Das Schuhmachen

Auszug aus der im Jahr 1931 zum 60-jährigen Jubiläum der Schuhmacherorganisation verfassten "Geschichte der Schuhmacher Österreichs"
1931

Der Ursprung

Der Ursprung der Schuhe ist unergründlich und reicht bis auf die Zeit von 4000 Jahren vor unserer Zeitrechnung zurück.

Nach den in verschiedenen Museen ausgestellten, zum Teil aus den Gräbern der alten Ägypter ausgegrabenen Schuhen, welche aus der Zeit 3000 bis 4000 Jahre vor unserer. Zeitrechnung stammen, zu urteilen, bestand damals schon eine gewisse Praxis im Schuhmachen. Wenn wir auch diese Fußbekleidungsgegenstände als nur für vornehme, reichere Leute erzeugte betrachten, geht doch daraus hervor, dass der Ursprung: sich die Füße gegen den heißen Sand, spitze Steine, Dornen usw. zu schüren, noch auf eine viel ältere Periode zurückreichen muss.

Das erste, was auch allgemein angenommen wird, dürften die einfachsten „Fuß- oder Fußsohlen-Schützer“ gewesen sein, eine Art Sandalen aus Baumrinde, Bast oder ähnlichen Rohprodukten hergestellt, später vielleicht aus Tierhäuten und Holz.

Zur Zeit der alten Ägypter waren schon Leder-Sandalen sowie eine Art Überschuhe aus Holz im Gebrauche; woraus die Übung des „Steppens“ zu ersehen ist. Es waren auch Schuhe, handschuhmäßig den ganzen Fuß einschließend, ohne Sohle, im Gebrauch.

In Altgriechenland bestanden schon Schuhmacherwerkstätten, in denen höhere Schuhe, vorne zum Schnüren und andere Gattungen hergestellt wurden.

Im alten Rom gab es Schuhladen, in denen das „Walchen“, „Nähen“ von Schuhen aus Leder verschiedener Farben in Anwendung kam und die Schuhe schon Verzierungen erhielten.

Das damalige Nähen war Handarbeit und war im allgemeinen eine Arbeit der Sklaven, ein freies Handwerkertum gab es nicht. Die Schuhmacherei war, so wie viele Hand­werke damals – verrufen – verachtet und in manchen Staaten den freien Bürgern sogar verboten. Einer der weisesten und edelsten Männer Griechenlands, Sokrates (um das Jahr 400 vor unserer Zeitrechnung), erklärte:

„Durch die Handarbeit wird der Geist abgestumpft, sie schafft rohe, un­geschlachte Leute und würdigt den Freien herab; weder der gute Staatsmann, noch der gute Bürger darf sich mit ihr befassen.“

Aristoteles, ein Schüler Platons, vielleicht der größte Denker des Altertums, der das ganze Wissen seiner Zeit beherrschte, entwarf ein Bild vom Staate, den er in neun Klassen einteilte.

Nach ihm bilden die unterste Klasse natürlich die Sklaven, daran reihen sich aber die Handwerker und Künstler. Die Handwerker befinden sich nach ihm in einer Art Knechtschaft und unterscheiden sich von den Sklaven nur dadurch, dass sie jedermann auf Zeit, die Sklaven jedoch nur einem ihr Leben lang dienen. Die „Ackerbauer“, sagt Aristoteles, „sind noch die besten, ihr Leben unter freiem Himmel übt sie für den Krieg. Man kann die Landbauern, Handwerker und Taglöhner nicht entbehren, zu den wahren Staatsbürgern gehören sie aber nicht. In wohlgeordneten Staaten sind sie nicht einmal Bürger, weil sie keine Bürgerpflicht erfüllen oder die Befähigung dazu ihnen abgeht; denn durch die Handarbeit werden Körper und Geist abgestumpft, sie schafft rohe und ungeschlachte Leute und würdigt den Freien herab. Die Handarbeit lässt zu den öffentlichen Geschäften keine Zeit, nur die Grundbesitzer erfreuen sich der dazu erforderlichen Muße und sind deshalb wahre Bürger.“

Unter den Handwerkern wurden wieder Unterschiede gemacht, wie Totengräber usw., denen man ausweicht; an diese wurden gleich die Schuhmacher angereiht.

Der Ursprung in Österreich

Nach Abbildungen hatten die kriegerischen, unsteten Kelten schon eine Art Schuhe. Es waren dies enganliegende Stoffschuhe, über dem Rist und ober der Ferse mit einem Band oder Riemen an den Fuß befestigt; manche auch über den Rist kreuzweise. Sie waren hoch wie Strümpfe, gingen scheinbar über die Hosen und hatten keine Absätze.

