Trazerberggasse 6

Villa Auersperg?
13.07.2017

Konskriptionsnummer 47
Erster Bau 1797, Bau aus 1855 abgetragen 1969/70
Foto oben um 1960

Baugeschichte

Ab 1764 war Anna Maria Höhrman(in) alleinige Besitzerin des Grundstückes "In der niederen Hagenau", auf dem sie und ihr Mann Joseph, ein k. k. Warensensal in Wien, 1797 erstmals ein Haus errichten ließen.

Unter den zahlreichen späteren Besitzern der Liegenschaft sind unter anderen Michael Edler von Held jun., die Seidenfabrikanten Joseph und Peter Baragiola, der Fabrikant Freiherr von Ostini, Vinzenz Carl Fürst von Auersperg, die Industriellenfamilie Schrantz (später Hutter & Schrantz), die Frau des Kinderarztes und Schriftstellers Dr. Otto Almoslino (er richtete hier ein Heim für jüdische Kinder ein) und zuletzt der Fabrikant und Stadtbaumeister Siegfried Schlosser zu finden.

Die eingeschoßige Villa wurde nach Abbruch des Vorgängerbaues mit großer Wahrscheinlichkeit um 1855 gebaut, als Vinzenz Carl Fürst v. Auersperg der Besitzer dieser Liegenschaft war. 1969/70 erfolgte die Abtragung aller zum Anwesen gehörenden Gebäude; 1975 wurden von einer Baugesellschaft auf diesem Areal vier Mehrfamilienhäuser errichtet.

Auf die alte Villa wies bis 1995 der Ansatz einer Allee, die von der Hietzinger Hauptstraße 123a Richtung Trazerberggasse führte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg soll die Villa seit dem Abzug der Russen Sitz des englischen Hochkommissars gewesen sein (Info Heinrich Langenberger).

Baubeschreibung

Die Villa mit ca. 500 m2 Wohnfläche befand sich innerhalb eines drei Hektar großen Gartens in prachtvoller Lage am Nordosthang des Trazerberges. Der gegen Osten und Norden gerichtete ebenerdige Bau zeichnete sich obwohl klar gegliedert durch eine spielerische Leichtigkeit aus. Die pavillonartigen Ecken und der Mittelteil waren durch Überhöhung, der Mitteltrakt auch durch eine überdachte Terrasse mit einer halbrunden Mauerbank und einem Stiegenabgang in den Garten betont. Der zart gegliederte Turmaufsatz mit Zwiebelbekrönung bestand aus Holz und Metall. Das mit glasierten Schindeln und Kupferblech gedeckte Mansarddach wurde nach oben durch ein fein gegliedertes Metallgitter abgeschlossen.

Der Grundriss des Baues zeigte eine aufgelockerte Struktur, die in vielen Räumen von mehreren Seiten natürliche Belichtung ermöglichte. Der Nordtrakt als Hauptbau tendierte zur Symmetrie, die Ostfassade war vollkommen symmetrisch gehalten. Das Innere dieser Bauseite war jedoch unregelmäßig gegliedert. Die Fassaden waren gelb und weiß, die Fenster grün und weiß. Die schwach vorgelagerten weißen Pilaster gaben dem horizontal betonten Bau eine rhythmische Gliederung. Über den Fenstern der Eckpavillons befanden sich Segmentbögen beziehungsweise über dem erhöhten Mittelteil Rauten und darüber Segmentbögen.

Man betrat das Haus von Osten her und erreichte über einige Stufen eine Terrasse, die in eine offene und von zwei dorischen Säulen gestützte, später verglaste Halle mündete. Von ihr gelangte man in die Garderobe, in die Küche bzw. in einen Flur, der zu den Wohn- und Schlafbereichen und in den Personal und Wirtschaftstrakt führte. Dieser Flur erweiterte sich in der Mitte des Baues zu einem gegen Süden verglasten Gang, der den Blick auf den zentralen Hof ermöglichte.

In der Halle mit beachtenswertem Mosaikboden befanden sich u. a. ein offener Kamin, geschnitzte Holzleuchter, Wandteppiche und zwei Gemälde mit mythologischen Szenen. Der Raum war von einer stukkierten Flachtonne nach oben hin abgeschlossen.

