Ein besonderer Tag

Eine fiktive Geschichte aus dem Jahr 2027, vorgetragen von Dorothea Drlik aus Anlass des 70. Geburtstages von Felix Steinwandtner.
25.03.2007

Es war ein besonderer Tag. Ein besonderer Tag im März des Jahres 2027. Es war nämlich der 35. März des Jahres 2027. diesen 35. März, den gibt es, wenn überhaupt nur wenige Male in einem Jahrhundert.

Also an diesem historischen 35. März überquerte ein junger Mann raschen Schrittes den Platz vor dem Bezirksmuseum.

Ferdinand Schiller war seit kurzem Mitarbeiter der örtlichen Bezirkszeitung und kam gerade aus dem Amtshaus von einem Gespräch mit Bezirksvorsteher Heinz Gerstbach, wo er sich wie immer etwas verplaudert hatte. Er war auf dem Weg zu dem ihm noch nicht persönlich bekannten, aber legendären Leiter des Bezirksmuseums Felix Steinwandtner, der vor wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag gefeiert hatte.

Fast eine Viertelstunde verspätet öffnete er eilig die Tür des Museums. „Viel länger hätt´ ich nicht mehr auf Sie gewartet, Herr Redakteur, ich war grad im Gehen“- schallte es Ferdinand Schiller mit sonorer Stimme aus dem halbdunkel des Museumseingangs entgegen.

„Entschuldigen Sie, Herr Direktor“, meinte der junge Journalist beflissen, „aber die Termine…“ „ja und ich habe meine Termine“ unterbrach Felix Steinwandtner seinen Besucher barsch. „Außerdem, an Direktor gibt´s überhaupt net bei uns. Aber, wenn Sie jetzt schon einmal da sind, was wollen Sie den alles wissen“?

Ohne eine Antwort abzuwarten begann der alte Herr sogleich auszuführen. Mehrere Male versuchte Schiller sein Gegenüber zu unterbrechen, aber zu mehr als, „aber Herr Museumsleiter, …,ja, aber Herr Steinwandtner, oder bitte, wie war das mit der Maria Theresia?… kam er nicht.

Ein schwaches Stündchen referierte Felix Steinwandtner locker über die Geschichte des Bezirks und des Museums, die bekannten Persönlichkeiten von einst und jetzt und über die schwierige finanzielle Situation der Bezirksmuseen überhaupt. Es wimmelte dabei nur so von Kaisern und Königinnen, Doktoren und Professoren, Exzelenzen und Eminenzen, bis dem guten Ferdinand Schiller der Kopf schwirrte. Während die beiden langsam von Raum zu Raum gingen, kam dem junge Mann immer mehr zu Bewusstsein, wie viele Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Kultur in diesem Bezirk gewirkt oder gewohnt hatten und emsig notierte er Daten, Fakten und die Dinge, die der so unglaublich beschlagene Bezirkshistoriker wie nebenbei, oft nur als Fußnote zum besten gab.

Endlich nahm er all seinen jugendlichen Elan zusammen und als der Museumsleiter in einer kleinen Erschöpfungssekunde Atem holte fragte er: „Sie haben doch vor kurzem die Ausstellung über berühmte Hietzinger eröffnet, die ja bereits vor zwanzig Jahren ein großer Erfolg war. Und im Gegensatz zu damals ist diesmal auch der großartige Volksschauspieler Hans Moser dabei. Ich habe gehört, dass Sie ihn noch persönlich gekannt haben sollen.“ Ein kaum merkbares Lächeln huschte plötzlich über der Steinwandtnerische Gesicht. „Ja, der Moser, den hab ich als junger Mann, da war ich vielleicht so alt wie Sie, oft täglich gesehen, wie er noch in seiner Villa in der Hügelgasse gewohnt hat“.

Bedächtig führte er seinen Besucher in eine Ecke des Ausstellungsraumes. „ Da schauen Sie, da hab ich eine Büste von Hans Moser stehen. Sie ist das Modell zu der Bronzebüste aus dem Hans-Moser-Park vor dem Amtshaus. Vor 20 Jahren hat das Museum sie geschenkt bekommen. Im Übrigen schaut sie ihm gar nicht ähnlich“, grantelte er sogleich.

