Grußworte

von Pater Edmund Dorner anlässlich der Kirchenführung am 4. Juni 2016
04.06.2016

Während bald in Wien und in den Bundesländern die „lange Nacht der Kirchen“ begangen wird, haben wir ein paar Tage vorher einen Termin gefunden, der also heute eine sehr kunstinteressierte Besucheranzahl hier unter der Kassettendecke, vor dem Tabernakel zusammenführt.

Diese Karl Borromäuskirche wurde vor 112 Jahren konsekriert, im Juni 1904, die Erinnerungstafel ist dort zu sehen, vis-a-vis der Grundsteinlegungstafel von 1902. Diese Kirche wurde ausnahmslos für die Seelsorge an den Hausbewohnern als Zentrum und geistig-geistliche Mitte errichtet. Vor allem für die Gehfähigen und alle, die gesünder waren, für die Pflegepersonen, für die medizinisch-therapeutischen Betreuer/innen, für alle Neugierigen und nicht zuletzt für die fast 80 geistlichen Schwestern (Hartmannschwestern), die von Anfang an hier eingesetzt waren – bis 1986!

Da das Versorgungsheim für fast 5000 Menschen gedacht und angelegt wurde, entspricht das Ausmaß der Kirche in solcher Dimension fast dem Bedürfnis einer Großgemeinde – oder wie es dann war, einer Stadt in der Stadt Wien! Vergleicht in Gedanken alle Hietzinger Kirchen und urteilt selbst. Ihr werdet zum Schluss kommen, dass man in der Ausstattung den Armen, Alten und Kranken gar nichts vorenthalten wollte: Trotz des hohen Lebensalters wurde dafür gesorgt, dass das starke Bedürfnis zum Messbesuch nicht nur an Sonn- und Feiertagen, sondern auch werktags befriedigt werden konnte.

Zur Ermöglichung der Tag- und Nachtbetreuung kamen nach einem kurzen Einsatz von Pfarrer Franz Xaver Rathner am 1. Mai 1906 zwei Kamillianer, Pater Roth und Pater Gethmann. Sie und seit dem viele nachrückende Mitbrüder gewährleisteten die kamillianische Seelsorge bis zur Schließung Ende Oktober 2015.

Kamillianische Seelsorge übten die Mitglieder des von Kamillus von Lellis gegründeten Ordens, die Kamillianer genannten Patres, als Seelsorgepriester aus. Die seelsorgerlichen Begleitungen bestanden hauptsächlich im Besuchsdienst: „Ich war krank und ihr habt mich besucht.“ Das bedeutete wiederholte Stationsbesuche in großer Regelmäßigkeit, mit dem Ziel, von Zimmer zu Zimmer gehend apostolisch tätig zu sein. Im Gespräch mit den Wienerinnen und Wienern, die vielleicht oft erst nach Jahrzehnten die Chance geboten bekamen, mit einem Priester ein paar Worte zu wechseln, könnten die anstehenden Bedürfnisse erfüllt werden.

Damit war auch die Möglichkeit geboten, Ärzte und Angestellte auf der Krankenstation mitzuversorgen. Der Ordensstifter ist ja Patron der Kranken, der Spitäler, der Pflegepersonen, also aller, die die karitative Tätigkeit aus großer Selbstlosigkeit und Mitmenschlichkeit ausübten, aber auch zum Gelderwerb, wie z.B. meine Mutter in den 1950er-Jahren.

Jahrzehnte sind so vergangen, in der Kirche waren Kardinäle, Bischöfe, Ordensobere (Äbte) zu Gast, es wurden Novizen eingekleidet, Professen entgegengenommen, Diakone und Priester geweiht, vor allem aber wurde im täglichen Gottesdienst die Hilfe zur Bewältigung des Alters und der Krankheit von altersbetroffenen Menschen ermöglicht. Jahrelang war auch die evangelische Kirche zur Feier des Hl. Abendmahls hier, die letzten Jahrzehnte mit Pfarrer Karl Weinberger. Dazu zählten auch die Predigt, die Rosenkranzandachten, die Krankensalbungsfeste, wie am letzten Sonntag, Jubiläen, Totengottesdienste, aber auch Chöre, orgelmusikalische Darbietungen, Jugendensembles mit zeitgenössischen Instrumenten, wie am 3. Juli wieder.

Neben unzähligen Verstorbenen, die wir Kamillianer auf 52 Friedhöfen Wiens bestattet haben, sind auch etliche Persönlichkeiten, Ärzte, Schwestern, Direktoren und Vorstände hier verabschiedet worden und last but not least viele Seelsorgepriester aus dem Orden, besonders hervorgehoben sei Pater Lachinger vor 15 Jahren.

Nach den Kirchenrenovierungen 1994 und 2013/2014 ist es in letzter Zeit ruhiger geworden um die Kirche, doch so ein Tag wie heute erweckt wieder Hoffnung, dass die Bedeutung der Kirche mitten im Areal seelsorgerlich und künstlerisch in der Zukunft gewürdigt wird.

Pater Edmund Dorner
4. Juni 2016