Hans Leo Przibram

Geboren am 7. Juli 1874 in Lainz bei Wien, gestorben am 20. Mai 1944 im KZ Theresienstadt. Zoologe und der Begründer der experimentellen Biologie in Österreich. Er wohnte in Hacking und Ober St. Veit.
01.01.2014

Hans wurde als älterer Sohn von Gustav Przibram (geboren am 2. Dezember 1844 in Prag, gestorben am 15. August 1904 in Kreuzlingen, Thurgau, Schweiz) und Charlotte Przibram, geb. Freiin Schey von Koromla (geboren am 5. Juli 1851 in Wien, gestorben am 27. Jänner 1939 in Wien) geboren.

Er besuchte das Akademische Gymnasium in Wien und studierte von 1894 bis 1899 an der Universität Wien Zoologie bei Berthold Hatschek, absolvierte nebenher das physikalische Praktikum bei Franz Serafin Exner und einen human-anatomischen Kursus an der Medizinischen Fakultät. Hatschek, der Hans Przibram unterstützte und förderte, hatte das II. Zoologische Institut 1886 übernommen, das vergleichend-anatomisch orientiert war. Hatscheks Interesse galt der Meeresbiologie, und er förderte nach Kräften die Arbeiten der Zoologischen Station in Triest. Wissenschaftliche Leistungen erbrachte er vor allem in der Morphologie und der vergleichenden Embryologie. Hans Przibram studierte ab 1896 mehrere Semester bei dem Parasitologen Leuckhart in Leipzig, ehe er 1899 an der Universität Wien promovierte. Danach setzte er von 1900 bis 1902 seine Studien beim physiologischen Chemiker Hofmeister in Straßburg fort. Hier arbeitete er mit Otto Fürth, dem späteren Professor für medizinische Chemie an der Universität Wien, zusammen und gewann in ihm einen lebenslangen Freund.

Hans Przibrams Begabung auch als Zeichner kam ihm bei der Darstellung seiner biologischen Forschungen sehr zugute. Er trat mit seiner graphischen Begabung auch öffentlich hervor, und durch die Vermittlung von Adolf Loos beteiligte er sich an den Winterausstellungen der Sezession in den Jahren 1899/1900 und 1900/1901 und publizierte Arbeiten in Ver Sacrum vom Juni 1901. Für Freunde und Verwandte war Przibram ein begehrter Produzent von Exlibris.

1902

In diesem Jahr erwarb der dreißigjährige Hans Przibram gemeinsam mit den nur wenige Jahre älteren Wiener Botanikern Wilhelm Figdor und Leopold von Portheim das Vivarium im Prater. Hans Przibram wurde finanziell von seinem Bruder Karl unterstützt.

Das Vivarium im Wiener Prater. Das Neo-Renaissance-Gebäude im Wiener Prater am Anfang der Hauptallee, offiziell als Praterbude Nr. 1 bezeichnet, wurde nach Plänen des Architekten A. Brehm als Schauaquarium zur Wiener Weltausstellung 1873 gebaut. Foto M. Frankenstein um 1880. © Wikimedia Commons
<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>Das Neo-Renaissance-Gebäude im Wiener Prater am Anfang der Hauptallee, offiziell als Praterbude Nr. 1 bezeichnet, wurde nach Plänen des Architekten A. Brehm als Schauaquarium zur Wiener Weltausstellung 1873 gebaut. Foto M. Frankenstein um 1880.</p><p><i>&copy; Wikimedia Commons</i></p>

