–68 n.Chr.

Kaiser Nero lässt während seiner Amtszeit Schnee aus den Bergen herbeischaffen, um ihn mit Honig und Früchten zu mischen. In Rom werden Eiskeller eingerichtet, um das ganze Jahr einen Vorrat halten zu können.

4. Jahrhundert

Im Pancatantra, dem Buch fur indische Volksweisheiten, wird festgehalten, dass Wasser nur wirklich kalt werden kann, wenn Salz zugefugt wird.

618–907

In China ist vermutlich bereits während der Tang-Dynastie bekannt, wie Milchprodukte gefroren werden können.

996

Von Alexandria aus wird Rohrzucker nach Venedig gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt wird in Europa mit Honig gesüsst. Zunächst verwendet man Zucker allerdings vor allem zu medizinischen Zwecken.

1127–1206

Der chinesische Dichter Yang Wanli beschreibt gefrorene Milch.

1230–1270

Ibn Abu Usayabi erwähnt in seinem Buch „Kitab Uyan al-Anba fi Tabaquet
al-Attiba“ die Herstellung von künstlichem Schnee und Eis aus kaltem Wasser und Salpeter.

1515

Kolumbus hatte die Rohrzuckerpflanze in die Karibik exportiert. Jetzt liefert das heutige Santo Domingo die erste Ernte nach Spanien. Man verfügt nun über etwas grössere Mengen Zucker, trotzdem bleibt er nach wie vor sehr kostbar.

Mitte 16. Jahrhundert

Der Italiener Marco Antonio Zimara, von 1525 bis 1532 Professor der Medizin in Padua, schildert 1530 in seinen „Problemata“ den endothermischen Effekt von Salz auf Eis. Zwanzig Jahre später, 1550, beschreibt der in Rom lebende spanische Physiker Blasius Villafranca das Abkühlen von Wasser durch die Zugabe von Salpeter. Ausserdem berichtet er, dass Wein und andere Getränke in langhalsige Phiolen gefüllt werden, die man in Gefässen mit stark salpeterhaltigem kaltem Wasser schnell und regelmässig dreht: diese Methode zur Abkühlung sei „in den Häusern aller Vornehmen in Gebrauch“.

Um 1530

Bei der Hochzeit von Katharina von Medici und Heinrich II. 1533, so will es die Legende, habe man halbfestes Himbeer-, Orangen- und Zitroneneis zum Dessert serviert. Der Schöpfer der unbekannten Köstlichkeiten soll der Sizilianer Buontalenti gewesen sein. Historisch gesehen ist diese Geschichte jedoch wenig glaubwürdig. Denn bisher ist nicht belegt, dass man zu dieser Zeit bereits wusste, wie Eis hergestellt wird, und außerdem wurde Buontalenti erst 1536 geboren. Vermutlich hat das Wort „sorbet“, mit dem die hochzeitlichen Desserts benannt wurden und das erst später Gefrorenes bezeichnete, die Verwirrung ausgelöst. Bernardo Buontalenti allerdings wird in Florenz recht berühmt. Der vielfach begabte Architekt und Hydraulik-Ingenieur ist der Impresario vieler Feste der Medici. Er ist es auch, der mehrere Eishäuser in und um Florenz erbauen lässt, unter anderem in den Giardini di Boboli. Buontalenti verkauft Eis an eine breite Florentiner Öffentlichkeit und hat bis zu seinem Tod 1608 das Monopol. Kühlung von Getränken und Speisen durch Eis und Schnee scheint in Florenz damals nichts Aussergewöhnliches gewesen zu sein. 1581 berichtet Montaigne von seinem Besuch bei Silvio Piccolomini, es sei üblich, Schnee ins Weinglas zu geben.

1546–1551

Der französische Naturforscher Pierre Belon reist durch die Türkei und berichtet, er habe Gebäude gesehen, die speziell zur Lagerung von Schnee und Eis errichtet worden seien, was man zur Zubereitung von sherbet brauche.