Im ca. 55 m2 großen Speisezimmer stand eine geschnitzte Anrichte; die dunkelbraunen Sessel waren mit Saffianleder überzogen. Auch in diesem Raum befand sich eine Stuckdecke. Die Decke der anschließenden Bibliothek war gekehlt und ebenfalls durch Stukkatur ausgestattet.

Unter den Personalräumen war ein Keller mit Koksrutsche; drei Erdkeller lagen im Hang südlich des Baues.

An der rechten Seite der Villa schloss eine Pergola mit Rosen an, unterhalb des Baus standen zwei ca. zehn Meter hohe Haselnussbäume. In der Nähe dieser Bäume befand sich einer der beiden in dem weitläufigen Garten gesetzten Götterbäume (Ailanthus altissima). Ihr Durchmesser betrug eineinhalb Meter, die Höhe ca. 20 Meter. Diese Baumart war ursprünglich nur in Ostasien verbreitet. Bergan am Hang war ein Obstgarten angelegt.

An der Trazerberggasse lagen das schmiedeeiserne Eingangstor, links daneben ein Gärtnerhaus, an der rechten Grundgrenze ein Personalhaus (später mit Garage) und etwa in der Mitte ein Glashaus. Bereits 1873 wurde eine kleine "Treibkiste" gebaut, später errichtete man ein "großes Palmenhaus".

Trazerberggasse 6. Villa Auerperg, Lageplan, Vorlage aus 1969 © MA 37
<p><b>Trazerberggasse 6</b></p><p>Villa Auerperg, Lageplan, Vorlage aus 1969</p><p><i>&copy; MA 37</i></p>

Die Familie Schlosser

(Aus einem Interview vom 22. Jänner 2009)

1797 werden auf den Parzellen 79 und 80 unter der Konskriptionsnummer 47 (Trazerberggasse 6) zwei Gebäude errichtet. Zahlreiche Besitzer folgen.

18.. Die Industriellenfamilie Schranz (Besitzer der späteren Firma Hutter & Schranz) baut die Villa neu.

1896 Am 28. September wird Siegfried Schlosser, Sohn von Othmar und Katharina Schlosser, geboren. Othmar ist Verwalter bei einer großen Firma im 18. Bezirk. Othmar hat mit zwei Frauen je 12 Kinder.

1921 am 17. November wird Maria Brunner, spätere Schlosser geboren.

1935 Siegfried Schlosser etabliert sich (mit seinem Partner Ing. Trost) als Stadtbaumeister. Firmenstandort ist der 1. Bezirk, Wallnerstraße 4. In der Glanzzeit Ende der 1950er-Jahre werden 180 Mitarbeiter beschäftigt, im Schnitt um die 60. Die Firma wird bewusst in einer überschaubaren Größe gehalten. Die Firma Schlosser & Trost spezialisiert sich auf Umbauarbeiten und Adaptierungen. Sie wird Hausbaumeister größerer Firmen wie der Österreichischen Länderbank, der Girozentale, der NÖ Brandschaden etc. Der Vorteil ist eine gleichmäßige Beschäftigung während des ganzen Jahres ohne Kündigungen im Winter. Ab und zu werden auch Neubauten errichtet wie die Firma Fritze Lacke im 23. Bezirk, Stachegasse, und die Villa Portisch im 19. Bezirk.

1939 Siegfried Schlosser kauft die Villa von dem Kinderarzt und Schriftsteller Dr. Otto Almoslino. Der Verwendungszweck wird von einem Kinderheim auf Wohnzwecke zurückgeführt. Siegfried bezieht die Villa gemeinsam mit seiner Mutter.

1942 Am 5. Mai heiratet Siegfried Schlosser Maria Brunner. In der Kriegszeit werden zur Verbesserung der Versorgung Hühner, Enten und Ziegen gehalten und Teile des Grundstücke inkl. Tennisplatz umgegraben, um dort Kartoffel, Gemüse und Obst anzubauen.

1943 wird Christine geboren.

1944 wird Elisabeth geboren.