Das Vivarium

Sie kauften ein Gebäude mit schillernder Vergangenheit. Es war anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 nach Plänen des Architekten A. Brehm errichtet worden, finanziert wurde es von Großindustriellen. Zunächst beherbergte es eine Tierschau. Vor und hinter dem Gebäude lagen insgesamt 16 Meerwasserbecken, gefüllt mit dem Wasser der Adria. Im Inneren des Gebäudes befanden sich Süßwasser-Aquarien. Grottenolme aus der bekannten Adelsberger Grotte – sie wurden später Versuchstiere der neuen Nutzer – zählten zu den Attraktionen des Hauses. Doch schon in den 1880er Jahren ließ das Publikumsinteresse nach, und die hohen Erhaltungskosten erzwangen die Schließung. In der Folge versuchten mehrere Unternehmen das ausgedehnte Gebäude zu nutzen. Zunächst zog die große Hagenbecksche Reptilienschau mit Schlangen, Krokodilen und Schildkröten ein. Schließlich kam es zu einem betrieblichen Zusammenschluss mit dem nahegelegenen Tiergarten am Schüttel, der im Stil der damals modischen Exotik Menschen und Tiere zur Schau stellte: Eskimos mit ihren Rentieren und Polarhunden, Singalesen mit Elefanten, Aschanti mit verschiedenen afrikanischen Tieren. Im Vivarium hingegen zeigte man seltene kleine Tiere: Schleichkatzen, Beuteltiere und Affen. Doch das große Publikum blieb auch diesmal aus. Wieder sollte die Hagenbecksche Tierschau als Publikumsmagnet den Bankrott verhindern: Im Hof des Vivarium wurde eine Polarlandschaft aufgebaut und mit Seelöwen, Pinguinen und, als besondere Sehenswürdigkeit, mit einem jungen Walroß bevölkert. In Käfigen wurden Eisbären zur Schau gestellt. Doch der kommerzielle Betreiber, der Tiergarten am Schüttel, konnte sich gegen die Konkurrenz des bei freiem Eintritt zugänglichen Tiergarten Schönbrunn nicht behaupten und musste Konkurs anmelden.

Die neuen Eigentümer Przibram und seine Kollegen gründeten jetzt an diesem Standort ein privates Forschungsinstitut, das der experimentellen Biologie gewidmet sein sollte und dem sie den programmatischen Namen Biologische Versuchsanstalt gaben. Przibram trug die Finanzierung des Ankaufs, Portheim und Figdor zusammen mit Przibram die Finanzierung der Einrichtung. Weiters wurde für den Baugrund ein Pachtverhältnis im Jahre 1902 unkündbar auf 15 Jahre mit der Hofverwaltung abgeschlossen. Der Wert des Gebäudes samt Einrichtung wird von den Besitzern mit 200.000 Kronen angegeben.

Zu dieser Zeit änderten sich auch in den biologischen Wissenschaften die Zielsetzungen und Methoden. Über die beschreibende und vergleichende Forschung hinaus wurde begonnen, kausale Fragen zu stellen und vor allem den Ursachen für die Entstehung der verschiedenen Arten nachzugehen. Es gab noch keine Institution, die sich systematisch mit der Forschung an lebenden Tieren befasste. Die Gründer der Biologischen Versuchsanstalt wollten das Spektrum biologischer Forschung verbreitern und lebende Organismen experimentell erforschen.

Przibram und Portheim übernahmen die Leitung, Przibram als Vorstand der Zoologischen Abteilung, Portheim gemeinsam mit Figdor als Vorstand der Botanischen Abteilung. Die chemisch-physikalische Abteilung wurde von Wolfgang Pauli sen., die physiologische Abteilung von Eugen Steinach geleitet. Für einen späteren Zeitpunkt war die Errichtung einer pflanzenphysiologischen Abteilung vorgesehen. Ein Mitarbeiter war auch der bekannte Biologie Paul Kammerer ("Der Krötenküsser").

Dank der Finanzkraft ihrer idealistischen Gründer wurde die Anstalt großzügig ausgestattet. Neben den notwendigen Arbeitssälen, Zimmern für die Mitarbeiter und Laboratorien wurden Ställe, Freilandterrarien und Glashäuser, Garten- und Hofparzellen, Temperaturkammern, sechs zementierte Becken sowie ein großes Froschbassin auf dem Areal des Vivarium errichtet. Die neuen Temperaturkammern stellten eine Pionierleistung der Regelungstechnik dar und erlaubten Experimente bei Temperaturen zwischen 5 und 40 Grad Celsius sowie bei regelbarer Luftfeuchtigkeit. Die Temperatur konnte in Schritten von 5 Grad Celsius mit einer Genauigkeit von 0.5 Grad geregelt werden Damit konnten Hitze- und Kälteformen von Tieren und ihre Anpassung an verschiedene Temperaturen studiert werden.

