Die Geschichte der Straßenpflasterung

Den Wolfrathplatz bedeckt ein historischer Pflasterbelag: Er ist eine der letzten steilen Verkehrsflächen Wiens mit einer Fahrbahn aus "Geritzten".
2012

Über Jahrtausende waren unbefestigte Verkehrswege die Norm und Befestigungen auf Bereiche weichen oder sumpfigen Bodens beschränkt. Holz, Sand und Kies waren die frühen Wegebaustoffe. Die erste Kommune, die in der nachrömischen Zeit wieder begann, zur Erleichterung des Verkehrs die Straßen zu pflastern, war Paris. 1185 wurde dort das erste Pflaster verlegt. Im 13. Jahrhundert folgten die großen italienischen Städte wie Florenz, Bologna, Verona, Modena und Padua diesem Beispiel. In Deutschland und England wurde dieser Sitte erst Anfang des 15. Jahrhunderts gefolgt, den Anfang machte Nürnberg, ihm folgten Regensburg und Augsburg und schließlich 1417 auch London.

Es bedurfte weiterer Jahrhunderte, ehe dieser Gedanke auch in Wien Fuß fasste und zum unerlässlichen Erfordernis städtischen Lebens wurde. Darstellungen von Wiener Straßen zeigen bis ins späte 17. Jahrhundert keine Pflasterungen, nur für spezielle Bereiche wie Innenhöfe sind Rundschotterpflasterungen ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts bestätigt. Einer historischen Quelle zufolge soll es bereits im Jahr 1676 eine Satzung der Wiener Pflasterer gegeben haben, die 1717 neu bestätigt wurde. Pflasterungen auf wichtigen Plätzen sind ab 1725 und Probepflasterungen für die Wiener Straßen ab 1765 überliefert. Mit der systematischen Pflasterung Wiens (heutiger 1. Bezirk) wurde 1778 begonnen und erst in den 1820er-Jahren auch in den damaligen Vorstädten. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Innere Stadt nahezu vollständig gepflastert, weite Bereiche des heutigen Wiener Stadtgebietes mussten aber noch lange mit Schotterstraßen auskommen. Im Jahr 1900 waren noch ca. die Hälfte der Straßen mit Schotter oder Makadam (eine speziell konstruierte Schotterstraße) bedeckt, 1938 waren es noch 40 %.

Die Hietzinger Hauptstraße vor 1908. Gepflastert waren nur der Gleiskörper der Dampftramway, der rechte Gehsteig und ein Straßenübergang. © Bezirksmuseum Hietzing
<p><b>Die Hietzinger Hauptstraße vor 1908</b></p><p>Gepflastert waren nur der Gleiskörper der Dampftramway, der rechte Gehsteig und ein Straßenübergang.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Das erste Wiener Pflaster bestand aus Schieferplatten bzw. Flyschsandstein, dann aus Granitbruchsteinen. Die ersten Granite wurde ab 1800 aus Mauthausen nach Wien geschifft, die Steinbrüche dieser Gegend blieben auch in Zukunft die Hauptbezugsquelle für den Wiener Straßenbau. Die Pflasterung begann überall mit der Anwendung von nur auf der nach oben gekehrten Seite behauenen Bruchsteinen, dann folgte die Anwendung rechtwinkelig behauener Steine. Sie ließen sich dichter aneinanderlegen und bildeten eine Zusammenhängende und damit widerstandsfähigere Fläche, die auch leichter zu reinigen war. Unter den verschiedenen Ausführungsmethoden nahm schließlich die Wiener Methode des Würfelpflasters mit Abstand den ersten Rang ein. Der meist aus den Mauthausener Steinbrüchen stammende 1826 eingeführte "Wiener Granitwürfel" mit 18,5 cm Seitenlänge war über lange Zeit der klassische Wiener Straßenbelag, der sich bis in unsere Tage hielt.

Natürlich war er nicht unumstritten, den mit zunehmendem Verkehr nützte er sich an der Oberfläche ab und bekam eine zunehmend konvexe Gestalt, die die Straße holprig machte. Die fugenreiche Straße war schwer zu reinigen, die Reparatur teuer und die gesundheitsschädliche Wirkung des zerriebenen Granitstaubes bald erkannt. Auch verursachte der Verkehr auf diesem Pflaster gehörigen Lärm. International ausprobierte Alternativen wie Klinker oder anderer künstlicher Stein, Holzpflaster, Eisenwürfel oder -platten, Zement- und Kautschukpflaster konnten aber nicht überzeugen.