Um 1580

Ein Zeitgenosse von Francesco de Medici, Gianvittorio Soderini, beschreibt dessen Vorliebe für eine Mixtur aus weissem Traubenmost, der über „latte infrigito“, geeiste Milch, gegossen werde und den dieser in merkwürdigen Stunden trinke.

1589

Der Neapolitaner Giambattista Della Porta (1535–1615) experimentiert mit Gefriermethoden, und in der zweiten, erweiterten Ausgabe seiner Magia Naturalis erwähnt er, dass das wichtigste an einem Sommerfest Wein sei, „so kalt wie Eis“. Seine eigene Entdeckung lässt Wein derart abkühlen, dass er „nicht mehr getrunken, sondern nur noch geschlürft“ werden kann. Diesen Zustand erreicht man, indem man eine Flasche mit Wein und Wasser füllt, sie in einen mit Eis und pulverisiertem Salpeter gefüllten Bottich stellt und dreht. Dies war vermutlich der Durchbruch in der Speiseeisherstellung.

1598

„Ein köstlich new Kochbuch Von allerhand Speisen / an Gemüsen / Obst / Fleisch / Geflügel / Wildpret / Fischen und Gebachens“ „Dergleichen vor mals nie in Truck ausgangen“, von F. Anna Weckerin erscheint mit einem Rezept für einen geeisten Pudding.

1602

Der Sizilianer Bartolo Bensari stellt in Wien Gefrorenes aus Orangensaft her und nennt es „Acqua Bensari“.

1615

Der Römer Marquis Pietro della Valle beschreibt seinem Freund Mario Schipani in einem Brief türkisches sherbet. „Sie bereiten es aus Zucker, Zitronensaft, saisonalem Obst und Blumen und andern Zutaten.“ Es gibt, Della Valle zufolge, flüssiges und festes sherbet, letzteres konnte man auf Reisen mitnehmen und bei Bedarf in Wasser auflösen. Aus Isfahan berichtet er ein paar Jahre später von buzchane, von Eishäusern ausserhalb der Stadt; ausserdem schreibt er, dass man hier nicht nur Eis aufbewahre, sondern mit Hilfe von eigens gebauten Schattenmauern auch Eis herstelle. Von gefrorenem sherbet, also dem, was später dem sorbetto bei Baldini entsprechen würde, ist weder hier noch später die Rede. Sherbet bleibt ein mit viel Eis gekühlter Fruchtsaft.

1625

Henrietta Maria, die Enkelin Katharinas, heiratet Charles I. von England und geht nach London. Zu ihrem Gefolge gehört auch der Konditor Gérard Tissain. Die Kunst des Eismachens hat somit den Kanal überquert.

Um 1660

Wassereis taucht in Paris, Neapel, Florenz und in Spanien auf. Allerdings gibt es jetzt noch keine Aufzeichnungen darüber, wie es hergestellt wird.

1672

Francesco Procopio de Coltelli, sizilianischer Abstammung, marchand limonadier, eröffnet gegenüber der Comédie Française das Café Procope, in dem er Kaffee, Tee, Schokolade und verschiedenste Eisspezialitäten servieren lässt. Über hundert Sorten soll er offeriert haben. Procope verkauft seine Rezepturen schliesslich an den Herzog von Chartreuse, der sie dem berühmten Koch Vatel weitergibt. Das Café Procope bekommt schnell Konkurrenz, unter anderm durch das Café Royal, dessen späterer Besitzer Tortoni die Eisbombe erfunden haben soll.

Ende 17. Jahrhundert

Louis XIV wird von Prinz von Condé eingeladen; zum Dessert serviert Vatel „farbige Ostereier“, entsprechend geformtes und koloriertes Eis. Von nun an wird Eis auch in Versailles produziert, und 1673 erhebt Louis XIV eine Steuer für Speiseeis.

1674

Das erste Rezept für Wassereis wird in „Le Nouveau Recueil de Curiositez Rares Nouvelles des Plus Admirables Effets de la Nature et de l'Art“ von Antoine d'Emery publiziert.