Bei den Grabungen am Salzberg bei Hallstatt wurde ein Friedhof mit zirka 1200 Gräbern aufgedeckt, welche aus der sogenannten „Hallstattperiode“, etwa 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung, stammen. In ihnen wurden Kleider aus Fellen und Schuhe, ähnlich den allgemein als Opanken bekannten, gefunden.

Vor dem Jahre 800 wusste man bei den Deutschen noch nichts von Handwerkern. Die damaligen Deutschen bezogen alle Handwerksprodukte aus fremden Ländern und gaben dafür Pelzwerk, Tierhäute, Gänsefedern, Menschenhaare, Vieh und selbst Menschen hin.

Unter den alten Germanen war das „Barfußgehen“ bei den niederen Volksschichten allgemein. Über Schutz der Füße vor Kälte verlautet nichts und die erwähnten „Rundstreifen“, womit die Füße bewickelt wurden, dürften wahrscheinlich nur im Winter benützt worden sein.

In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung trugen die alten Deutschen Schuhe aus einem Stück Leder, in welche der Fuß ganz eingeschlossen war; er wird als „Germanenschuh“ benannt. Später trugen sie auch hohe Schuhe aus einem Stück Leder, vorne oder an der Seite mit einer Öffnung zum Zubinden oder -schnüren.

Anstatt den ägyptischen und römischen Sandalen trugen die Deutschen Pantoffel. Später entwickelte sich der niedrige Schuh nur bis zur Knöchelhöhe.

Erst Kaiser Karl der Große befahl im Jahre 801 seinen Verwaltern, die über die Maierhöfe der Flecken Aufsicht hatten, gute „Künstler“ in ihre Dienste zu bringen, als Schmiede, Gold- und Silberarbeiter, Schuster, Drechsler, Wagner, Schildmacher, Vogel­steller, Seifensieder, Brater, Bäcker usw.

Die besondere Achtung, welche der Kaiser den Handwerkern zollte, indem er sie „Künstler“ nannte, dürfte darin ihren Grund haben, dass die sesshaften Ausüber der Hand­werke nur die althergebrachte, gewöhnliche Arbeit machten und Karl veranlassen wollte, dass im Inlande selbst eine bessere Ware erzeugt werde. Außerdem steht fest, dass damals an Handwerkern Not war, denn niemand wollte ein Handwerk ergreifen, weil ein freier Herr das für eine Schande hielt. Wer kein Vermögen hatte, ging zu einem anderen Herrn in Dienst; alle Arbeiten aber mussten die Sklaven der Herren verrichten.

Von Karl dem Großen meldet sein Geheimschreiber, dass die Schuhe ihm mit Riemen an den Füßen und den Schienbeinen angebunden gewesen seien und dass er nie ausländische Fußbekleidung, außer bei seinem zweimaligen Aufenthalte in Rom, ge­tragen habe, wo er auf Bitten der Päpste Adrian und Leo einen langen Rock und Mantel und sogar römische Schuhe anlegte. Man hat nie gesehen, dass er sich von der gemeinen Landestracht unterschieden habe. Diese aber bestand teils in sehr faltigen, bis auf die halbe Wade reichenden Halbstiefeln, teils in einer Art pantoffelförmiger Schuhe oder Sandalen.

Im 10. und 11. Jahrhundert wurden die Städter in Bürger und Einwohner eingeteilt. Bürger waren solche, welche entweder von ursprünglich freien Familien, oder von solchen abstammten, welche von ihrem Herrn freigemacht worden waren und denen man im dritten Gliede das Bürgerrecht gegeben hatte; Einwohner oder Mitbürger nannte man solche Gefreite, die noch nicht bis zum dritten Gliede frei und des Bürgerrechtes teil­haftig waren und solche eigene Leute, welche sich mit Handwerksarbeit beschäftigten.

Mit Kaufmannschaft und Handwerken beschäftigten sich die Gefreiten oder die geringeren Bürger. Die Bürger oder vornehmen Städter oder die Adeligen tätigten allein Kriegsdienste, nährten sich vom Acker- und Weinbau, wozu sie sich Leibeigene hielten, oder von den Zinsen ihrer Landgüter.

Durch Arbeitsamkeit gelangten die Handwerker in aller Stille zu Wohlstand und Begüterung. Sie erhielten auch für die damalige Zeit sehr wertvolles Vorrecht, das bisher nur dem Adel allein eingeräumt gewesen war, nämlich das Recht, Waffen zu tragen und mit in den Krieg zu ziehen. Dies machte unter Kaiser Heinrich V. im 12. Jahrhundert auch die bisher unfreien Handwerker zu freien Bürgern. Die Gewerbe auf dem Lande wurden verboten und nur die städtischen Handwerker hatten dieses Vorrecht.