Wie in den Statuten festgelegt richteten die Gründer die Biologische Versuchsanstalt als wissenschaftliches Forschungsinstitut und nicht als Unterrichtsanstalt ein. Über private Forschung hinaus sollte es aber auch einen Beitrag zur akademischen und universitären Forschung leisten. Daher wurden auch anderen Forschern Arbeitsplätze und wissenschaftliche Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Einige dieser Plätze wurden durch das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht subventioniert und im Gegenzug der philosophischen Fakultät der Universität ein gewisser Einfluss auf die Leitung durch ein Kuratorium eingeräumt. Die Aufnahme externer Forscher aus dem In- und Ausland, die Verknüpfung von privater und universitärer Forschung und darüber hinaus die Verknüpfung verschiedener Teildisziplinen war eine forschungsorganisatorische Innovation von fast visionärem Charakter, und das zu einer Zeit, als von interdisziplinärer Forschung noch nicht die Rede war. Internationalität und Interdisziplinarität fügten sich zu einem organisatorischen und methodisch geleiteten Ganzen.

1904

1904 konnte sich Hans Przibram in Wien für "Zoologie mit besonderer Berücksichtigung der experimentellen Morphologie" habilitieren. Ganz in den Fußstapfen seines akademischen Lehrers Hatschek ging Hans Przibram an die zoologischen Stationen in Triest, Neapel und Rostof (Bretagne), um die Meeresfauna zu studieren. Er begann entwicklungsphysiologische Studien an Meerestieren in der Nachfolge von Wilhelm Roux und unternahm ausgedehnte Forschungsreisen, unter anderem zusammen mit Leopold von Portheim und Paul Kammerer 1904 in den Sudan, um tropische Versuchstiere für das Vivarium zu sammeln, aber auch in die USA, wo ihm die Begegnung mit dem Physiologen Jacques Loeb einen tiefen Eindruck hinterließ.

1907

Dr. Hans Przibram, Dr. Karl Przibram, beide Privatdocenten in Wien, und Friederike Lederer, Advocatensgattin in Wien, alle Wien I, Parkring 18, erwarben je 1/3 des Hackinger Schlosses in Wien 13. Bezirk, Schlossberggasse 8. Sie kauften das Schloss mit Nebengebäuden, Remisen und Kuhstall, das Haus Konskriptionsnummer 170 (Erzbischofgasse 16) und andere Flächen, jedoch "mit Ausschluss des im Gutsbestand dieser Realtität etwa noch aushaftenden Recht wegen Duldung der Brunnenstube, der Röhrenwasserleitung und der hieraus resultierenden Rechte auf EZ 368 Grundbuch Ober St. Veit, welches auf der EZ 368 Grundbuch Ober St. Veit sowie auf den aus der Parzellierung der Grundbuchseinlagen 368 und 1171 Grundbuch Ober St. Veit entstandenen neuen Grundbuchseinlagen als dienendem Gute auf Grund des Vertrages vom 19.12.1825 und der im Erhebungsprotokoll vom 26.1.1878 Z 302 abgegebenen Erklärung einverleibt ist". Als Kaufpreis wird der Betrag von 463.000 Kronen vereinbart und bei Vertragsunterfertigung bar bezahlt.

1911

Auch die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien wurde zunehmend eingebunden. Sie besaß bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs nur zwei eigene Forschungsinstitute, die wenige Jahre zuvor und ebenfalls durch die Initiative eines vermögenden Mäzens gegründet worden waren. Auf Anregung des Rechtsanwalts und Industriellen Karl Kupelwieser, der auch die nötigen Geldmittel dafür bereitstellte, wurden 1906 die Biologische Station in Lunz am See und 1910 das Institut für Radiumforschung gegründet. Diese beiden Einrichtungen und ihre Einbettung in den anerkannten Rahmen der Akademie mögen die Gründer der Biologischen Versuchsanstalt bewogen haben, auch ihr Institut der Akademie anzubieten. Schon im Jahr 1911 hoben sie die Ersprießlichkeit vom engen Lehrbetrieb befreiter Forschungsstätten hervor und unterbreiteten der Akademie den Vorschlag, durch die Übernahme der Biologischen Versuchsanstalt dieser den dauernden Bestand zu sichern.