Damit begann sich der Asphalt durchzusetzen. Natürlicher Asphalt war ein von Bergteer durchdrungener Kalkstein. Als Binde- und Dichtungsmittel war der Asphalt oder bituminöse Kalk schon im frühesten Altertum bekannt und wurde zum Beispiel an den Bauten Babylons angewandt. Nach Jahrtausende währender Vergessenheit wurde der "teilweise brennbare Stein" in einer Lagerstätte im Juragebirge (Val de Travers) Anfang des 18. Jahrhunderts wiederentdeckt und seine praktische Verwendbarkeit auch für den Straßenbau erkannt. Doch erst nach Versuchen in den 1830er-Jahren in Lyon und auch Paris folgte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine breite Anwendung in Paris, das von der Nähe zu den großen Lagerstätten profitierte, und später auch in London. Neue Fundstätten wurden nutzbar gemacht, doch der Asphalt aus dem Val de Travers blieb dank seines hohen Bitumengehalts von 11–12 % überlegen, und die Eisenbahn ermöglichte die Verteilung in ganz Europa.

Der Siegeszug des Asphalts in allen europäischen Städten wurde dank seiner erwiesenen Vorteile (bequemer, geringer Rollwiderstand, hohe Dauerhaftigkeit, leicht zu reinigen) von Fachleuten bald nicht mehr bezweifelt, doch konnte er von einer breiten Opposition verzögert werden. Über Nachteile wie zu geringe Festigkeit und seine Rutschigkeit für Pferdehufe hinaus waren auch materielle Interessen im Spiel, schließlich hatten viele Kommunen in Steinbrüche investiert. Ökologische Argumente wie die Totalversiegelung und die geringere Reparaturfähigkeit mit höherer Abfallmenge waren noch nicht das Thema.

In Wien wurden die ersten größeren Versuche mit Asphalt ab 1872 unternommen und ab 1894 Asphaltbeläge zunächst für Gehsteige vom Magistrat zugelassen. Ab 1922 wurden auch Pflasterstraßen vermehrt asphaltiert, doch waren bis 1938 erst 3,2 % der Wiener Straßen davon betroffen. Die verwendeten Asphaltmischungen und Methoden der Aufbringung wandelten sich im Laufe der Zeit, und der Einsatz industriell verwerteter Ressourcen wie vor allem des Erdöls stieg. Heute werden unter Asphalt Mischungen aus Bitumen, Sand und Splitt verstanden.

Mit dem Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der industrielle Wegebau ein, und die Vergabepolitik der Stadt Wien bevorzugte die großen Baufirmen und den Asphalt. Auch die Bauordnung bevorzugte den Asphalt, etwa mit der Vorschrift, dass bei Hausrenovierungen die Gehsteige mit Asphaltguss auszuführen sind.

Die ehemals gut entwickelte Tradition des Pflastererhandwerks versiegte.

Der 13. Wiener Gemeindebezirk war im Jahr 1895 (damals inkl. dem heutigen 14. Bezirk) mit einem gepflasterten Straßenanteil von nur 11,2 % bei weitem das Schlusslicht in der Straßenbefestigung Wiens (12. Bezirk 38,1 %). Der Rest waren Makadamstraßen, die bis zum zweiten Weltkrieg zunehmend eine Teerschicht erhielten, oder unbefestigte (einfach geschotterte) Straßen. Der Asphaltanteil und andere Straßenbefestigungen waren damals vernachlässigbar. 1938 hatte sich der gepflasterte Anteil auf immerhin 50 % gesteigert.

Die um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert und auch noch später entstandenen Straßenansichten Ober St. Veits sind sehr aufschlussreich, zeigen sie doch in den meisten Fällen gepflasterte Gehsteige und unbefestigte Straßenflächen. Nur die Gleisanlagen der Dampftramway und später der elektrischen Straßenbahn waren mit Pflastersteinen ausgelegt. Gegen die Staubentwicklung der geschotterten und zur Reinigung der gepflasterten Straßen gab es die Spritzwägen. Jedes Jahr wurden per Stadtratsbeschluss die Verkehrsflächen und die Häufigkeit ihrer Besprengung kundgemacht. Das Verzeichnis von 1915 zeigt, dass alle Straßen mindestens zweimal täglich mittels Sprengwagen oder Schlauchkarren bespritzt wurden, die Hauptstraßen sogar dreimal. An Sonn- und Feiertagen wurde auch die Ghelengasse vom Stock im Weg bis zu Dolls Weinschank, dem heutigen Lindwurm, in die Betreuung einbezogen. Die Schöpfbrunnen und Schöpfwerke gab es nicht mehr, dafür eine lange Liste an "Hochquellen-Hydranten".