Jedenfalls seit Heranziehung der ausländischen Handwerker durch Kaiser Karl den Großen finden wir am Ende des 11. Jahrhunderts schon einen gewissen Fortschritt in der Schuhmacherei. Außer den gebundenen Schuhen wurden eine Art „Stulpenstiefel“ getragen.

Im 12. Jahrhundert gibt es schon Schuhe in der Höhe der derzeitigen Schnür­schuhe, welche oben eine Rüsche, eine Art Verzierung hatten; sie dürften aber nur von Adeligen getragen worden sein. Krieger und Arbeiter hatten Schuhe aus Rindsleder, einfach zum Verbinden oder solche wie im 4. Jahrhundert. Die Bauern auf dem Felde gingen beim Ackern, Säen usw. entweder barfuß oder hatten wie Strümpfe enganliegende Schuhe oder niedrige wie Hausschuhe. Es war dies ein weicher Kurzstrumpf aus Wolle, Filz oder auch Leinen. Als Prunkschuhe trugen die Bauern zum Beispiel in der Kirche Schuhe aus feinem Wollstoffe.

Der germanische Bauer und die geringen Leute trugen bis ins 15. Jahrhundert auch Schuhe aus Rindsleder, behaart und durch Bänder, Schnüre oder Riemen zusammen­gehalten, daher der Name „Bundschuh“. Auf der Oberfläche des Schuhes waren besondere Lederstreifen angenäht, durch welche die Bänder oder Riemen durchgezogen wurden. Auch trugen sie Schuhe aus einem Stück Rindsleder, am Knöchel mit den Hosen zusammen befestigt; sie waren vorne offen, wie die heutigen Schnürschuhe, nur dass sie bis zur Wade reichten. Seit dem Jahre 950 kam aus Kordova ein „Saffianleder“ nach Deutschland.

Schon Ende des 12. Jahrhunderts trugen die Vornehmeren eine Art Pariser, mit Absätzen versehen und das Schnürband in Maschen geknüpft. Die Edelleute trugen verschnürte Schuhe mit Sporen. Im 13. Jahrhundert trugen die Krieger eine Art Wickelgamaschen aus Leder, zweimal kreuzweise gewickelt, hin und zurück bis zu den Knien mit scheinbar niedrigen Schuhen.

Bei feinen Schuhen war das Oberteil von Zeug oder feinem Leder, das schön aufgeschlitzt und mit Futter unterlegt sein konnte. Die Sohle war von stärkerem Leder und zu einem Absatze war ein Ansatz üblich. Zum Oberteil wurde auch Wollstoff, Filz, Seide und feines fremdländisches Leder in weiß, schwarz, braun oder rot verwendet. Die Bürger trugen bei Festlichkeiten dunkle Schuhe, die jüngeren teilweise mit hellfarbigen Bauschen, nach fränkischem Geschmacke, verziert.

Die Form der Schuhe, dem Fuße sich anschmiegend, hielt sich bis ins 14. Jahrhundert. Von dieser Zeit an waren in Deutschland erst „Öfen“ bekannt.

Eine andere Art Schuhe, auch im römischen Heere in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung im Gebrauche, war aus einem Stück Leder geschnitten, dessen Haarseite meist nach innen gekehrt wurde, vorne von der Spitze zusammengeschnürt. Das Leder war oben gitterartig durchbrochen, und um die Knöchel hielten Riemen den Schuh am Fuß; diese Hauptform hielt sich auch auf deutschem Boden durch viele Jahrhunderte. Sie hatten ungefähr folgendes Aussehen:

Vom 14. bis 15. Jahrhundert kamen die spitzen Schnabelschuhe, welche angeblich im 11. Jahrhundert schon in Mode waren, auf, wurden aber vorerst nur von besseren Leuten getragen und erst später modern; sie waren auf der Seite unter dem Knöchel zum Schnüren und vorne auf dem Fuße im ganzen. Diese Mode kam von Frankreich und gab Anlass zu den närrischesten Formen.

Der Holzschuhe wird schon im 12. Jahrhunderte gedacht; sie gehörten fortgesetzt zur Tracht der Bauern, niederen Leute und Mönche. Im 14. und 15. Jahrhundert bildete sich dazu eine Art Überschuhe aus. Insbesondere in Städten, wo die Straßen gar nicht oder nur ausnahmsweise gepflastert waren, waren diese Holzüberschuhe nötig, um die übrige Kleidung nicht zu sehr zu beschmutzen.