1913

Hans Przibram wird zum unbesoldeten außerordentlichen Professor für experimentelle Zoologie ernannt.

1914

Eine eingesetzte Kommission bejahte den Bedarf an einem Forschungsinstitut für experimentelle Biologie, unter anderem, weil Versuche in den bestehenden Universitäts-Instituten scheiterten. Allerdings sollte eine finanzielle Belastung des Akademie ausgeschlossen werden, weshalb sich die Verhandlungen zwischen den Besitzern der Anstalt, der Akademie und dem Ministerium für Kultus und Unterricht noch vier Jahre hinzogen, ehe es mit 1. Jänner 1914 zur Übernahme der Biologischen Versuchsanstalt durch die Akademie kam. Die Schenkung des nun schon seit einem Jahrzehnt mit anerkannten Erfolgen wirkenden Privatinstituts ergänzten Leopold von Portheim und Hans Przibram mit einem Kapital von je 100.000 Kronen in Wertpapieren als Betriebskapital, dessen Zinsen für den wissenschaftlichen Betrieb der Anstalt bestimmt wurden. Hans Przibrams Bruder Karl, Physiker am Institut für Radiumforschung, erlegte eine Summe von 100.000 Kronen als "Reservekapital", das für den eventuell notwendigen Um- oder Neubau der Anstalt verwendet werden sollte.

1919

Mit Kaufvertrag vom 28.2.1919 verkauften die Geschwister Przibram das Hackinger Schloss um 1.250.000 Kronen in deutschösterreichischer Währung an Katharina Healy. Hans Przibram verwendete seinen Anteil zum Kauf des Hauses in Wien 13. Bezirk, Hietzinger Hauptstraße 122 um 460.000 Kronen. Sein Brunder Karl Przibram Kaufte ein Haus in Wien 13. Bezirk, Mantlergasse.

Schon mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall des Habsburgerreiches entstanden für die Biologische Versuchsanstalt schwere finanzielle Probleme. Mitte des Jahres 1919 drohte der Anstalt die Einstellung aller Arbeiten, und die Verantwortlichen in der Akademie der Wissenschaften überlegten, das Gebäude samt seinen Einrichtungen zu verkaufen. Zugleich erwogen sie, die Forschungen der Anstalt in einem funktionslos gewordenen Nebengebäude des Schlosses Schönbrunn neu zu etablieren. 1920 wurden diese Pläne aufgegeben, da der Verkauf des Vivarium gescheitert war.

1921

Hans Przibram wurden die Bezüge eines Extraordinarius ad personam zuerkannt.

1922

Unter welch schwierigen Bedingungen die wissenschaftlichen Arbeiten in der Biologischen Versuchsanstalt fortgeführt wurden, zeigt der Tätigkeitsbericht der Anstalt für dieses Jahr: "Im Anfange des Jahres 1922 waren die für den Betrieb der Anstalt verfügbaren Mittel derart zusammengeschmolzen, dass bereits der Untergang unserer Forschungsstätte drohte. Es ist ausschließlich dem noch rechtzeitigen Eingreifen der New Yorker Emergency Society for German and Austrian Science and Art zu danken, dass die Arbeiten noch über den Sommer weitergeführt werden konnten." Vor allem die Energie- und Betriebskosten der Einrichtungen – wie der Glashäuser – konnten nur durch zusätzliche Subventionen des Unterrichtsressorts und der Gemeinde Wien aufgebracht werden. Aber auch der Bankenverband und der Finanzspekulant Camillo Castiglioni (1879–1957) spendeten Geldmittel. Weiters hoffte man durch Filmaufnahmen zusätzliche Gelder zu lukrieren, was wohl im Zusammenhang mit der Produktion des erfolgreichen Steinach-Films zu sehen ist. Trotz aller widrigen Umstände konnte der Forschungsbetrieb fortgeführt werden. Der Jahresbericht für 1923 zählt sechzehn Arbeitsplätze auf, wovon sechs auf zahlende Forscher entfielen.