Die Obere Hietzinger Hauptstraße und der Wolfrathplatz. Fotografiert vor 1908. Zu sehen ist die Dampftramway und der damals schon teilweise gepflasterte steile Bereich des Wolfrathplatzes. Die Fahrbahnen sind noch unbefestigt. © Bezirksmuseum Hietzing
<p><b>Die Obere Hietzinger Hauptstraße und der Wolfrathplatz</b></p><p>Fotografiert vor 1908. Zu sehen ist die Dampftramway und der damals schon teilweise gepflasterte steile Bereich des Wolfrathplatzes. Die Fahrbahnen sind noch unbefestigt.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
Historische Fotos aus Ober St. Veit. Die Hietzinger Hauptstraße nach 1908. Gepflastert waren nur der Gleiskörper der bereits elektrifizierten Straßenbahn und die Gehsteige. Links ist das ehemalige Schulgebäude Hietzinger Hauptstraße 164 zu sehen, in dem sich von 1879–1892 die Postmeisterei befand. Jetzt ist noch ein Postkasten zu sehen. © Bezirksmuseum Hietzing
<p><b>Historische Fotos aus Ober St. Veit</b></p><p>Die Hietzinger Hauptstraße nach 1908. Gepflastert waren nur der Gleiskörper der bereits elektrifizierten Straßenbahn und die Gehsteige. Links ist das ehemalige Schulgebäude Hietzinger Hauptstraße 164 zu sehen, in dem sich von 1879–1892 die Postmeisterei befand. Jetzt ist noch ein Postkasten zu sehen.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Später waren viele Hauptverkehrsverbindungen gepflastert, steile Bereiche wie der Wolfrathplatz und auch die Einsiedeleigasse hatten Steine mit einer Ritzung in der Mitte ("Geritzte" oder auch "Wiener Pferdepflaster" genannt). Diese meist quaderförmigen Steine wurden quer zur Fahrrichtung verlegt, um den Pferden einen besseren Halt zu geben. Viele der Nebenstraßen übersprangen die Pflasterstein-Ära und wurden gleich asphaltiert.

Das Straßenpflaster in der Einsiedleigasse. Dieses Foto zeigt die Pflasterung des Gehsteings vor dem ehemaligen Haus Nr. 4 (Glaserei Senk) mit Großsteinpflaster und der Straße mit "Geritzten". © Bezirksmuseum Hietzing
<p><b>Das Straßenpflaster in der Einsiedleigasse</b></p><p>Dieses Foto zeigt die Pflasterung des Gehsteings vor dem ehemaligen Haus Nr. 4 (Glaserei Senk) mit Großsteinpflaster und der Straße mit "Geritzten". </p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>
Die Hietzinger Hauptstraße. Eine Aufnahme aus den 1950er-Jahren. Die Fahrbahn ist vollständig mit einem bogenförmig verlegten Kleinsteinpflaster belegt, der Gehsteig mit quer verlegtem Großsteinpflaster. © Bezirksmuseum Hietzing
<p><b>Die Hietzinger Hauptstraße</b></p><p>Eine Aufnahme aus den 1950er-Jahren. Die Fahrbahn ist vollständig mit einem bogenförmig verlegten Kleinsteinpflaster belegt, der Gehsteig mit quer verlegtem Großsteinpflaster.</p><p><i>&copy; Bezirksmuseum Hietzing</i></p>

Heute ist Ober St. Veit wie auch das restliche Wien eine "Asphaltstadt". Granitpflasterungen auf öffentlichen Flächen sind nur mehr als Reste auf geschützten Straßenbereichen, auf Schwellen, auf einzelnen Gehsteigen oder Parkstreifen und auf Stellen besonderer Gestaltung zu finden.

Eine in Wien nur mehr seltene Reminiszenz an die Zeit der Straßenpflasterungen ist die alte, noch bestehende Pflasterung mit "Geritzten" am Wolfrathplatz. Ihre Lage in der Schutzzone direkt vor der Ober St. Veiter Pfarrkirche und das Engagement einiger Hietzinger Bezirksräte haben ihr den Bestand bis heute gesichert. Im Rahmen der Sanierung dieser Verkehrsfläche vom 6. bis 16. November 2012 wurden dieselben Pflastersteine neu verlegt.

Als weitere "Relikte" sind darüber hinaus auch heute noch in abseits gelegenen Bereichen leicht mit Kies überstreute Erdwege zu finden. Zum Beispiel ist ein Teil des Leon-Kellner-Weges ist bis heute unbefestigt.

Quellen:
Drexel, Anita: Pflaster auf städtischen Fußböden in: Bauen, Sanieren, Demolieren, hrsg. Michael Martischnig, Band 8. Wien, Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, 2000
Flanner, Karl: Zur Geschichte des Straßenpflasters, Dokumentation des Industrieviertelmuseums Wiener Neustadt, Wiener Neustadt 1994
Hölder, Alfred: Die Pflasterungsfrage in Wien. Wien, K. k. Hof- und Universitäts-Buchhandlung, 1877

hojos
Im April 2012, überarbeitet im November 2018