1676

Die Pariser Speiseeisfabrikanten schliessen sich zu einer Innung zusammen, die bereits im Gründungsjahr ungefähr 250 Mitglieder hat.

1691

François Massiolot gibt in Nouvelle Instruction pour les confitures elf – sehr vage – Rezepte für Speiseeis.

1692

In Audigers La Maison Réglée sind Rezepte für eine cresme glacée und eaux glacées angegeben, darunter eines für grünen Fenchel und eines für Kerbel. Eis war also keineswegs nur ein süßes Dessert.

1694

Antonio Latini beschreibt in Lo Scalco alla Moderna zehn verschiedene Sorbet-Rezepte. Aus den recht ungenauen Angaben Latinis lässt sich schließen, dass sorbetti in Neapel zu jener Zeit eher halbgefrorene Sorbets sind – im Gegensatz zu dem harten Wassereis, das in Paris üblich ist. In den Bankettaufzeichnungen listet Latini ghiaccio, gefrorenes Wasser, von Erdbeeren auf, Doppelrahm ist aghiacciato, also mit Eis gekühlt oder gefroren, und wird mit Zucker bestreut serviert. Zur ungefähr gleichen Zeit wie Latinis Werk erscheint das anonyme Brieve e Nuovo Modo dafarsi ogni sorte di Sorbette con Facilità, in dem auch einige Rezepte für Milcheis gegeben werden.

Um 1690

Die ersten Eismodel tauchen auf. In Zukunft gibt es sie in allen erdenklichen Formen, vom Fisch bis zur Pyramide.

1697

Das Kochbuch Freywillig auffgesprungener Granat-Apffel Deß Christlichen Samaritans erscheint. Das Erdbeerwasser ist eines „vieler vortrefflichen / sonders bewährten Mitteln und wunderhaylsamen Artzneyen / wider unterschiedliche Zustand und Übel deß Menschlichen Leibs/ und Lebens“.

1700

Erstmals wird Eis in den USA erwähnt: William Black bekommt bei Thomas Bladen, dem Gouverneur von Maryland, Eiscreme aus Erdbeeren und Milch serviert, er findet sie „most delicious“.

1716

Paul Jacob Malperger macht in seinem Vollständigen Küch- und Keller-Dictionarium folgenden Eintrag unter „Eiß / Glacies, de la Glace“: es „wird des Sommers vielfältig in warmen Ländern gebrauchet / das Getränke damit kalt und frisch zumachen; Dahero dann des Winters im Vorraht das Eis in Eiß-Gruben gebracht / und darinn auffbehalten / hernach des Sommers ausgenommen / und um die Flaschen oder Krüge / in welchen das Geträncke sich befindet / geleget / oder gar in das Geträncke selbst ein wenig Eis eingeworffen wird“. In Ermangelung von Salpeter, meint Malperger, könne man dem Wasser zur Kühlung auch et was Schiesspulver zugeben.

1734

René-Antoine Reaumur (1682–1757) schreibt über die Fruchteisherstellung: „Um nun ein wirklich geschmeidiges Eis zu erhalten, also ein wirkliches Schnee-Eis, muss die an den Wänden (der Gefrierbüchse) angefrorene Flüssigkeit mit einem Messer oder einem andern Instrument von Zeit zu Zeit losgelöst werden. Je öfter man dies tut, um so kleiner werden die Gefrierstückchen sein und um so feiner wird das Fruchteis. Wenn das Gefrieren jedoch zu schnell vor sich geht, erhält man nur harte Eisbrocken.“

1759

Der zehnjährige Johann Wolfgang von Goethe bekommt von einem Gast der Familie eine grosse Portion Eis spendiert. In Dichtung und Wahrheit berichtet er, „daß die Mutter uns ... höchlich betrübete, indem sie das Gefrorene, das man uns von der Tafel sendete, weggoß, weil es ihr unmöglich vorkam, daß der Magen ein wahrhaftes Eis, wenn es auch noch so durchzuckert sei, vertragen könne.“

1768

In Paris erscheint das erste Buch, das ausschließlich der Kunst des Eismachens gewidmet ist: LArt de bien faire Les Glaces D'Office von Emy.