Im 13. Jahrhundert wurden die verschiedensten Überschuhe aus Holz getragen; insbesondere wurden solche Überschuhe für die besseren oder höheren Stände auch sehr geschmackvoll erzeugt. Im Nachstehenden veranschaulichen wir einen derartigen Überschuh, welcher im Originale von der heiligen Elisabeth, Herzogin von Thüringen, im 13. Jahrhundert getragen worden sein soll. Der Schuh selbst ist von schwarzem Seidenstoffe mit alaungegerbter Ledersohle; die Ledersohle ist, wie man sieht, angenäht. Der Schuh befindet sich in einer Holzsandale als Überschuh und ist über dem Ballen und nach dem Riste zu mit Lederspangen an diese festgehalten. Dieser Holzüberschuh, als Schutz gegen Straßenkot, ist an den Kanten in geschmackvoller Weise durch Schnitzerei verziert.

Diese Holzschuhe bestanden auch aus einer starken hölzernen, mit stelzenartiger Erhöhung versehenen Sohle, die mit Riemenwerk um den eigentlichen Schuh befestigt wurde.

Über das geräuschvolle Auftreten mit solchen modischen Schuhen in den Kirchen wurde bald Klage geführt. Zur Zeit der spitzen Schuhe hatten auch die Holzschuhe eine sehr spitze Form und waren vorne bedeutend länger als die eigentlichen Schuhe. Zur Erzeugung dieser Holzschuhe bildete sich bald ein eigenes Gewerbe aus.

Der Stiefel stellt eine Verbindung der früheren ledernen Schutzhose mit dem Schuh dar. Nach der Benennung stammt der Stiefel aus Italien. Er wurde zuerst von den höheren Herren getragen, gehörte aber bald zur gemeinen Tracht und wurde dann sogar den Juden als einziges Schuhwerk zum Tragen vorgeschrieben. Die Schäfte der Stiefel waren hoch und weit und wurden auch über die bloßen Beine gezogen.

Daraus entwickelte sich eine Schuhstiefelform, später Halbstiefel genannt, nur bis zur Wade reichend; der Schaft war in verschiedener Weite in Mode, teils sehr weit, mit überschlagenen Stulpen, verschieden verziert, als ein Teil Gesellschaftstracht, schließlich aus einfachem Rindsleder, nur mit unbedingt nötiger Weite, sodass die Hosen darüber gezogen werden konnten.

Diese hohen, sowie die Halbstiefel werden derzeit noch zu verschiedenen Zwecken, in verschiedener Ausführung getragen; zum Beispiel zum Kanalräumen, zur Jagd, zu Oberbau-Bahnarbeiten und von der ländlichen Bevölkerung.

Im 15. Jahrhundert kamen auch die vorne abgehackten Schuhe auf; die Spitze des Schuhes war sehr breit, hoch und schaute aus, als ob jeder Zehe ein separater Raum eingeräumt wäre. Diese Schuhe wurden Ochsenmäuler, auch Bärentatzen genannt.

Lassen wir noch den Geschichtsschreiber Bermann sprechen, welcher über die Fußbekleidung der Wiener im Mittelalter folgendes sagt:

„Das Schuhwerk, im Anfange sehr einfacher Art, hob sich bald zu einer Luxustracht. In der ersten Epoche trug man Filzschuhe, in Küchen und Arbeitsstuben Holzschuhe, später wurde der zum Ausgehen benützte Schuh ein Gegenstand des Putzes. Von Stiefeln war allenfalls nur bei Reitern die Rede, Männer und Frauen trugen lediglich Schuhe; oft schloss das wie ein Strumpf anliegende Beinkleid auch den ganzen Fuß mit ein und hatte nur unten eine Ledersohle, die nach vorne in eine ziemlich scharfe Spitze auslief. Dann Schnabelschuhe. Im 15. Jahrhundert verlor sich der Schnabelschuh, dafür wurde der Frauenschuh höher. Die Tanzschuhe der Damen waren eng und weiß. Die Stiefel waren schlotternde Stulpstiefeln für Reiter, wurden aber auch von einem Teil Fußvolk auf Märschen getragen.“

Aus dem 16. Jahrhundert, und zwar aus der Zeit von 1591 bis 1603, finden sich überlieferte Preise der damaligen Schuhwaren von den sogenannten hofbefreiten Schuhmachern, also der besten und teuersten Ware. Es kostete zum Beispiel:

1 Paar lange Stiefel in Sachsen: 1 Gulden 15 Kreuzer
1 Paar hohe Jagdschuhe in Sachsen: 2 Gulden 10 Kreuzer
1 Paar Schuhe zu Wien: 24 Kreuzer
1 Paar Pantoffel zu Wien: 30 Kreuzer

Der Herzog Johann Georg von Sachsen erließ am 23. April 1612 eine „Kleider-Ordnung“, die unter Androhung harter Strafen den Frauen und Töchtern der Doktoren, Professoren, Bürgermeister und Ratsverwandten untersagte, samtene Schuhe mit Gold, Silber und Perlen gestickt zu tragen.

