Die Österreichische Sahara-Tibesti-Expedition 1955

1. Expeditionsbericht
1955

Dr. Fuchs berichtet nun aus Zouar:

Als am 17. Mai d.J. in Wien das Radiogramm einlangte, dass die „Österreichische Sahara-Tibesti-Expedition 1955“ nach über siebenwöchentlicher Reise durch das Gebirge und die Schluchten Tibestis wieder in Zouar, dem Ausgangspunkt und Standlager der Expedition eingetroffen ist, war es gewiss, dass nun ein erschöpfender Bericht über die interessanteste aber auch schwerste Etappe dieser Film-Kundfahrt bald nach Österreich gelangen würde.

Nun ist dieser erwartete Expeditionsbericht von Dr. Peter Fuchs und seiner Frau Edith Fuchs-Fischer endlich eingetroffen und geht aus diesem nun folgendes hervor:

Durch verschiedene Umstände, vor allem in Bezug auf die Witterung - es hatte in diesem Jahr die Hitze und Sandsturmperiode außerordentlich früh begonnen - hatte die Expedition unsägliche Schwierigkeiten und Hindernisse im Verfolg ihrer vorgenommenen Arbeiten und Ziele zu überwinden. Erst Mitte Februar, also nach über sechswöchentlichem Anmarsch konnte endlich das Hochgebirgsland von Tibesti erreicht werden.

Ungefähr drei Wochen wurden in einem im Süden Tibestis gelegenen Nomadenlager zum hochinteressanten Studium der Sitten und Gebräuche der Eingeborenen verbracht und erst Ende März konnte dann die eigentliche Kamel-Karawanenreise in die Gebirgswelt Tibestis angetreten werden.

Diese große Kamel-Karawanenreise durch das Hochgebirgsland von Tibesti war mit unsagbaren Schwierigkeiten und Opfern verbunden. Fast sieben Wochen war Dr. Fuchs mit seiner Frau, die übrigens die erste weiße Frau in Tibesti war, unterwegs. Es gelang den Beiden nicht nur den höchsten Berg von Tibesti, den Riesenvulkan Emi Koussi (3640 Meter hoch) zu besteigen, sondern darüber hinaus einzigartige Filmaufnahmen für den in Vorbereitung befindlichen Tibesti-Dokumentar-Spielfilm zu drehen.

„Wir sind Ende März von Largeau, dem südlichsten französischen Posten-Kommando in Tibesti (Franz.-Aequatorial-Afrika) mit fünf Kamelen und einigen Eingeborenen aufgebrochen. Auch an diesem Tag, sowie all die vielen Wochen vorher, gab es etwas Sandsturm, der im Lauf des Tages an Heftigkeit zunahm und sich später zum Orkan steigerte, der ohne Unterbrechung fast drei Tage andauerte. Was wir in diesen drei Tagen mitgemacht haben, ist kaum zu beschreiben.

Schon in der ersten Etappe, im Anmarsch zum Emi Koussi hinauf, in der Oase Yarda, mussten wir das erste Mal die Kamele wechseln. Der Orkan hätte fast unserer Begleitmannschaft und uns das Leben gekostet.

Auf unserem Marsch auf den Emi Koussi hatten wir bereits den ersten Tornado mit Sturm und Regen zu überstehen. Der erste Vorbote der Regenzeit. Bei unserer Ankunft in Yono am 16. April mussten wir nicht nur wieder die Kamele, sondern auch einen Teil unserer Begleiter auswechseln. Menschen und Tiere waren völlig erschöpft. Der Aufstieg auf den Emi Koussi war sehr sehr hart und forderte das Letzte von uns. Besonders die Filmarbeit war ungeheuer anstrengend.

Am 19. April waren wir mit dem Wasser fast zu Ende, denn die beiden Brunnen, wo wir Wasser zu finden hofften, waren vertrocknet. Durch Zufall entdeckten wir ein kleines Gelta (in einem Felsloch aus der Regenzeit zurückgebliebenes Wasser), wo wir köstliches und frisches Wasser fanden. Am selben Tag standen wir dann am Gipfel des Emi Koussi und stiegen sofort in dessen Riesenkrater ab und verbrachten dort unsere kälteste Nacht in Afrika.

Wenn der Aufstieg auf den Emi Koussi schon sehr schwierig war, so steigerten sich die Schwierigkeiten beim Abstieg noch viel mehr. Ein Kamel nach dem anderen stürzte. Die Tiere zerschnitten sich an den scharfen Steinen die Füße. Unser Weg hinab vom Emi Koussi ist von Blut gezeichnet. Vom Blut unserer Kamele, vom Blut der Gazellen die ich getötet habe und die seit Wochen unsere Hauptnahrung darstellten und auch von unserem Blut und dem unserer Tubbus - Eingeborenen von Tibesti - denn unsere Schuhe waren längst zerfetzt und in den Kletterschuhen unsere Füße bald wundgerieben.

Am Fuße des Emi Koussi angelangt mussten wir wieder einmal die Kamele wechseln und dann marschierten wir trotz der vorangegangenen Strapazen täglich an die 10 Stunden bis wir endlich am 3. Mai in Bardai, von dem dortigen französischen Postenchef auf das freundlichste empfangen, ankamen. Der schwierigste Teil unserer Expedition lag hinter uns.

Unmittelbar nach unserer Ankunft in Bardai ging mein Kamel an Erschöpfung zu­grunde. Um uns zu erholen blieben wir 8 Tage in Bardai. Die Zeit benützte ich um dort die wunderbare Oasenlandschaft zu filmen, zu fotografieren und unsere wissenschaftlichen Sammlungen zu ergänzen. Nach einem weiteren sechstägigen Kamelritt von Bardai nach Zouar konnten wir am 15. Mai wieder unser Ausgangslager erreichen.

Obwohl wir noch über 2.500 Kilometer von der Nordküste Afrikas entfernt sind, ist mit unserer Ankunft in Zouar der Hauptteil unserer Tibesti-Expedition 1955 abgeschlossen.

Wir hoffen bald Gelegenheit zu haben, von einem hier vorbeikommenden Lastauto-Konvoi mitgenommen zu werden und so die letzte Etappe - die Fahrt durch die Sahara hinauf nach dem Norden, durch den Fezzan, nach Libyen und Tripolis - antreten zu können. Wir hoffen, so vielleicht schon in einem Monat wieder in der Heimat einzutreffen.“

Fast gleichzeitig langte mit dem Expeditionsbericht in Wien nun ein Radiogramm aus Tripolis ein, aus welchem hervorgeht, dass sich Dr. Fuchs mit seiner Frau gestern, Sonntag, den 5. Juni, in Tripolis zur Rückkehr über Nea­pel nach Wien einschiffen konnte. Mit ihrer Ankunft in Wien ist also mit Ende dieser, längstens Anfang nächster Woche zu rechnen.

Über den genauen Ankunftstermin wird noch gesondert berichtet werden.

Quellen:
Berichtskopie

hojos
im Dezember 2012