1784

In Neapel erscheint De' sorbetti von Filippo Baldini, das sich den Sorbets und ihrer Wirkung auf den Körper widmet. Baldini hält die sorbetti/bevande ghiacciate grundsätzlich für gesund, vor allem die Zimtvarianten, und be zieht sich dabei auf die Antike: „Da war der Dichter Simonides zu dem Festmahl eines Freundes geladen, als er den Mundschenk sah, wie er Wein mit lauwarmem Wasser mischte, und er tadelte ihn mit Gesten und mit Worten der Geringschätzung, und sagte ihm, solche Verweichlichung sei eines Griechen nicht würdig, denn je häufiger dieser seinen Durst mit kalten Getränken stille, um so mehr würde er an Kraft und Stärke gewinnen.“ Je ein eigenes Kapitel ist den Sorbetti Lattiginosi und dem Ananas-Sorbet gewidmet. „Wenn eine Flüssigkeit nicht über ein genügendes Quantum Hitze verfügt, verlieren ihre Teilchen bei einer Berührung sofort ihre relative Beweglichkeit; weshalb sie eines am andern haftend einen festen Körper bilden, genannt sorbetto.“

1790

Der amerikanische Präsident George Washington ist ein Eisnarr. Innerhalb von zwei Monaten soll er 200 Dollar für Eis ausgegeben haben, eine damals unvorstellbar hohe Summe.

1793

Das Unerschöpfliche Aushaltungs- und Wirthschaftsmagazin, für Hausmütter, Kammerjungfern, Stubenmädchen u. d.gl. verzeichnet Rezepte für Gewürz- und Blüteneis: Veilchen, Jasmin, Nelken, Jonquillen.

1799

Vicomte Augustin Lanclot de Quatre Barbes, französischer Emigrant, serviert im Hamburger Alsterpavillon am Jungfernstieg „Erfrischungen aller Art, besonders Gefrorenes“.

Um 1800

Inzwischen gehört das Eisessen nicht mehr zu den Privilegien der Reichen, sondern ist schon eine Art Volksvergnügen geworden. Der Schriftsteller Johann Pezzi schreibt in seiner Skizze von Wien: „Die Limonadehütten sind Zelte auf offenen Plätzen, welche in den Sommermonaten aufgeschlagen werden und wo man das Publikum mit Limonade, Mandelmilch, Gefrorenem aller Gattungen usw. bedient... Man setzt sich in der trauten Dämmerung zusammen, schlürft seinen Becher Gefrorenes, scherzt, lacht, tändelt, liebelt und ruht von der Hitze des Tages, von der Last der Geschäfte oder von Ermüdungen angenehmerer Art aus. Das Glas Limonade kostet 7 Kreuzer, der Becher Gefrorenes zwischen 12 und 30 Kreuzer. Die Gattungen der letzten Erfrischung sind sehr mannigfaltig: man macht es aus Pomeranzen, Limonen, Weichsein, Erdbeeren, Ribiseln, Pfirsichen, Ananas, Mandeln, aus Vanille, Schokolade usw.“ Über die Schlecksucht der preussischen Offiziere, die sich im Café Kranzler in Berlin am Eis gütlich taten, mockiert sich ein Beobachter: „Man glaube jedoch nicht, dass die Leutnants dies nur tun, um sich zu erfrischen. Im Gegenteil, sie verbinden damit einen strategischen Zweck. Denn seit der grossen Revue bei Kalisch hat das preussische Heer erkannt, dass zwischen ihm und den russischen Nachbarn nur eine sehr lockere, diplomatische Freiheit bestehen könne, und dass wohl einmal die Zeit kommen dürfte, wo es ihnen feindlich gegenübersteht. Um sich nun für diesen Zeitpunkt zu rüsten und dem Schicksal der Napoleonischen Armee zu entgehen, gewöhnen sich unsere Gardeleutnants bei Zeiten so sehr an das Eisessen, dass ihnen das russische und sibirische Eis unmöglich wird gefährlich werden können.“

1817

Joseph Bell, Konditor aus Newcastle, England, publiziert ein Rezept für Parmesan-Eis. Der Römer Künstler Bartolomeo Pinelli notiert auf seiner Neapelreise, dass hier auf der Strasse sorbetti aus kleinen Gläsern gegessen werden.

