Die Villa Beer

Wenzgasse 12. Geplant von Josef Frank und Oskar Wlach, gebaut 1929/30. Diese Beschreibung aus „In Hietzing gebaut“ stammt aus dem Jahr 1998.

Baubeschreibung

Ein gut angelegtes Haus gleicht jenen schönen, alten Städten, in denen sich selbst der Fremde sofort auskennt und, ohne danach zu fragen, Rathaus und Marktplatz findet.“ (Frank: Das Haus als Weg und Platz. In: Baumeister 29, Jg. 1931, S. 316–323)

Das für Julius und Margarete Beer gebaute dreigeschoßige Einfamilienhaus mit starkem Bezug zum Garten hat schon bald nach seiner Errichtung eine Bedeutung erlangt, die es über die Funktion als Wohnraum weit hinausgehoben hat. Heute ist es ein Lehrbeispiel. Trotz der immer wieder zitierten Verwandtschaft der architektonischen Haltungen von Loos und Frank kann man gerade an diesem Haus erkennen, wie weit der um eine Generation jüngere Frank die Raumideen von Loos weiterentwickelt hat. Dessen zwar neu interpretiertes, aber in den Achssystemen und Symmetrien immer noch deutlich erlebbares „klassisches“ Erbe wird bei Frank völlig überwunden. Die in der Architektur von Loos gegebenen Abgrenzungen zur Außenwelt durch den geglätteten Block der Bauhülle, seine Bestimmtheit und Strenge der komplexen Innenstruktur durch Pfeilerstellungen, Brüstungen und festgefügte Einbaumöbel finden bei Frank keine Entsprechung mehr. Franks Häuser sind gleichsam zentrifugal nach außen orientiert, die Wände sind häufig geöffnet, das Mobiliar steht frei. Die Raumfolgen sind neuen Inhalten entsprechend frei durchkomponiert. Die bei Loos mit virtuoser Sicherheit zu perfekter Harmonie fest zusammengefügten Räume wirken bei Frank freier, gelöster, transparenter und auch eher wie zufällig. „Gedanke, Empfindung und Form gehen hier vollkommen zusammen. Und alles wird Raum.“ (Eisler, Max. In: Moderne Bauformen. XXXI. Jg. 1932. S. 88)

Wenzgasse 12. Ansicht Straßenseite. 1929 © MA37, Baupolizei
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Ansicht Straßenseite. 1929</p><p><i>&copy; MA37, Baupolizei</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Grundriss EG. 1929</p><p><i>&copy; MA37, Baupolizei</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Grundriss 1. Stock. 1929</p><p><i>&copy; MA37, Baupolizei</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Grundriss Zwischengeschoß. 1929</p><p><i>&copy; MA37, Baupolizei</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Gartenseite. Foto 1986</p><p><i>&copy; G. u. G. Schum</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Rundfenster im Sitzraum des Zwischengeschoßes. Foto 1986</p><p><i>&copy; G. u. G. Schum</i></p>
<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Zwischengeschoß. Untersicht des Stiegenaufganges. Foto 1986</p><p><i>&copy; G. u. G. Schum</i></p>

Eine ideale Hilfestellung zum Verständnis für den Bau in der Wenzgasse ist Franks Schrift „Das Haus als Weg und Platz“, in der er versucht, Richtlinien und Merkmale moderner Architektur in ihrer bestmöglichen Erscheinung anhand gerade dieses Hauses zu formulieren.