1928

Es gelang, die seit dem Jahr 1914 stillgelegten Temperaturkammern mit Hilfe einer zusätzlichen Finanzierung durch das Unterrichtsressort und die Emergency Society zu reaktivieren.

1930

Przibrams umfassendes Wissen fand in das monumentale Werk Experimental-Zoologie, das 1907–1930 in sieben Bänden erschien, Eingang. 

1931

In diesem Jahr publizierte an der University of London im März 1929 gehaltene Vorträge ("Connecting Laws in Animal Morphology") enthalten auch Fotos aus dem Vivarium:

<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>Wassertank für Experimente mit Süß- und Meerwasserkrebsen. </p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>
<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>"Mantidarium" mit Gaze-Käfigen unter verschiedenen Bedingungen</p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>
<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>Krüge mit für Experimente isolierten Molchen</p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>
<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>Elektrisch betriebene Kohlendioxid-Kältemaschine</p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>
<p><b>Das Vivarium im Wiener Prater</b></p><p>Eine der Kammern mit konstant gehaltener Temperatur</p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>

1932

Die zunehmend drückende finanzielle Situation des Staates und der öffentlichen Einrichtungen machte für das finanziell notleidende Institut im dreißigsten Jahr seines Bestehens weitere Schritte einer externen Finanzierung notwendig. Um eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen, wurden 1932 die alten Aquarien wie zu Zeiten des Vivarium zu Schauaquarien adaptiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Man versuchte aus der Not eine Tugend zu machen und leistete so einen Beitrag zur "Volksbildung". Überdies wurde die Anstalt nun auch in die Fortbildung für Naturhistoriker an Mittelschulen eingebunden. Im Juni 1932 zog die Leitung der Anstalt auch die Errichtung eines Laboratoriums zur Erforschung der Wirkung des Radiums auf Tiere und Pflanzen in Erwägung. Zu ihrer Realisierung kam es jedoch nicht.

1935

Hans Przibram war in erster Ehe mit Anna, Gräfin Komorovska verheiratet, die einer alten polnischen Familie entstammte. Komorovska war in erster Ehe mit einem russischen Prinzen Galitzin verheiratet gewesen. Der Ehe mit Hans Przibram entstammten drei Töchter, Marguerite, Vera und Doris. Nach dem Tod der ersten Frau im Jahre 1933 heiratete Przibram 1935 die Witwe Elisabeth Fröhlich, geb. Ruhmann, die eine Stieftochter, Marie Fröhlich, in die Ehe mitbrachte. Elisabeth Fröhlich war jüdischer Herkunft.

Erikas Taufe. © Archiv Eisert
<p><b>Erikas Taufe</b></p><p><i>&copy; Archiv Eisert</i></p>

1938

Die Zerstörung der Biologischen Versuchsanstalt als Ort der Forschung folgte dem Untergang der politischen Eigenständigkeit Österreichs schon im März 1938. Noch in diesem Monat wurden über Nacht die Schlösser ausgetauscht, um den "rassisch" missliebigen Wissenschaftlern den Zutritt zu ihrer Anstalt zu verwehren. Hans Przibram und Leopold Portheim konnten das von ihnen aufgebaute und fünfunddreißig Jahre lang geleitete Haus nicht einmal mehr betreten. Przibram war gezwungen, seine große Privatbibliothek in der Anstalt zurückzulassen.

Am 4. April 1938 wurde die Versuchsanstalt durch eine "parteiämtliche Maßnahme" unter die kommissarische Leitung von Ing. Franz Köck gestellt. Köck hatte ab 1927 die Adjunktenstelle inne. Völlig willkürlich maßte sich Köck eine Leitungsfunktion an, was jedoch seitens der Akademie der Wissenschaften 1940 zurückgewiesen wurde. Köck schied zu Ende des Jahres 1940 aus dem Angestelltenverhältnis aus.