Bemerkenswert ist, dass der deutsche Schuhmacher sich vorerst nicht nur auf die Herstellung von Schuhen beschränkte, sondern im allgemeinen auch Lederarbeiter war. Er machte die rohe Haut, je nachdem, zum Gebrauch für Schuhe, zu Leder. Die Branche der Gerber entstand erst später.

Das älteste Werkzeug des Schuhmachers war der Hammer und namentlich die „Ahle“. Die Ahle war vielleicht Jahrtausende (während der Zeit, wo man aus Eisen Werkzeug zu machen verstand) das hauptsächlichste Werkzeug des Schuhmachers.

Als Ahle sowie als Nadel hatte man sich ursprünglich nur eines Werkzeuges zum Nähen und Steppen bedient. Dieses Werkzeug mag vorerst aus Knochen, Horn oder Holz, ohne Öhr, auch selbst verfertigt worden sein. Das eine Ende war möglichst gespitzt, das andere Ende stärker. Erst viel später wurde an dem stärkeren Ende ein „Öhr“ angebracht. Hatte man auf diese Art die gerade Nadel, so kam man bald auf die krumme Ahle. Ob sich dies vor oder nach der Bronzezeit ereignete, bleibt fraglich. Ebenso kannte der germanische Schuhmacher den „Leisten“ nicht.

Die weitere Entwicklung des Schuhmachergewerbes geht nun verschiedene Wege. Es gab nun auch Störschuster mit Gehilfen und Lehrlingen, welche nur zeitweise, nach Bedarf, auf Störarbeit gingen und die übrige Zeit „Maßarbeit“ im eigenen Hause verrichteten.

Waren nun einmal Gehilfen und Lehrlinge herangezogen, dann ging die weitere Entwicklung, je nach den obwaltenden Umständen des Landes, Kreises oder gar Ortes, schneller oder langsamer vor sich. Vordem nur gewerbliche Nebenarbeit, wird das Handwerk jetzt selbständiges Unternehmen. Der Handwerker ist Eigentümer der Haupt- und Hilfsstoffe und verfertigt aus ihnen die Ware zur Veräußerung an die Verbraucher für eigene Rechnung.

Da seine eigene Arbeitskraft nicht genügt, nimmt er sich Hilfskräfte, soviel er benötigt. So entsteht eine starke Vermehrung der Branchenangehörigen, was dazu führt, dass der Ortsbedarf nicht mehr ausreicht.

Ein bedeutender Fortschritt erfolgte, als der vorerst verwendete „Bindfaden“, mag er aus was immer bestanden haben, ob aus Baumrinde, Tiergedärme, Flachs usw., durch den heute noch verwendeten „Pechdraht“ (Anm.: Mehrere Flachs- oder Hanffaden werden mit der Hand zusammengedreht und mit schwarzem oder weißem Pech überstrichen. Auch: Schusterdraht) ersetzt wurde, über das Alter des Pechdrahtes ist in den Chroniken schwerlich etwas vorzufinden.

Bis ins 19. Jahrhundert wurden alle Fußbekleidungen, von den einfachsten bis zu den kompliziertesten, von den unschönen bis zu den schönsten, nur genäht. Ja, wir können konstatieren, dass einzelne Gattungen von Fußbekleidung noch bis zu Ende des 19. Jahrhunderts entweder ganz oder zum größten Teile nur mit Handnäharbeit verfertigt wurden. Im Jahre 1560 wurden in England die ersten Nähnadeln von Chreening hergestellt. Wann diese nach Wien gekommen sind, ist unbekannt.

Aber selbst die Nähnadel nützte ja dem Schuhmacher nicht viel, er brauchte jetzt auch den Fingerhut, um die Nadel gebrauchen zu können. Der Fingerhut wurde von Nikolaus von Beschvoten in Amsterdam am 19. Oktober 1684 erfunden. Er schickte den ersten von ihm erfundenen Fingerhut an eine Dame.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden insbesondere vom böhmischen Adel hohe Stiefel getragen, welche bis an den Unterleib reichten und mit Taschen versehen waren. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts trugen die noblen Wiener Damen nur französische Schuhe, die sie mit 12 Reichsthalern bezahlten.