Um 1830

Der Abenteurer Hermann Fürst Pückler-Muskau (1785–1871) ist der Namensgeber der berühmtesten deutschen Eiskreation, der Fürst-Pückler-Bombe. Pückler, der ständig in Geldnot war, soll einem Konditor aus Cottbus das Recht verkauft haben, seine Kreation nach ihm zu benennen. Andere Quellen geben an, ein Konditor Schulz habe diese Eisbombe auf einem Fest auf Schloss Muskau serviert.

1841

Georg Johann Kohl, der viele Jahre in Russland lebte, berichtet, dass in allen russischen Städten am Ostersonntag alljährlich die ersten Eisverkäufer auftauchen und von diesem Tag an bis zum Ende des Sommers Eis auf den Strassen und Plätzen der Städte verkaufen.

1843

Nancy Johnson, die Frau eines Marineoffiziers, erfindet die erste mechanische Eismaschine und lässt sie patentieren.

1851

Jacob Fussell jr. eröffnet die erste kommerzielle Eiscremefabrik in Baltimore, USA.

1865

Antonio Tornea Bareta aus Zoppe erhält die Erlaubnis, in Wien Eis zu verkaufen. Er war zuvor mit einem Meisterbrief des Konditors Fain Bindas in Norditalien als Marronimann und chalet-Verkäufer unterwegs gewesen. Er entpuppte sich als guter Geschäftsmann. Als er 1874 nach Leipzig ging, hatte er um die fünfzig Eiswagenlizenzen, die er vor allem an seine nächsten Landsleute, an Zoldani oder Cadorini, weitergab, verkaufte, kann man vermuten. Das Gerangel wird heftig gewesen sein, denn das Geschäft mit dem „Gefrorenen“, wie es meist hieß, lief gut. Organisiert wurde der Eisverkauf so wie zuvor der Verkauf der pere cotte und Marroni. An einem Ort wurde produziert, dann schwärmten die carrettini in der ganzen Stadt aus. Mit großem Erfolg – was schließlich Arbeit für viele Freunde und Bekannte und Verwandte aus dem Valle bedeutete. An jeder Straßenecke, vor Schulen, Kasernen und zum Schichtwechsel vor den Fabriktoren, im Prater und um den Stephansdom herum blitzten die silbrigen Deckel der sorbettiere, in denen das Eis kühl gehalten wurde, GELATERIA VENETA stand da in schwungvollen Großbuchstaben. Den österreichischen Konditoren allerdings war der sensationelle Erfolg der gelatieri nicht will kommen. Bevor die Kundschaft ein Kaffeehaus betreten konnte, schoss schon ein klingelnder Eiswagen um die Ecke, und statt eine Topfentasche mit Schlagobers zu vertilgen, schleckten die Wiener Herrschaften nun Gefrorenes, Erdbeer und Schokolade und Vanille; letzteres im übrigen war damals noch eine Wiener Spezialität. Schließlich setzten die Konditoren nach großem Gezeter durch, dass ein Gesetz aus Zeiten Maria Theresias wieder in Kraft gesetzt wurde: Der Eisverkäufer musste einen festen Sitz haben. Zunächst bedeutete das, dass die carrettini stationiert waren, schließlich aber mussten die gelatieri eigene Geschäfte eröffnen. Oft mieteten sie ein Zimmer im Erdgeschoss und verkauften aus dem Fenster heraus; damit die treueste Kundschaft, die Kinder, aufs Eis sehen konnten, brachte man einen Holztritt an der Mauer an, eine Diele. Die Eisdiele.

