Eine Ober St. Veiter Weihnachtsgeschichte

13.12.2013

Gerne wandere ich am Heiligen Abend bei einbrechender Dämmerung hinauf zum Ober St. Veiter Friedhof, der letzten Ruhestätte vieler mir bekannt gewesener Ober St. Veiter. Ich wandere an alten und neueren Villen vorbei; in vielen Fenstern brennen bereits Kerzen, in manchen Wohnungen erkenne ich einen geschmückten, lichterstrahlenden Christbaum; zartes Kinderlachen klingt auf die verschneite Straße. Der Schnee dämpft das Geräusch der dahingleitenden Autos, Krähen fliegen mit verhaltenem Gekrächze auf, um sich auf alten Bäumen zur Nachtruhe niederzulassen. Meine Gedanken wandern in die Kinderzeit zurück, als wir am Heiligen Abend eine lebende Krippe darstellten: Cousine Trixi lag als Christkind auf Stroh gebettet, Cousin Thomas war als Heilige Maria in hellblaue Gewänder gehüllt, Cousin Michael als Hirte verkleidet, und ich selbst stellte den Hl. Josef dar.

Krippenspiel im Hause Wimpissinger. © Familie Pevetz
<p><b>Krippenspiel im Hause Wimpissinger</b></p><p><i>&copy; Familie Pevetz</i></p>

Wir Kinder freuten uns über die damals recht bescheidenen Geschenke sowie über den mit Kerzen und Süßigkeiten geschmückten Baum (mir selbst freilich wären "salzige" Leckerbissen lieber gewesen!). Meine Freude über eine neue Porzellanpuppe war leider nur von kurzer Dauer. Frau Schinnerl, eine Mitbewohnerin des Altersheimes Lainz, kam gerne am Freitag auf ein Stück Fisch zu uns, und sie ließ die Puppe fallen.

Nun stehe ich vor der übermannshohen Josefsstatue im Vorgarten des Josefsheims. Am Fuße des Sockels brennt ein erst vor kurzem angezündetes Kerzerl; frische Spuren im Schnee deuten auf einen Verehrer dieses Heiligen hin. Der frischgefallene, duftige Schnee hat die Statue eingehüllt, als wollte er den Heiligen vor der nächtlichen Kälte beschützen. Bei diesem Anblick erinnere ich mich an eine Erzählung meines Vaters:

Es waren die schlechten Zeiten nach dem Krieg, und auch das St. Josefsheim litt Mangel am Nötigsten. Die Winter waren damals strenger als heute, und die Oberin des Klosters – damals noch mit vollem Haus – wusste nicht mehr, wie sie ihren Schwestern zu Weihnachten wenigstens ein paar warme Räume bereiten sollte. In ihrer Not stellte sie sich vor die Statue des Hl. Josef und betete, der Heilige möge ihr beistehen, und in diesem Falle werde sie ihm für jeden Winter ein hölzernes Schutzhäuserl aufstellen. Bald danach hielt ein Fuhrmann vor dem Kloster, läutete und sagte zu der Oberin, er habe eine Holzfuhre übrig, ob sie diese denn brauchen könne. So ward dem Kloster in wundersamer Weise geholfen, und der Hl. Josef erhielt wie versprochen sein winterliches Schutzhäuserl, das inzwischen leider verschwunden ist.

In solchen Gedanken wandere ich weiter auf den Friedhof, wo viele Gräber weihnachtlich geschmückt sind und viele Kerzerln brennen.

Susanne Pevetz
Eingestellt im Dezember 2013