Um 1780 trug Kaiser Josef II. hohe Reiterstiefel (bis über die Knie), mit Sporen, selbst auch in der Burg in Wien. Das Volk hatte verschiedene Beschuhung; zum Beispiel: niedrige Schuhe mit Schnallen oder ohne Schnallen, pantoffelartige Schuhe oder schlottrige Halbstiefel. Um das Jahr 1800 wurde von den Damen in Wien eine Art Damen-Schnürschuhe getragen.

Erst in den Robotpatenten Kaiser Josefs II. in den Jahren 1785 bis 1786, greift in Österreich die Staatsgewalt zu Gunsten der zur Herstellung gewerblicher Produkte verpflichteten Gutsuntertanen ein, um sie gegen übermäßige Forderungen und Übervorteilung durch die Herrschaft zu schüren; die letzten Reste dieser unfreien Arbeit nahmen aber erst mit dem Jahre der Revolution 1848 ihr Ende.

In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich die Regierung sogar ein-gehend mit der Frage der Möglichkeit, die Arbeiterbevölkerung Wiens zu vermindern. In zwei Kabinettschreiben des Kaisers Franz I. vom 28. Februar 1802 wird die Sorge laut, „wie der hiesigen übermäßig anwachsenden Bevölkerung vorgebogen werden könnte“.

In Wien kaufte man durch Jahrhunderte die Schuhwaren aus fremden Ländern von den fremden Händlern, oder von ansässigen Kaufleuten auf den regelmäßigen Märkten, auch Messen genannt. Es gab aber in Wien auch Schuhmacher, welche ihre Ware selbst auf den näher gelegenen Märkten und Messen, oder an weither aus dem Süden und Norden zugereiste Kaufleute verkauften. Noch im 19. Jahrhundert verkauften die Wiener Schuhmacher ihre Erzeugnisse an solche Handelsleute aus Griechenland, Polen, Russland usw.

In Österreich wurde die erste Eisenbahn-Teilstrecke im Jahre 1825 erbaut. Die Erbauung der Eisenbahnen ging aber nur langsam vorwärts, weshalb auch weiterhin noch die „Achs“ benützt werden musste.

Aber selbst bei dem Personenverkehr der Eisenbahnen wurde an dem Prinzipe der behördlichen Bewilligung zur Reise festgehalten, wie aus Hofkanzleidekreten aus den Jahren 1842 bis 1846 hervorgeht. In mehreren solchen Dekreten wird den bezüglichen Polizeidirektionen und Kommissariaten zur Erleichterung des Verkehrs auf den verschiedenen Eisenbahnen die Ausstellung von Jahrespassierscheinen gestattet.

Über den Wert der Schuhmacherarbeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts klärt uns, nach dem damaligen Gelde, Gulden und Kreuzer, eine Rechnung aus Innsbruck auf, welche aus dem Jahre 1837 stammt. Sie umfasst folgende Gegenstände (alles in Gulden):

Ein Paar Stiefl gesohlt: –,42
Auf Stiefl neue Absätze und eingestukt: –,21
Auf 2 Paar Stiefl Halbfleck und ausgebessert: –,18
Ein Paar Überschuh überändert neue Absätz und Spitzl: –,32
Auf ein Paar Stiefl Spitzl: –,16
Stiefl ausgebessert und Halbfleck: –,09
Ein Paar Stiefl neu vorgeschuht: 2,38
Detto Stiefl vorgeschuht und neue Rohr: 3,38
An ein Paar Stieflhölzer neue Vorfuß: –,16
Ein Paar Stiefl neu vorgeschuht: 2,38
Auf Stiefl neue Absatz und neue Strupfen: –,24
2 Paar Strupfen abgegeben auf Beinkleider: –,14
Einen Stiefl gesohlt: –,22
Ein Paar Stiefl eingestukt und Halbfleck: –,10
Ein Paar Stiefl gesohlt und neue Absätz: –,48
Ein Paar Stiefl neu vorgeschuht: 2,38
Zusammen: 13,24 Gulden.

Auch über die Art, wie gearbeitet wurde, lassen wir einen Außenseiter sprechen:

„Ich bin bei dem von meinem Vater im Jahre 1834 in Wien gegründeten und später (1859) von mir übernommenen Geschäfte aufgewachsen; ich kenne es aus einer Zeit, als es noch nicht einmal Nähmaschinen gab und noch nicht amerikanische Sohlennägel eingeführt waren, da alle Nähte noch mit dem Ertel oder der Ahle gemacht wurden und sich der Geselle noch den Holznagel selbst schneiden musste. Sie können sich denken, wie mühselig das war. Es wurde alles mit der Hand gemacht, infolgedessen ist viel weniger erzeugt worden.