1869

Erste Erwähnung von Eis in Japan.

1877

Carl von Linde lässt seine Ammoniakkältemaschine patentieren. Das Prinzip Lindes hat bis heute Gültigkeit. Ein unter Druck befindliches, flüssiges Kältemittel, Ammoniak, wird in einem Regelventil entspannt und tritt in den „Verdampfer“ ein, wo es gasförmig wird. Die dazu notwendige Energie wird in Form von Wärme dem im Kühlschrank gelagerten Kühlgut entzogen. Ein mechanisch angetriebener Kompressor saugt den Dampf ab und verdichtet ihn, so dass das Kühlmittel wieder flüssig wird. Die dabei entstehende Wärme wird an die Außenluft oder an Wasser abgegeben, das flüssige Kältemittel wird entspannt wieder in den Verdampfer eingeleitet, der Kreislauf schließt sich. Trotz Lindes Erfindung bleibt Natureis zur Kühlung noch lange Zeit vorherrschend, da einfach billiger.

1888

Mit den ersten Kühlwaggons in den USA kann die Eis-Distribution ausgeweitet werden.

1892

Die Opernsängerin Nellie Melba tritt als Elsa in „Lohengrin“ auf. Dem Meisterkoch Auguste Escoffier bietet sie einen Orchesterplatz an. Aus Dankbarkeit serviert er ihr am nächsten Tag „etwas ganz Besonderes“, ein Dessert, das als „Pêche Melba“ in die Geschichte eingeht – Pfirsiche mit Vanilleeis und Himbeerpüree.

Mitte 19. Jahrhundert

Zucker wird nun aus der in Europa heimischen Zuckerrübe gewonnen und industriell hergestellt. Der Preis sinkt drastisch, und Eis kann nun wesentlich billiger hergestellt werden.

1904

Die Geschichte der Eiswaffel ist nicht geklärt. Eine Version lautet, der Syrer Ernest Hamwi habe auf der Weltausstellung in St. Louis mit einem Waffeleisen eine dünne Waffel gebacken – direkt neben einem Eisverkäufer. Als diesem das Geschirr ausgegangen sei, habe Hamwi die Waffel einfach aufgerollt und Eis hineingespatelt. Am 28. April 1954 allerdings wird in der „New York Times“ in einem Nachlass eine andere Version vertreten: Der verstorbene italienische Immigrant Italo Marchioni habe bereits 1896 in New York Zitroneneis in Tüten verkauft; dieser Sachverhalt lässt sich nicht beweisen, wohl aber hat Marchioni am 22. September 1903 ein Patent für eine Zehnfach-Eistütenmaschine angemeldet. Zuvor war Eis entweder in Gläsern oder aber in aufgeschnittenen Brioches serviert worden.

1923

Der Amerikaner Harry Bust erfindet das Eis am Stiel.

1925

Erstmals erscheint die „Zeitschrift für Eiskrem, seine Herstellung und sein Vertrieb als Volksnahrungsmittel“. Für Abfüllmaschinen oder Schokoladeüberziehmaschinen wird hier genauso geworben wie für „vollständig luft- und wasserdicht, geschmack- und geruchfrei imprägnierte“ Eiscrembecher. Die „Rahmeiswerke Schlesien“ in Breslau gehen in Produktion.

1930

Ezio und Luigi Della Lucia betreiben einen Eissalon in Wien („Du“ 2003, Seite 64). In Lehmanns Häuserverzeichnis ist aber erst ab 1935 eine Della Lucia Zuckerbäckerei zu finden, und zwar diejenige des Ungher Della Lucia in der Hietzinger Hauptstraße 8. 1938 gibt es bereits drei als Zuckerbäcker firmierende Eisgeschäfte, betrieben von Alois Lucia in der Mariahilferstraße 109, Ezio Lucia in der Hütteldorfer Straße 70 und Ungher Lucia in der Hietzinger Hauptstraße 8.