Am 13. April 1938 unterfertigten der Obmann des Kuratoriums der Anstalt, Professor Fritz Knoll, der "mit 29. März mit der Wahrung der Interessen der NSDAP an der Akademie betraut" worden war, und der neue Präsident der Akademie, Heinrich Ritter von Srbik, ein Schriftstück, worin es hieß: "Die Biologische Versuchsanstalt wird zur Durchführung unaufschiebbarer Reinigungsarbeiten heute um 18 Uhr geschlossen und bleibt bis 25. April ds. J. gesperrt. Am 26. April 8 Uhr früh wird das Institut für die inzwischen auf Ansuchen mit Zulassungsscheinen beteilten Arbeitenden wieder eröffnet."

Bereits am 22. April 1938, also wenig mehr als ein Monat nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen, erging vom Österreichischen Unterrichtsministerium ein Erlass an die Universität Wien mit den Namen der zu entlassenden oder zu beurlaubenden Angehörigen der Philosophischen Fakultät. Von den hier im weiteren Zusammenhang mit der Biologischen Versuchsanstalt genannt Personen wurden entlassen: Hans Przibram, Karl Przibram, Stefan Meyer, Berthold Hatschek und Joseph Kisser. Im Bericht des Generalsekretärs der Akademie, Egon Schweidler, über die Geschehnisse des Jahres 1938 heißt es lapidar: "Die Biologische Versuchsanstalt im Prater ist im Stadium einer Reorganisation sowohl in Bezug auf bauliche Ausgestaltung und Verbesserung der Inneneinrichtung als auch in Bezug auf die Organisation der wissenschaftlichen Tätigkeit."

1939

Arthur Koestler schrieb über Hans Przibram, den Gründer und Leiter der Biologischen Versuchsanstalt: "Der Gefahr, die Hitler für Österreich darstellte, war er sich überhaupt nicht bewusst. Sein früherer Mitarbeiter Paul Weiss, damals an der University of Chicago, machte sich erbötig, ihm eine Position in Amerika zu verschaffen. Przibram lehnte ab; er wollte nicht glauben, dass Österreich in Barbarei versinken könnte." Doch noch vor Beginn des Krieges im Herbst 1939 emigrierte Hans Przibram zusammen mit seiner Frau nach Holland. Sein Bruder Karl flüchtete nach Belgien, wo er in Brüssel bei einer Uranbergbaugesellschaft Unterschlupf fand und dann als U-Boot das Ende des Krieges erlebte. Hans Przibrams Schüler Trampusch war bei der Übersiedlung nach Amsterdam behilflich und konnte für Hans Przibram einen wenn auch schlecht dotierten Forschungsauftrag beschaffen. In einem holländischen Institut arbeitete Hans Przibram noch über den Chemismus der Zirbeldrüse.

1940

Die Wiener Bühne berichtete noch im März 1940 in einer Bildreportage über "Das Wiener Vivarium" und wollte den Anschein einer funktionierenden Forschungsstätte vermitteln, von der doch kaum mehr als die äußere Hülle intakt geblieben war. Der wissenschaftliche Betrieb an der Anstalt war mit der Vertreibung ihrer Forscher zum Erliegen gekommen und lediglich die Aquarienschau wurde weitergeführt.

Mit der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Frühjahr 1940 fand sich das Ehepaar Przibram neuerlich in einer gefährlichen Situation.

1941

Am 3. März 1941 richtete Hans Przibram an den Rektor der Universität Wien das Ersuchen, ihm ein Unterstützungsschreiben für seine geplante Reise von Holland in die USA zukommen zu lassen: "Mit einem solchen Schreiben hoffe ich die Erlaubnis zur Vorsprache in Haag (Anm: bei den deutsche Behörden und der Höheren SS in sGravenhage) und zur Ausreise erreichen zu können, worauf ich erst die amerikanischen Visa erhalten kann. Die sonstigen Papiere, welche zur Eintragung vom amerikanischen Konsul in Rotterdam verlangt werden, habe ich bereits trotz der schwierigen Beschaffbarkeit erhalten." Das erwünschte Schreiben wurde zwar vom Rektorat der Wiener Universität im Einvernehmen mit dem NS-Dozentenbundführer Marchet ausgefertigt, der gesamte Akt jedoch nach Berlin an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zur Entscheidung abgetreten. Damit war die bürokratische Falle zugeschnappt.