Der Beginn des Schuhexportes aus Österreich fällt in die Vierzigerjahre. Schon vor dem Jahre 1848 exportierte mein Vater durch ein Wiener Großhandlungshaus die feinsten färbig gesteppten Lackstiefletten nach Amerika und andere Sorten direkt nach Russland und Rumänien. Wenn sie sich vorstellen, wie schwierig es war, bei handgesteppten Oberteilen annehmbare Preise zu erzielen und zu exportieren, so können sie sich denken, dass damals die Schuhindustrie schon wegen ihrer gediegenen Ware anerkannt war. Dann sind die Schneider gekommen und haben die Oberteile mit der Nadel hergerichtet, und ich muss sagen, dass die Arbeit so schön gemacht war, wie mit der Maschine, nur teurer.

Durch die Einführung der Nähmaschinen ist der Export sehr gestiegen, es wurde mehr und billiger erzeugt. Infolge der großen Anforderungen und des Umstandes, dass in größerer Menge und auch mehr fabriksmäßig erzeugt wurde, kam es, dass auch schlechtere Ware aus Kunstleder und Pappendeckel hinausging.

Schon damals hat die Wiener Schuhwarenindustrie einen sehr schweren Schlag erlitten, und zu jener Zeit gab es noch keine Fabrikanten, sondern nur Meister; wenn ein Meister 40 Leute beschäftigte, so war das so viel, wie wenn heute ein Fabrikant 400 Leute hat.

Der Umschwung in den Fünfzigerjahren machte die Erzeugung bedeutender und billiger, infolgedessen nahm der Export zu.

Es ist wohl eine traurige Tatsache, dass durch teilweise Verwendung von Kunstleder und sogar von Pappendeckel die früher hochberühmten Wiener Schuhwaren in den ausländischen Absatzgebieten diskreditiert wurden.“

In den Vierzigerjahren wurde die erste sehr wichtige technische Erfindung für die Schuhmacherei aus Amerika importiert, nämlich, die Sohlen mit Holznägeln aufzunageln, anstatt zu nähen. Wann diese „amerikanischen“ Holznägel in Deutschland und Österreich zur allgemeinen Einführung kamen, ist nicht eruierbar. Bekannt ist nur, dass so mancher Schuhmachermeister sich das Kaufen der amerikanischen Holznägel dadurch ersparte, dass der Lehrjunge einfach Holznägel für den Gebrauch in der Werkstätte schneiden musste. Das „Holznägelschneiden“ kam in Wien in vielen Werkstätten noch in den Siebzigerjahren vor und in manchen Kronländern Österreichs sogar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

In den Vierzigerjahren wurden auch die „Gummieinsätze“ eingeführt und die darnach verfertigten „Zugstiefeletten“ hielten sich bis zum Ausbruch des Weltkrieges in allgemeiner Beliebtheit.

Erst durch die Einführung der „Howe-Singer-Nähmaschine“ wurde das Schuhmachergewerbe, welches bis dorthin ausschließlich Handarbeit gewesen war, in den Bereich der „Mechanisierung“ hineingezogen. Die Nähmaschine wurde im Jahre 1845 erfunden.

Die erste Singer-Nähmaschine war nur für Schneider und Näherinnen, aber nicht für Schuhmacher; es gelang indes bald, sie auch für Schuhmacher verwendbar zu machen. In der Schuhmacherei wurde ursprünglich nur der Zeugschaft mit dieser Maschine verfertigt und erst Mitte der Sechzigerjahre, als die Fortschritte in der Gerberei feinere Ledersorten auf den Markt brachten, wurden auch Lederschäfte damit gesteppt. Auch damit war die Maschine noch nicht allgemein in den Werkstätten eingeführt, weil sie erstens noch zu teuer war und zweitens der zünftlerische Geist der Meister nicht an die Haltbarkeit der Maschinenarbeit glaubte. Erst um die Wende dieses Jahrzehnts wurde sie mehr und mehr in den Schuhmacherwerkstätten eingeführt. Die Folge davon war, dass sich nun die Schuhmacherei teilte, und zwar in Schuhmacher und Schuhoberteilerzeuger. Zu dieser Teilung trug auch der Umstand bei, dass die „Schuhoberteilerzeugung“ vorerst als ein freies Gewerbe betrachtet wurde und jedermann es ausüben konnte.