Das Haus Wenzgasse 12 darf in den Augen Josef Franks als Ideal gelten, es hat

„große Räume, große Fenster, viele Ecken, krumme Wände, Stufen und Niveauunterschiede, Säulen und Balken, kurz all die Vielfältigkeit, die wir im neuen Haus suchen, um der trostlosen Öde des rechteckigen Zimmers zu entgehen (...). Die Stiege bildet das Zentrum des hier abgebildeten Wohnhauses. Sie ist so geführt, dass sämtliche Wohnräume auf verschiedenen Zwischenpodesten liegen. Ihr Grundgedanke ist der folgende: Man betritt die Halle auf die Stiege zu. Diese, da sie wieder zurückführt, wendet ihre ersten Stufen dem Eintretenden zu. Während er sie betritt, sieht er auf dem ersten Podest durch eine große Öffnung das wichtigste Zimmer des Hauses, das Wohnzimmer. Von diesem Podest führt sie mit geradem Lauf zu den beiden versteckteren, aber mit dem Wohnzimmer zusammenhängenden Räumen, Arbeitszimmer und Salon. Hier ist das Wohngeschoß zu Ende. Um dies zu betonen, führt nun die Stiege in umgekehrter Wendung in das nächste Geschoß mit den Schlafräumen, und eine deutliche Teilung des Hauses ist dadurch erreicht (...). Das rechteckige Zimmer verleitet immer wieder dazu, mit Möbeln Architektur zu treiben. Man will durch Einbauten, auffallende Farben und kubische Formen den gänzlich charakterlosen Raum teilen und gliedern, um ihm doch irgendetwas Charakteristisches zu geben. Nun besteht aber die Aufgabe des Architekten im Schaffen von Räumen und nicht im Aufstellen von Möbeln und Bemalen von Wänden, was eine Sache des guten Geschmacks ist, den ein jeder haben kann. Es ist eine bekannte Tatsache, dass es in guten Räumen ganz gleichgültig ist, welcher Art die darin aufgestellten Möbeln sind, vorausgesetzt, dass sie nicht so groß sind, dass sie Architekturteile werden. Die Persönlichkeit des Bewohners kann sich frei entfalten. Der Raum wird die Stellen betonen, wo jeder Platz und Weg anzuordnen ist (...). Den Mittelpunkt des Hauses bildet der Sitzplatz, die Piazza des Hauses. Jedes Wohnzimmer muss ein Zentrum haben, um das es angeordnet wird und das dem Raum seinen Charakter gibt. Das war in früheren Zeiten viel leichter zu machen, denn da war der Kamin oder wenn auch schon viel weniger charakteristisch der Ofen. Heute, wo dieser Mittelpunkt oft entfällt, ist die Grundrissanlage viel schwieriger, denn dieses Zentrum muss architektonisch geschaffen werden. Die vielen Mittel hierzu sind Fenster, Nischen, Pfeiler und anderes. Das Fehlen dieses formalen Zentrums ist es auch, was das rechteckige Zimmer so unbewohnbar macht.

Der Weg, der diese einzelnen Plätze in den Wohnräumen miteinander verbindet, muss so abwechslungsreich sein, dass man seine Länge niemals empfindet. Verschiedenartige Beleuchtung, Stufen und anderes sind hier wichtige Hilfsmittel. Das Öffnen einer Tür in einem Raum ist oft von großer, vielfach vernachlässigter Bedeutung; ich möchte hier beispielsweise erwähnen, dass fast alle Türen falsch angeschlagen sind. Sie legen sich beim Öffnen gegen die Wand und der Eintretende steht plötzlich da, Unruhe verbreitend. Wird aber der Türflügel gegen das Zimmer gedreht, so bildet sich beim Eintreten ein natürlicher Vorraum zwischen Tür und Wand und der Raum bleibt ungestört. Ebenso ist es auch sehr wichtig, ob die Tür zum oder vom Öffnenden gedreht wird.

All diese Erwägungen sind keineswegs neu, sondern sogar sehr alt, es ist aber notwendig, von Zeit zu Zeit auf diese Dinge hinzuweisen.“

(Frank: Das Haus als Weg und Platz. In: Baumeister 29, Jg. 1931, S. 316–323)

Die Einrichtung des Hauses stammt zum Teil von Josef Frank selbst.

Später wurde das ursprünglich für eine Familie geplante Haus in zwei getrennte Wohnungen geteilt, sodass z. B. die Eingangssituation nicht mehr dem originalen Zustand entsprach. Seit 1987 steht das Haus unter Denkmalschutz und nach einem abwechslungsreichen Schicksal fand sich zuletzt die Villa Beer Foundation mit dem Ziel, nach umfangreichen Sanierungsarbeiten die Vision eines Hausmuseums zu verwirklichen. Alle Informationen dazu und zur Villa bietet www.villabeer.wien.

<p><b>Wenzgasse 12</b></p><p>Straßenseite, Foto1998</p><p><i>&copy; Sammlung Weissenbacher</i></p>

Quellen:
Weissenbacher, Gerhard: In Hietzing gebaut: Architektur und Geschichte eines Wiener Bezirkes. Wien: Verlag Holzhausen, Band II 1998 ISBN 3-900518-93-9, S. 224–227

Übertragen von hojos
im Juni 2025