Und von seinen langen Ausführungen nun doch ein bisschen erschöpft ließ er sich auch noch die Anekdote entlocken, wie der berühmte Schauspieler just in dem Moment in der St. Veitgasse seinen Weg kreuzte, wie Felix der Glückliche seine Braut Elisabeth zum Traualtar in die Unter St. Veiter Kirche führte. Während Ferdinand Schiller sich noch versonnen die St. Veitgasse vorstellte, wie sie damals wohl ausgesehen haben mochte holte ihn die Stimme des Museumsleiters in die Gegenwart zurück. „Der Worte sind genug gewechselt Herr Redakteur, lasst uns endlich Taten sehn…,also womit machen Sie den auf in der nächsten Ausgabe?“ wobei er auf die Titelgeschichte der nächsten Ausgabe anspielte.

Ein wenig aus dem Konzept gebracht stotterte Ferdinand Schiller etwas von Verkehrproblemen auf der Kennedybrücke und von Verbauungswünschen am ORF- Gelände am Küniglberg.

Ob des offensichtlichen Interesses seines Besuchers schon etwas milder gestimmt meinte der alte Herr zu seinem jungen Gesprächspartner: „Also wieder keine Kultur, das sind wir ja gewöhnt von der Presse! Aber wenn Sie noch etwas wissen wollen von mir, schreiben sie mir einfach ein Mail“ - und übrigens nächstes Jahr lege ich die Leitung des Bezirksmuseums sowieso zurück!“

Schnell schaute der Journalist auf. Personalia sind immer eine Headline wert. Zweifelnd fragte er. „Aber ich hab geglaubt, sie bleiben bis zum Hunderter!?“ „Der Glaube gehört in die Kirche“, unterbrach Felix Steinwandtner sein Gegenüber und weidete sich an dessen überraschtem Gesicht. Gleichmütig fuhr er fort: „Einmal muss endgültig Schluss sein. Der Dr. Klötzl oder der Prof. Königstein sind jetzt wirklich lang genug dabei, dass sie das Werkel übernehmen können. Und der Heinz Gerstbach hat auch gesagt, dass er bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren wird. Aber schau ma mal, wie´s im Herbst ausschaut. Bis dahin gibt es noch jede Menge Ausstellungen und Veranstaltungen. Das Museum ist ausgelastet auf mehrere Jahre hinaus“.

Als der Journalist nun heftig insistierte, dass wohl kaum ein anderer über so profundes Bezirkswissen verfüge, meinte Felix Steinwandtner nur trocken: „Tuans net siasln, ich weiß schon wann´s Zeit ist“. Und bevor der junge Mann noch etwas erwidern konnte meinte der alte Herr: „Der Tag ist lang und löst der Rätsel nicht…“. was hieß, das Gespräch war nun endgültig beendet.

Uns so blieb dem jungen Mann nichts übrig als sich artig zu bedanken für das interessante Gespräch und er eilte wieder hinaus in Richtung Maximiliandenkmal, vorbei an einer wartenden Gruppe ältere Damen und Herren des Ober St. Veiter Seniorenklubs, die geduldig unter Leitung ihres Obmannes Clemens Papak auf eine Spezialführung des Museumsleiters durch die Ausstellung warteten.

Felix Steinwandtner aber strich dem Moserschen Gipskopf sinnend über den weißen Scheitel und meinte „ja, ja, lieber Moser, das waren halt noch Zeiten damals in der St. Veit Gasse“, und wandte sich dann den Wartenden zu: „Meine Damen und Herren, erst eine ordentliche Spende ins Körberl, dann fang ma an!“

Dies alles geschah, wie sie sich erinnern werden, an einem besonderen Tag. Am 35. März 2027.

Und damit dieser besondere Tag auch Wirklichkeit werden kann steht seit dem besonderen Tag Felix Steinwandtners, seinem 70. Geburtstag, die Büste Hans Mosers im Bezirksmuseum.

Dorothea Drlik
im März 2007