Es war in den Fünfzigerjahren, als in Österreich die ersten Schuhfabriken entstanden. Es waren einfach „Schuhmacher-Meister“, welche eine größere Anzahl Arbeiter beschäftigten, dabei schön verdienten und infolgedessen eine größere Steuer, die sogenannte „Fabrikssteuer“ zahlen mussten. Die Schuherzeugung, das „Schuhmachen“, hatte sich vorläufig damit noch nicht geändert. Die ersten Schuhfabriken wurden in Wien in den Fünfzigerjahren, in Holitz 1850 und in Münchengrätz 1852 gegründet.

In welchem Jahre die erste amerikanische Nähmaschine nach Österreich (Wien) kam, ist nicht eruierbar, das dürfte aber nach dem Vorherigen Ende der Fünfziger- oder in den Sechzigerjahren der Fall gewesen sein.

Nach dem Berichte der Niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer waren in der Zeit von 1845 bis 1856 in Wien 2.671 Schuhmachermeister. Von diesen Meistern arbeiteten etwa 800 bis 900 auf eigene Rechnung für Platzkunden; also Friem-Meister. Etwa 100 arbeiteten direkt für den Export und der Rest von 1600 bis 1700 arbeitete für die bedeutenderen Meister und Kaufleute – Stückarbeit.

Die größeren Schuhwarenerzeuger hatten anfänglich, wie heute noch einige, ihr Wiener Kontor in der Stadt mit einem Muster- oder Warenlager verbunden. Von hier aus wurde der Einkauf der Roh- und Hilfsstoffe besorgt. Die einkaufenden Händler, welche beabsichtigten, in Wien Schuhe einzukaufen, kamen in diese großstädtischen Niederlagen, respektive Kontors, kauften dort nach Mustern oder fertige Ware, oder gaben ihre Bestellungen auf. Aber es hatte zu dieser Zeit auch schon das „Sitzwesen“ (Anm.: Gesellen, die auf eigene Rechnung arbeiten) begonnen; auch der „Ablös-Meister“ war eine Einführung dieser Zeit. Durch die anfänglich solide und fein ausgeführte Schuhware erwarb sich die Wiener Schuherzeugung schon frühzeitig einen Weltruf. In den vorerwähnten Kontors wurde daher auch die Arbeit an die Sitzarbeiter und Ablösmeister ausgegeben; ebendorthin musste auch die fertige Ware abgeliefert werden.

Bis zu den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts lieferten die Fabrikanten noch nicht unmittelbar an die Konsumenten oder Detailhändler des Auslandes, sondern an die mehr oder minder namhaften Zwischenhändler. Nach den Fünfzigerjahren, wo die Wiener Schuhfabrikanten direkt zu exportieren begonnen hatten, waren die Händler bestrebt, sich die Schuhfabrikanten durch das Gewicht des großen Absatzes wieder für sich gefügig zu machen, womit sie auch zum Teil Erfolg hatten. Die früheren Zwischenhändler errichteten oder erwarben vielfach auch Fabriken, um den Vorteil auszunützen, als Fabrikanten und Händler in einer Person aufzutreten und damit einen erheblichen Vorsprung vor ihren Konkurrenten zu gewinnen.

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Schuhmacherei war in Österreich nebst der Nähmaschine das neue Gewerbegesetz vom Jahre 1859, welches die Gewerbefreiheit brachte und mit den verschiedensten Zwangseinschränkungen der bis-herigen Zünfte aufräumte. Auf Grund dieser neuen Gewerbeordnung konnte jedermann, auch wenn er kein Schuhmacher war, ohne weiteres den Betrieb einer Schuhfabrik anmelden und eröffnen, sofern er die Fabrikssteuer bezahlte.

Downloadmöglichkeit eines Auszuges aus dem Buch "Historisches Ober St. Veit" von Josef Holzapfel, die Schuhmacher betreffend:

Quellen:
Möller, Heinrich: Geschichte der Schuhmacher Österreichs. Erinnerungsgabe zum sechzigjährigen Jubiläum der Schuhmacherorganisation 1871–1831. Verfasst im Auftrag des Verbandes der Schuh- und Lederindustriearbeiter Österreichs. Wien: Eigenverlag des Verbandes 1931
Holzapfel, Josef: Historisches Ober St. Veit. Handwerks-, Gewerbe- und Vereinsgeschichte. Wien, Interessensgemeinschaft Kaufleute Ober St. Veit, 2009

Übertragen von hojos
im August 2012, bearbeitet im Juni 2015