1945 Die Villa wird von den Russen besetzt. Maria kann sich allseits Respekt verschaffen und bleibt von Ungemach verschont. Einem mongolischen Soldaten, der auf der Wiese einen Ochsen schlachtet, nimmt sie frech und ungehindert die schönsten Stücke Fleisch weg. Die Familie zieht hinunter in die ehemaligen Stallungen. Darin sind außer den ebenerdigen Wohnräumen die Garage, eine Waschküche und oben ein Heuboden. Den Russen folgen die Engländer und die Villa wird zur englischen Kommandatur. Die Villa wird durch Polizei vor
dem großen Tor bewacht. Neun Jahre residiert hier General Winterdon und dann ein Jahr General Bochet. Bochet hat eine kranke Frau. Von einigen Obstbäumen ergreift sie Besitz und bindet Mascherln um die Stämme. Zu den Engländern besteht kaum ein Kontakt.

Christine versteckt sich gerne. In den späteren Jahren der Besatzungszeit tut sie dies einmal so nachhaltig, dass alle Angst bekommen. In der Gegend treibt sich viel Gesindel herum. Die Familie und die Engländer suchen gemeinsam das ganze Grundstück ab. Als sie schließlich aus ihrem Versteck geholt wird, verbietet der englische Kommandant die Bestrafung.

1946 wird die Tochter Elfriede geboren. Sie stirbt 2006

1955 Nach dem Ende der Besatzungszeit wird die Villa wieder in Besitz genommen. Sie ist völlig devastiert und muss vor dem Bezug renoviert werden.

Die Baufirma floriert und es folgen zufriedenstellende Jahre, in denen auch das gesellschaftliche Leben nicht zu kurz kommt. Jedes zweite Jahr wird ein Hausball veranstaltet, der auch von prominenten Gästen wie den Familien Dermota, Wiedermann und Wimpissinger gerne besucht wird. Dr. Ignaz Wimpissinger ist ein enger Freund des Hauses und Sonntags nach der Kirche trifft man sich zu Schmalzbrot und Wein zusammen. Die Kinder der Familien toben inzwischen im Garten.

Der Garten trägt nach wie vor zur Versorgung bei, es können sogar Eier, Früchte wie Äpfel, Birnen und Zwetschken, sowie Kraut und Kohl an die Firma Meinl verkauft werden. Zur eigenen Versorgung tragen die Delikatessengeschäte Konecny, Schuldmayer und Schachinger bei. Schachinger kann gut Schinken schneiden und hat in der Saison auch Fische.

Gerne geht man auch ins Kino in die Auhofstraße, der Weg führt durch den Hof der Wimpissingers und das Sommerergassl (intern Hexenwegerl genannt).

1963 Am 19. Mai stirbt Siegfried Schlosser. Die Firma wird fortan im Rahmen eines Witwenfortführungsbetriebes von Maria Schlosser geleitet. Der Firmengang war schon vor dem Tod Siegfried Schlossers nicht zufrieden stellend und wird nach seinem Tod noch prekärer. Es folgt die Zeit der Bauskandale, die die Bauindustrie bedrängt und auch die größeren Firma veranlasst, kleinere Aufträge anzunehmen. Damit drängen sie in den angestammten Markt der Firma Schlosser & Trost. Die Preise geben nach und die Auftragsakquisition wird immer schwieriger. Natürlich fehlen auch das Know How und die Verbindungen des Firmenchefs. Mit der Firma geht’s nachhaltig bergab.

1969/1970 Die Villa in der Trazerberggasse ist in schlechten Zustand. Die Bausubstanz verfällt, die Haustechnik ist veraltet. Die kostspielige Erhaltung kann aus den Erträgen der schlecht laufenden Baumeisterei nicht mehr finanziert werden. Daher wird die Liegenschaft verkauft.

1977 geht der Witwenfortführungsbetrieb in Konkurs. Die Räume werden von der WIBEBA übernommen.

1999 Maria Schlosser stirbt im Alter von 79 Jahren.

Bauten in Ober St. Veit: Schweizertalstraße 29a, Pfarrstöckl, Pfarrsaal.

Quellen:
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band I 1996 ISBN 3-85493-004-6 und Band II 1998 ISBN 3-900518-93-9
Interviews mit Privatpersonen

übertragen von hojos
im Juli 2017