1930er-Jahre

Der sowjetische Volkskommissar für Binnen- und Aussenhandel und Lebensmittel Anastas Mikojan ist ein Eis-Enthusiast; bei einem Aufenthalt in den USA kauft er die neuesten industriellen Eismaschinen und eröffnet 1932 die erste sowjetische Eisfabrik. Eis war von diesem Moment an ein Volksnahrungsmittel. Die industrielle Vermarktung von Speiseeis in Deutschland beginnt mit der Gründung von Langnese in Hamburg, 1935, und Schöller in Nürnberg, 1937. In Triest kauft ein gelatiere bei Amerikanern einen Portionierer; doch er bewacht ihn eifersüchtig und niemand weiß, wie ausgerechnet er es schafft, so schöne, gleichmäßige Kugeln zu formen.

1933

In Deutschland liegt die erste Speiseeis-Verordnung vor.

Ende 1930er-Jahre

In Italien, unter anderen bei Meucci, werden verschiedene Pasten (zum Beispiel Nuss) hergestellt, die die Zubereitung von Eis vereinfachen.

1950er-Jahre

In Deutschland werden immer mehr Milchbars und Eisdielen, vor allem italienische gelaterie, eröffnet.

1956

Erst 14 Prozent der deutschen Haushalte besitzen einen Kühlschrank. Speiseeis kann daher zu Hause nicht gelagert werden. Kiosk, Eiswagen, Eisdiele – so wird das Eis in aller Regel verkauft. Wer selber Eis herstellen will, holt das Kühleis aus der Brauerei. Und isst das Eis sofort.

1958

„Die Eisdiele und Milchbar“, die Fachzeitschrift des Verbandes der Speiseeiswirtschaften und -Hersteller, empfiehlt: „Es ist unbedingt notwendig, dass jeder fortschrittliche Betrieb auch jährlich mit neuen Eisbecherspezialitäten herauskommt und seinen Gästen somit jährlich mit Eisleckereien aufwarten kann, die man eben nur in einer vom Fachmann geführten Eisdiele erhält.“

1959

Die italienische Eisfirma Spica in Neapel verkauft Eis in einer Waffeltüte, die mit Papier verpackt ist und 1960 als Cornetto registriert wird. Zunächst ist Cornetto ein Flop, aber 1976 lanciert die englische Firma Wall, Unilever UK, Cornetto noch einmal und schafft es zum zweitbeliebtesten Eis. Der Werbesong „Just one Cornetto“ von 1980, auf die Melodie von „O sole mio“ gesungen, wird zum Reklameklassiker.

Ende 1960er-Jahre

Der italienische Lebensmittelkonzern Monte Bianco stellt Halbfertigprodukte mit Milchpulver und Trockeneiweiss für die Eisproduktion her. Diese müssen nur noch mit Milch und Wasser angerührt und gefroren werden.

1972

In der DDR werden in einer Verstaatlichungswelle die Privatbetriebe aufgelöst. Die Eisproduktion leitet nun das Kombinat Kühl- und Lagerwirtschaft. Ein Forschungsinstitut speziell für Eiscreme wird eingerichtet, um Rezepturen der jeweiligen Versorgungssituation anzupassen. In den achtziger Jahren werden wieder Konzessionen für kleine Handwerksbetriebe vergeben. Von den 78 Eisbetrieben, die 1989 existierten, überlebt keiner die Wende.

2003

In Moskau wird derzeit an 15000 Stellen Eis verkauft. Während in den ersten Jahren nach dem Zerfall der UdSSR die Importprodukte einen Marktanteil von zwanzig Prozent hatten, bevorzugen die Moskauer nun wieder russisches Eis. Noch mehr Eis als in Moskau wird in Sankt Petersburg gegessen.

Quellen:
Leiprecht, Helga: Das Eis. Chronik einer kulinarischen Erfindung. in: Du – Die Zeitschrift der Kultur Heft Nr. 737 Juni 2003

hojos
im April 2018