Hans' Tochter Doris hatte als "jüdischer Mischling ersten Grades" in Wien bleiben können. Ihr Versuch, auf legalem Wege 300 RM an den Vater nach Amsterdam zu schicken, wurde ohne Begründung abgelehnt (Datum noch zu eruieren).

1943

Den Bruder Karl Przibram erreichte eine mit 21. April 1943 datierte letzte Nachricht aus Amsterdam: "... wir sind aufgefordert worden nach Theresienstadt zu fahren..." Der Name dieses kleinen Garnisons- und Festungsstädtchen könnte den Przibrams aus besseren Zeiten bekannt gewesen sein, liegt doch unweit davon, knapp fünfundsiebzig Kilometer südlich, die Stadt Przibram, von der sich aller Wahrscheinlichkeit nach der Name der Familie Przibram herleitet. Im Herbst 1941 begannen die Nazis mit dem Aufbau eines jüdischen Gettos in Theresienstadt / Terezín, das damals 3.700 Einwohner zählte. Zwischen Oktober 1941 und April 1945 wurden ca. 141.000 Juden aus den von den Nazis kontrollierten Ländern Europas in das Getto deportiert, davon mehr als 15.000 aus Österreich.

Ein Paket, das Hans' Tochter Doris aus Wien nach Theresienstadt schickte, kam an. Sie erhielt von ihm eine dieser vorgedruckten Karten, auf der er den Erhalt bestätigte und einen Brief ankündigte. Danach hörte sie nichts mehr von ihm.

Die Akademie der Wissenschaften in Wien schloss Im Juni 1943 mit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft einen Vertrag, worin dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Kulturpflanzenforschung die Räumlichkeiten der Anstalt sowie die Glashäuser und der Garten für deren experimentelle Forschung überlassen wurden.

1944

Am 20. Mai 1944 starb Hans Przibram im Getto Theresienstadt an den Folgen eines Hungerödems; seine Frau beging am Tag darauf Selbstmord durch Einnahme von Gift. Mit dem zynischen Titel des Films "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" wurde das Getto Theresienstadt dem westlichen Ausland gegenüber als Mustergetto propagiert. Dass es eines der Vernichtungslager der Nazis war, zeigt die erschreckende Todesbilanz der in diesem kleinen Städtchen zusammengepferchten Menschen. Die Rote Armee konnte 1945 etwa 17.000 Menschen aus dem Getto Theresienstadt befreien.

Von erschütternder Tragik waren die Folgen des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich auch für die Familie von Hans Przibram. Der Mann seiner Tochter Marguerite versuchte nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen Selbstmord zu begehen, starb jedoch erst nach einer Woche qualvollen Leidens. Marguerite erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine Psychiatrische Klinik eingeliefert, von wo sie mit anderen Insassen nach Minsk deportiert wurde. Tochter Vera konnte emigrieren, Tochter Doris gelang es, die Nazi-Herrschaft im Land zu überleben.

1945

Bei den Kämpfen um die Befreiung Wiens, als die Rote Armee Straße um Straße im Osten der Stadt eroberte, wurde das Gebäude der ehemaligen Biologischen Versuchsanstalt, vulgo Vivarium, zwischen dem 9. und 11. April 1945 wahrscheinlich von der SS mit Granaten in Brand geschossen. Die gesamte wissenschaftliche und technische Einrichtung, auch alle Tiere, darunter ein Krokodil und die achtzigjährigen Schildkröten, wurden vernichtet. Übrig blieb eine Brandruine und im Keller ein großes Bassin mit dem Wasser der Adria.

Karl Przibram hielt im November 1945 in London eine Ansprache auf der Veranstaltung Science in Austria, veranstaltet von der Association of Austrian Engineers, Chemists and Scientific Workers in Great Britain, die zum Wiederaufbau der österreichischen Wissenschaften beitragen will. Przibram drückte seine Hoffnung aus, dass das befreite Österreich in der weltumfassenden Republik der Wissenschaften wieder den ihm gebührenden Platz einnehmen werde. Abschließend nannte er zwei Institutionen, deren Zukunft ihm besonders am Herzen lagen: "The first is the Institut für Radiumforschung of the Vienna Academy of Sciences, with which I was connected for 18 years. I hope to see Professor Stefan Meyer once more the Head of the Institut, whose very heart and soul he was since its foundation in 1910. The second institute I wish to refer to is the Biologische Versuchsanstalt in the Vienna Prater, founded conjointly with L. Portheim and W. Figdor by my late brother, Hans Przibram. It was my brother's aim to make the Institute a centre not only of experimental, but also of quantitative biology, and I hope this trend of research may be continued there, in memory of him who died a victim of Nazi barbarism."

Karl Przibrams Hoffnung, aus den Ruinen des Vivarium würde wieder wissenschaftliches Leben sprießen, erfüllte sich nicht. Die ersten Jahre des Wiederaufbaus gaben der Akademie der Wissenschaften weder Möglichkeiten noch Mittel, sich des einstigen großzügigen Geschenks anzunehmen. Man fügte sich den ökonomischen Realitäten. Und nicht zuletzt waren jene vertrieben, ermordet worden oder gestorben, die ihr wissenschaftliches Erbe hätten einfordern können.

1947

Im Jahre 1947 wurde die Anstalt, oder was von ihr noch übrig war, durch die Akademie endgültig aufgelassen.

1948

Einmal noch gab es einen öffentlichen Aufschrei, als die Pläne zum Verkauf des Vivarium bekannt wurden. "Weltberühmte Forschungsstätte wird Tanzlokal. Glück und Ende der Biologischen Versuchsanstalt im Wiener Prater" titelte das Neue Österreich im August 1948. Und im Oktober berichtete es resignierend über "Die verkaufte Biologie": "Nichts wird wieder angefangen, nichts aufgebaut. Wohl hat selbstloser Forscherdrang an anderen Punkten der Stadt und des Landes höchst Anerkennenswertes geleistet, aber im wissenschaftlichen Zentrum, an der traditionellen Pflegestätte der Biologie, hat die materielle und wohl auch die moralische Kraft versagt. Schluss mit dem Vivarium! (...) Die Akademie der Wissenschaften hat das ihr geschenkte Haus verkauft – verkauft an einen Unternehmer, der dort irgend eine Praterunterhaltung aufmachen will, ein Varieté, eine Tanzbar, eine Grottenbahn oder sonst eine durchaus unbiologische Veranstaltung." Neues Österreich vom 25. August und 20. Oktober 1948. Der Artikel vom 20. Oktober 1948 ist mit p. d. (Paul Deutsch) gezeichnet.

Bis zu ihrem endgültigen Ende nach dem Zweiten Weltkrieg war die Biologische Versuchsanstalt neben dem Institut für Radiumforschung und der Biologischen Station in Lunz am See das einzige Forschungsinstitut der Akademie der Wissenschaften. Mehr als dreißig Jahre lang wurden dort innovative wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der experimentellen Biologie produziert. Heute erinnert nur noch die Vivariumstraße im 2. Wiener Gemeindebezirk an den einst am Beginn der Prater Hauptallee gelegenen prächtigen Bau. Dokumente der umfänglichen Forschungen sind nur noch in Archiven und Bibliotheken zu finden. Ein blühendes wissenschaftliches Leben wurde nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen zerstört und nachhaltig vernichtet. Wolfgang L. Reiter bezeichnet die weithin vergessene Geschichte dieses Instituts als in mancher Hinsicht modellhaft für die Geschichte der naturwissenschaftlichen Forschung in diesem Land.

Quellen:
Reiter, Wolfgang L.: Zerstört und vergessen: Die Biologische Versuchsanstalt und ihre Wissenschaftler/innen in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 10. Jahrgang Heft 4,1999, hrsg. von Albert Müller, Turia+Kant, 1010 Wien, ISSN 1016-765 X
Auskünfte und Unterlagen der Familie Eisert

Zusammengefasst von hojos
im März 2012